Hormongel NES/T: Endlich hormonelle Verhütung für den Mann?

    Studie zu Hormongel NES/T:Können Männer bald hormonell verhüten?

    von Anna Grösch
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    Forschende in den USA haben ein Gel zur hormonellen Verhütung für Männer entwickelt, das vielversprechend wirkt. Doch warum gibt es für sie bislang so wenige Möglichkeiten?

    Ein Mann hat eine Creme in der Hand.
    Die hormonelle Verhütung bei Männern wird derzeit erforscht.
    Quelle: Imago

    Verhütung ist auch heutzutage meist noch Frauensache. Die Auswahl der Methoden dabei ist groß: Pille, Hormonspirale, Kupferspirale, Vaginalring, Verhütungspflaster, Diaphragma - und das sind noch längst nicht alle. Bei Männern sieht das schon anders aus. Die Methoden der Wahl sind das Kondom oder eine Vasektomie - letzteres eine zumeist endgültige Methode.
    Andere Ansätze - wie etwa die Pille für den Mann - von der man in regelmäßigen Abständen wieder liest, sind bislang nicht offiziell zugelassen. Umso mehr lassen die Ergebnisse einer Studie aus den USA aufhorchen: Forschende dort haben ein Hormon-Gel entwickelt, mit dem auch Männer zuverlässig verhüten können sollen. Das Mittel muss auf die Schultern aufgetragen werden, einmal am Tag, also ähnlich oft wie die Pille.

    Mischung aus natürlichen und synthetischem Hormonen

    Der Name des Mittels NES/T kommt von den Wirkstoffen: Nestoron und Testosteron, zwei Hormone. Während Testosteron vor allem in den Hoden des Mannes gebildet wird, ist Nestoron ein synthetisches Hormon, das bereits in der Frauengesundheit eingesetzt wird.
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    Das Gel hemmt die Spermienproduktion. "Und das sogar relativ schnell", sagt Fabian Hennig, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Gender- und Diversity-Studies an der Uni Kiel. Er forscht zu hormonellen und thermischen Verhütungsmitteln für Männer. "Der Studie zufolge dauert es bei diesem Gel nur rund acht Wochen, bis die Spermien-Produktion einen Wert erreicht, bei dem man davon ausgeht, dass eine Schwangerschaft nicht mehr möglich ist."

    Nebenwirkungen als Haupt-Hindernis

    Vielversprechende Ansätze für hormonelle Verhütung bei Männern habe es in der Vergangenheit bereits öfter gegeben. Seit den Siebzigern werde an entsprechenden Mitteln geforscht.

    Eines der zentralen Hindernisse sind die sogenannten Nebenwirkungen, die wie bei allen hormonellen Mitteln auftreten können. Das sind Nebenwirkungen, wie wir sie auch von handelsüblichen weiblichen Kontrazeptiva kennen.

    Fabian Hennig, Gender- und Diversity-Studies an der Uni Kiel

    Darunter fallen Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmungen, eine Veränderung der Libido und ähnliches. Diese Nebenwirkungen würden allerdings nicht unbedingt häufiger als bei den weiblichen Präparaten auftreten, sagt Prof. Dr. Michael Zitzmann. Er ist Oberarzt für Andrologie am Universitätsklinikum in Münster.
    Als Begründung, um entsprechende Studien abzubrechen, hätten sie allerdings gereicht.

    Man könnte eigentlich auch sagen: Was den Frauen zugemutet wird, sollen die Männer nicht haben.

    Prof. Dr. Michael Zitzmann, Uniklinikum Münster

    Das neue Hormongel habe gegenüber der Pille nun aber sogar den Vorteil, dass das Thrombose-Risiko für Männer sich nicht erhöhe.

    Ministerium beschäftigt sich mit Thematik

    Doch viele Paare sehen Verhütung mittlerweile als Gemeinschaftsaufgabe. Die Nutzung der Pille nimmt ab, stattdessen ist das Kondom das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im November 2023 herausfand. Auch, weil viele Frauen die Nebenwirkungen von hormoneller Verhütung nicht mehr hinnehmen wollen.
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    Auch im Bundestag ist das Thema angekommen. Der Haushaltsausschuss hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung aufgefordert, eine neue Förderlinie aufzusetzen, die die Forschungslage verbessern soll. Dabei stünden besonders die Entwicklung von neuen Verhütungsmitteln für den Mann und die Weiterentwicklung von Verhütungsmitteln für die Frau im Fokus, so eine Sprecherin gegenüber ZDFheute.

    Zulassung für Männer-Hormongel könnte dauern

    Mehr als 60 Jahre sind vergangen, seitdem die Pille auf den Markt kam. Woran liegt es aber, dass es für Männer noch immer so wenige Optionen gibt? Prof. Dr. Zitzmann gibt zu Bedenken, dass Frauen nur an wenigen Tagen im Monat fruchtbar seien. "Bei ihnen muss man den Eisprung unterbinden. Bei einem Mann werden mit jedem Herzschlag tausend Spermien produziert. Das ist ein robusteres System als ein Eisprung."
    Dabei gelten Männerkörper in der Gesundheitsforschung für gewöhnlich als die Norm - bei der Reproduktion ist es allerdings umgekehrt, sagt Fabian Hennig. Dort würden Frauenkörper seit Jahrzehnten als "reproduktive Menschen" wahrgenommen - Männer eben nicht. Ein weiterer Aspekt: Die Forschung habe Männern lange nicht zugetraut, dazu fähig zu sein, ein Mittel wie die Pille verlässlich einzunehmen, sagt Hennig.

    Und was ich an der neuen Studie interessant finde: Sie baut darauf auf, dass Männer selbst verhüten. Und dass das so akzeptiert wird, finde ich vielversprechend.

    Fabian Hennig, Gender- und Diversity-Studies an der Uni Kiel

    Doch bis das neue Gel zugelassen werden könnte, wird es noch eine Weile dauern - wenn sich das Mittel in der Studie weiterhin beweist. "Das könnte bis 2030 oder 2032 dauern", sagt Hennig. "Außerdem ist eine große Frage, wer die Studien finanzieren kann." Auch Androloge Zitzmann kann sich eine Zulassung im Jahr 2030 vorstellen. Bis dahin seien allerdings noch weitere und größer angelegte Studien notwendig.

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