Die vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedrohten Stahlarbeiter des Kruppstahlwerkes in Duisburg-Rheinhausen wandten sich 1988 bei einer Betriebsbegehung mit der Bitte um Solidarität an ihre Kollegen des Stahlwerkes Mannesmann. (Archiv)
Quelle: Imago
Es ist der 26. November 1987, als sich die Nachricht verbreitet, dass das Krupp-Stahlwerk in Duisburg Rheinhausen dichtgemacht werden soll. Sie verbreitet sich im gesamten Ruhrgebiet wie ein Lauffeuer. Krupp-Chef Gerhard Cromme hatte das Aus verkündet, da das Werk wegen zunehmender Konkurrenz durch billigeren Stahl aus Übersee, technologischer Veränderungen und sinkender Nachfrage nicht mehr wirtschaftlich arbeite.
Die 6.000 Beschäftigten wollen es zunächst nicht glauben - doch mit der Angst um die Zukunft wachsen auch Wut und Empörung. Alle sind sich einig: kampflos wollen sie hier nicht aufgeben.
10. Dezember 1987: In Duisburg protestieren Stahlkocher von Krupp, Thyssen und Mannesmann. Sie legten ihre Arbeit nieder und blockierten die wichtigsten Straßen in und um Duisburg.02.12.2024 | 2:19 min
160 Tage Arbeitskampf
Immer noch legendär: die Rede des damaligen Krupp-Betriebsleiters Helmut Laakmann, der vor Tausenden von Stahlarbeitern spricht. "Es kann nicht sein, dass eine Clique, eine kleine Mafia mit den Menschen im Land macht, was sie will", ruft er den Menschen zu. Und er macht klar, was jetzt passieren muss. "Ab jetzt gilt: Auge um Auge, Zahn um Zahn".
23. Dezember 1988: Die IG-Metall protestierten mit Fackeln in Bochum vor der Zentrale von Krupp. Sie stellten sich zu einer Menschenkette auf. Laute Kritik kommt aus der CDU im Ruhrgebiet.
02.12.2024 | 3:01 min
Tosender Beifall unter den Zuhörern - was anschließend folgt, ist mit 160 Tagen der längste und härteste Arbeitskampf in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Tausende Arbeiter blockieren über Monate die Zufahrten zum Werk. Sie organisieren
Streiks, Demonstrationen und Kundgebungen. Sie stürmen die Verwaltung von Krupp-Stahl in Bochum und besetzen sogar den historischen Firmensitz in Essen, die "Villa Hügel". Am Höhepunkt der Proteste beteiligen sich mehr als 50.000 Menschen an einem Solidaritätsmarsch durch Duisburg.
Trotz des starken Widerstands und massiver medialer Aufmerksamkeit blieb der Erfolg aus: Das Werk wurde 1993 endgültig geschlossen. Der Protest ging jedoch als Symbol des Widerstands in die Geschichte ein.
9. Dezember 1987: Vor der Villa Hügel in Essen demonstrieren Hunderte Stahlarbeiter. In der Villa Hügel tagt der Aufsichtsrat der Krupp GmbH.02.12.2024 | 1:18 min
Die Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999
Trotz Schließung des Stahlwerks Rheinhausen blieb die Situation der Stahlindustrie wirtschaftlich angespannt: In den 1990er Jahren stand die europäische Stahlindustrie weiterhin unter massivem Druck.
Krupp, das bereits in den 1980er-Jahren durch Finanzkrisen geschwächt war, suchte nach Möglichkeiten, seine Position auf dem Markt zu festigen. Thyssen, ebenfalls ein traditionsreiches Unternehmen, sah sich vor ähnlichen Herausforderungen. Die Idee einer Fusion lag auf der Hand, da beide Unternehmen ihre Stärken - etwa in der Stahlproduktion und Technologieentwicklung - bündeln und so Synergien schaffen konnten.
Nachdem 1997 eine feindliche Übernahme von Thyssen durch Krupp gescheitert war, einigten sich die beiden Unternehmen nach langen Verhandlungen auf eine Fusion zu ThyssenKrupp, die 1999 offiziell abgeschlossen wurde.
Die Fusion war von Anfang an von heftigen Protesten begleitet, vor allem von Seiten der Belegschaften beider Unternehmen. Die Ankündigung, zahlreiche Arbeitsplätze abzubauen, löste eine Welle von Streiks und Demonstrationen aus. Insgesamt sollten rund 6.000 Stellen gestrichen werden - vor allem in der Stahlproduktion, wo Rationalisierungen und Standortschließungen geplant waren.
18. März 1997: 2000 Stahlarbeiter protestieren eine Woche nach den Kohle-Protesten vor der Krupp-Zentrale in Essen. Krupp-Chef Crommes Anliegen treten in den Hintergrund.02.12.2024 | 2:13 min
Zahl der Beschäftigten ging im Ruhrgebiet zurück
Die Gewerkschaften, allen voran die
IG Metall, warfen dem Management vor, die Last der Fusion einseitig auf die Beschäftigten abzuwälzen. Besonders heftig umkämpft war das Schicksal des Thyssen-Stahlwerks in Duisburg, das zunächst von der Schließung bedroht war. Nach massiven Protesten - darunter ein mehrtägiger Streik und eine symbolträchtige Menschenkette - konnte der Standort gerettet werden, wenngleich mit deutlich reduziertem Personal.
Thadeus Parade ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.
Die Unternehmensleitung des Stahlriesen ThyssenKrupp kündigt die Schließung des Werks im Siegerland an. Wenn das „Zukunftskonzept“ umgesetzt wird, wären mehr als 600 Arbeitsplätze davon betroffen.26.11.2024 | 1:50 min