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    Über den Maschinenraum eines öffentlich-rechtlichen Senders

    Newsletter ZDF-Fernsehrat:Über den Maschinenraum eines großen öffentlich-rechtlichen Senders

    Die Sachverständige Birgit Stark über ihre Arbeit zur Selbstverpflichtungserklärung des ZDF

    Für die Sachverständige Prof. Dr. Birgit Stark ist die Bewertung von Medienqualität "kein leichtes Unterfangen, weil man sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Kriterien messen kann". Sie erklärt, mit welchen Methoden man dem nahekommt.
    Porträt Prof. Dr. Birgit Stark
    Sachverständige Prof. Dr. Birgit Stark
    Quelle: Petra A. Killick

    #Fernsehrat: Sie haben den Fernsehrat bei der Umsetzung der in der Selbstverpflichtungserklärung des ZDF festgelegten Qualitätsziele zwei Jahre lang als Sachverständige begleitet. Bitte ziehen Sie ein kurzes Fazit Ihrer Arbeit.
    Birgit Stark: Es ist eine sehr spannende Aufgabe, den Auf- und Ausbau eines kontinuierlichen Qualitätsmonitorings beim ZDF zu begleiten. Ausgangspunkt war, dass ich mich in den letzten Jahren im Rahmen eines ländervergleichenden Forschungsprojekts intensiv mit der Qualitätsmessung beschäftigt habe. Medienqualität unter die Lupe zu nehmen ist dabei kein leichtes Unterfangen, weil man sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Kriterien messen kann. Deshalb ist der erste wichtige Schritt, zu entscheiden, aus welcher Perspektive man untersucht und mit welchen Instrumenten man misst. Die einzelnen Teile dieses Instrumentariums beim ZDF kennenzulernen – es hört hier auf den Namen ZDF KOMPASS - war ein spannender Prozess. Man bekommt nicht nur einen Einblick in den Maschinenraum eines großen öffentlich-rechtlichen Senders, sondern lernt auch, wie der Sender mit zentralen Themen des digitalen Medienwandels umgeht. Um es auf den Punkt zu bringen: Als Mitglied eines unabhängigen Forscherpanels Impulse für den laufenden Reformprozess zu geben, entspricht nicht nur meinen Forschungsschwerpunkten, sondern auch meinem Selbstverständnis als Wissenschaftlerin.
    #Fernsehrat: So wie das ZDF ziehen Sie regelmäßig (Zwischen-)Bilanzen zur Umsetzung der Selbstverpflichtungserklärung. Wie gehen Sie dabei methodisch vor?
    Stark: In den ersten zwei Jahren unserer Tätigkeit haben wir uns vor allem mit der methodischen Umsetzung der einzelnen Instrumente befasst. Dabei war es uns ein Anliegen, einerseits zu verstehen, wie die einzelnen Ziele einzuordnen sind und andererseits, wie sie methodisch in vorhandene oder auch neu entwickelte Umfragen und Studien eingebaut werden können.
    Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf das neu geschaffene Panel ZDFmitreden gelegt. Ein eigenes Zuschauerpanel hat viele Vorteile, birgt aber auch methodische Herausforderungen. Neben der Festlegung von Teilnahmeregelungen und Datenschutzbestimmungen ist es von entscheidender Bedeutung, Personen zu finden, die sich bereit erklären, langfristig an den Umfragen teilzunehmen. Die Hauptherausforderung bestand darin, in kurzer Zeit zu belastbaren Ergebnissen zu kommen. Der intensive Austausch mit dem Team der ZDF-Medienforschung hat uns dabei geholfen, den Aufbau des Panels methodisch zu begleiten und zentrale Fragen der Stichprobenziehung und Gewichtung zu diskutieren.
    Durch eigene Fallstudien im Panel konnten konkrete Formulierungen in den Fragebögen und das Antwortverhalten der Panelteilnehmer vertieft werden. So konnten wir schließlich die einzelnen Instrumente des ZDF KOMPASS in verschiedenen Zwischen- und Abschlussberichten, aber auch Präsentationen in den Ausschüssen und im Plenum des Fernsehrats evaluieren und im direkten Austausch mit den Fernsehräten diskutieren. Und damit die Frage beantworten, ob der ZDF KOMPASS valide Daten zu den Zielen der SVE liefert, also belastbar das misst, was er für den genannten Zweck messen soll.

    Zusammenfassung der Fernsehratsvorlage "Selbstverpflichtungserklärung des ZDF 2025 - 2026"

    OrganisationFernsehratsvorlage
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    #Fernsehrat: Für die neue Selbstverpflichtungserklärung sind die fünf Kernziele angepasst worden - wie bewerten Sie die neu justierten Zielsetzungen?
    Stark: Die neuen Kernziele spiegeln weiterhin die zentralen Funktionen öffentlich-rechtlicher Angebote wider. Während die letzte Selbstverpflichtungserklärung ("ZDF für alle") vorrangig darauf abzielte, ein breites Publikum mit vielfältigen und ansprechenden Formaten zu erreichen und insbesondere neue Inhalte für jüngere Zielgruppen zu entwickeln, steht nun der Beitrag zum Gemeinwohl und zur Förderung des gesellschaftlichen Dialogs stärker im Mittelpunkt. Grundgedanke bleibt die Anpassung des gemeinwohlorientierten Auftrags an veränderte Medienumgebungen, um den öffentlich-rechtlichen Transformationsprozess adäquat zu begleiten. Angesichts der tiefgreifenden politischen Umbrüche ist aber vor allem die Konkretisierung des demokratischen Auftrags relevant. Im permanenten Krisenmodus fühlen sich viele Menschen verunsichert und suchen nach Orientierung. Das ZDF unterstreicht daher in seinen Qualitätszielen die hohe Bedeutung eines unabhängigen Journalismus für die Demokratie.
    Die Kernziele betonen die Bereitstellung objektiver, verlässlicher und vertrauenswürdiger Informationen für eine fundierte und freie Meinungsbildung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der gesellschaftlichen Vielfalt, da die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Vielfalt (Repräsentation) zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen kann. Diese kollektiven Erlebnisse gilt es zu schaffen, um die kohäsiven Potenziale eines öffentlich-rechtlichen Senders zu stärken. Denn Integration entsteht wesentlich über eine gemeinsame Wissensbasis sowie geteilte Themen- und Lebenswelten – hier können ganz unterschiedliche Programmformate oder besondere Live-Momente ihre Wirkung entfalten. 
    #Fernsehrat: Auch bei den Messgrößen gibt es Neuerungen - welche sind für Sie die wichtigsten?
    Stark: Die fünf Leitziele fokussieren primär auf die funktionale Bewertung der Vermittlungsleistung des ZDF. Das heißt, es soll die Frage beantwortet werden, inwieweit das ZDF seine Funktion als öffentlich-rechtlicher Sender in der heutigen komplexen Medienlandschaft erfüllt. Gemessen wird der Grad der Auftragserfüllung in den Bereichen Kultur, Bildung, Beratung, Information und Unterhaltung, da diese Funktionen als Wirkungsqualität verstanden werden. Neu ist für mich, dass auch die Beratungsfunktion expliziter gemacht und stärker betont wird. Dies ist sicherlich auch der weltpolitischen Lage geschuldet, denn aktuelle Entwicklungen sind nicht immer leicht zu verstehen oder einzuordnen. Damit ist nicht nur eine Schärfung des Angebotsauftrags gemeint, sondern auch eine Weiterentwicklung im Sinne des Medienstaatsvertrags, der im weitesten Sinne einen normativen Rahmen vorgibt, aber nicht immer konkrete Ziele oder eine bestimmte empirische Überprüfung.
    Darüber hinaus wird die zielgruppengerechte Ansprache über verschiedene geeignete Verbreitungswege explizit in einem eigenen Ziel verankert. Auch dieses Ziel hat weitreichende Konsequenzen für die Messung und erfordert eine Weiterentwicklung bestimmter Messgrößen - sei es durch den Einsatz von KI oder Empfehlungssystemen. Damit kann den veränderten Nutzungsgewohnheiten im Plattformzeitalter besser Rechnung getragen werden. Dreh- und Angelpunkt ist dabei das ARD/ZDF-Streaming-Netzwerk, das ein gemeinsames öffentlich-rechtliches Ökosystem aufbaut und die Auffindbarkeit von Programminhalten optimiert. Aber auch im Hinblick auf die Nutzung von Programminhalten auf Drittplattformen wie YouTube oder Instagram wird kontinuierlich an neuen Messsystemen gearbeitet. Alles in allem ist es in der heutigen Medienwelt unerlässlich, die Messinstrumente weiterzuentwickeln und auch neue technische Möglichkeiten dafür zu nutzen. Das Thema wird uns also weiter begleiten.
    Zur Person: Frau Prof. Dr. Stark ist unabhängige Expertin für die ZDF-Selbstverpflichtungserklärung. Am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erforscht sie theoretische und empirische Fragen zu Ursachen, Inhalten und Wirkungen der Massenmedien mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Als Leiterin des Arbeitsbereichs Medienkonvergenz ist Birgit Stark mit Fragen des Medienwandels und der Digitalisierung vertraut. In ihren aktuellen Forschungsarbeiten untersucht sie ländervergleichend Medienqualität und den Wandel der Informationsnutzung in der digitalen Gesellschaft.

    Fernsehrat

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