Jahrestagung IWF und Weltbank :Schwächelnde Wirtschaft, wenig Erfolge
von Patricia Wiedemeyer
|
In Marrakesch treffen sich Politiker und die Chefs der großen Notenbanken. Beherrschende Themen sind Inflation und Verschuldung - und die Angst vor einer Eskalation in Nahost.
Auch Christian Lindner reist für das Treffen der Finanzminister und Zentralbankchefs der G20-Staaten zur IWF/Weltbank-Tagung nach Marrakesch.
Quelle: dpa
Es ist ungewöhnlich ruhig, draußen am Stadtrand von Marrakesch. Eine eigens für die internationale Finanzelite aufgebaute Zeltstadt, weit ab vom Trubel der Innenstadt, ist der Treffpunkt der alljährlichen Beratung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank. Keine Demos, keine unliebsamen Zuschauer, das Gelände ist weiträumig abgesperrt, gesichert von schwer bewaffneten Polizisten und von Militär.
Dass die Jahrestagung hier überhaupt stattfinden kann, war eine Zeit lang fraglich, nach dem schweren Erdbeben vor vier Wochen wurde über eine abgespeckte, teilweise digitale Sitzung nachgedacht.
Doch das Gastgeberland bestand darauf, dass die Tagung hier stattfindet. Zu wichtig ist es für Marokko, sich als internationaler Gastgeber präsentieren zu können. Von Erdbebenschäden ist übrigens keine Spur mehr in der Stadt.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Vordergrund
Die Ruhe vor der Zeltstadt, irgendwie symptomatisch für das geringe Interesse an dieser Tagung. Natürlich sind es andere Themen, die derzeit die Schlagzeilen beherrschen, aber es passiert auch nicht wirklich viel hier. Beschlossen wurde zwar eine Reform der Weltbank, demnächst werden geförderte Projekte anders bewertet: Nachhaltigkeit und Klimaschutz sollen künftig im Vordergrund stehen.
In der Landwirtschaft beispielsweise soll das Saatgut dem veränderten Klima und der Trockenheit angepasst werden. Klimageschädigte Staaten sollen Kredite stunden dürfen. Ziel ist es bis zu 200 Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre bereitstellen zu können, wenn man alle regionalen Förderbanken miteinbezieht.
Inflation und Verschuldung sind die beherrschenden Themen
Für Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist das ein großer Erfolg, sich in einem weltweiten Gremium mit Russland und China auf diese Reform geeinigt zu haben. Vor eineinhalb Jahren habe sie das nicht für möglich gehalten.
Aber das war es dann auch mit den Erfolgen: Die Weltwirtschaft schwächelt, erholt sich nur langsam, Deutschland ganz besonders langsam. Inflation, Verschuldung, es sind die beherrschenden Themen. Aber sowohl Finanzminister Christian Lindner als auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel betonen, Deutschland sei stabil und habe ein AAA-Rating. Man sei nicht der kranke Mann Europas, habe genug Potential, sich wieder zu erholen.
Die Liste der Probleme ist lang
Der Höhepunkt der Inflation sei überwunden, in den nächsten Jahren sei mit einer 2 oder 3 vor dem Komma zu rechnen. Das alles auch, weil Deutschland die Schuldenbremse habe - und seine restriktive Finanzpolitik, wie Finanzminister Lindner immer wieder meint, betonen zu müssen.
Es ist ein Treffen in einer sich stark verändernden Welt. Krieg, Terrorismus, Flucht, Klimawandel, Überschuldung - die Liste der Probleme ist lang. China macht seine eigene Politik, finanziert zahlreiche Infrastrukturprojekte in Afrika und anderswo auf der Welt, blockiert aber Kredite für arme Staaten. Weltbank und IWF, sie sind für viele westlich dominiert, vor allem von den USA.
Widerstand gegen die Dominanz des Westens
Nicht nur dagegen, sondern gegen die gesamte westliche Weltordnung, gegen dessen Dominanz und teilweise arrogante Haltung, formiert sich globaler Widerstand. Länder wie China, Russland, Indien, Brasilien und Südafrika schließen sich als BRICS-Staaten zusammen. 40 weitere Staaten wollen folgen. Sie alle eint der Widerstand gegen den Westen mit seinen Werten von Demokratie, Gleichberechtigung und Frieden.
Das betraf auch die westlich dominierte Weltbank und den IWF. Gerade deshalb feiert Entwicklungsministerin Schulze die Reform der Weltbank als so großen Erfolg, der jedoch erst nach umgesetzt werden muss.
Und über allen Gesprächen bei der Jahrestagung schwebt aber auch die Angst, dass es im Nahen Osten zu einem Flächenbrand kommen könnte. Offen bleibt, welche Auswirkungen die derzeitige Lage in Israel haben wird auf die Weltwirtschaft, Fragen danach wollte bei der Tagung niemand beantworten. Zu tief sitzt der Schock.
Themen
Mehr Nachrichten aus der Wirtschaft
Börsengang in New York:Birkenstock-Aktie enttäuscht mit erstem Kurs
Steuerforderung in den USA:Microsoft soll Milliarden Dollar nachzahlen
mit Video
Roboter für die Pflege:Mit High-Tech gegen den Fachkräftemangel
von Lucia Gillemot und Benjamin Rost