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Ein Blick in die Auto-Geschichte:E-Autos: Im Land der Zauderer
von Lothar Becker
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Deutschland steht mit seinem mäßigen Kaufinteresse an E-Autos recht allein auf weiter Flur. Wir sind die Zaudernden. Das war einmal anders - ein Blick in die Auto-Geschichte.
E-Autos haben Reichweiten von mehreren Hundert Kilometern. Trotzdem verspüren deutsche Autofahrer Reichweitenangst.
Quelle: dpa
Vor rund 150 Jahren wurde in Europa viel Revolutionäres erfunden. Das Prinzip des Viertakt-Motors hat der Tiroler Christian Reithmann zuerst entdeckt. Stationäre Motoren, die Dampfmaschinen ersetzen sollten, waren ein "Hype" - doch eher gedacht für die Industrie.
Dass sie Pferde vor Kutschen ersetzen könnten, war etwas für sehr ambitionierte Tüftler - wie Carl Benz in Mannheim und mutige Investoren wie seine Frau Bertha. Sie "opferte" ihre Mitgift und Teile ihres zu erwartenden Erbes für die Idee des Automobils.
Und es war eben Bertha Benz, die die erste Langstrecke mit einem Automobil meisterte. 1888 fuhr sie von Mannheim nach Pforzheim und zurück - insgesamt 106 Kilometer, wohl wissend, dass es keine einzige Tankstelle geben würde. Nur Apotheken führten damals "Leichtbenzin".
Bertha Benz, die Innovationstreiberin
Heute verspürt der deutsche Autofahrer Reichweitenangst - trotz Akkus, die für mehrere Hundert Kilometer Autobahnfahrt reichen.
Bertha Benz würde wohl allenfalls müde lächeln ob ihrer ängstlichen Nachfahren. Sie reparierte während der mehrtägigen Fahrt den Motor mit Haarnadel und Strumpfband und erfand den Bremsbelag.
Die Geschichtsbücher sind voll von zielstrebigen Frauen, kühnen Damen und unerschrockenen Mädels. Eine von ihnen: Bertha Benz.10.09.2020 | 9:43 min
Bertha und Carl Benz haben der Welt gezeigt, wie Innovation geht: Unzufrieden mit der "Performance" des "Motorwagen 1" trug Bertha ihrem Mann auf, einen zweiten Gang für Bergfahrten einzubauen, und bemängelte die Fahreigenschaften des dreirädrigen Ur-Automobils.
Schauspieler einer Laienspielgruppe fahren im August 2008 beim Nachstellen der Fahrt von Bertha Benz von 1888 in Wiesloch in einem Nachbau eines patentierten Motorenwagens von Carl Benz vor der alten Apotheke vor. (Archivbild)
Quelle: dpa
Bertha brachte Carl damit auf eine richtungsweisende Idee: Die Achsschenkellenkung. So brachten Bertha und Carl Benz 1893 gemeinsam das erste verlässlich funktionierende straßentaugliche vierrädrige Automobil auf den Markt.
Carl Benz im Benz-Patent-Motorwagen Velo 1894
Quelle: dpa
Mit Tapferkeit gegen die Kritik
Was heute als bahnbrechende Erfindung eines Deutschen gefeiert wird, stand über Jahre unter anhaltender Kritik etablierter Kreise und Unternehmer. Carl Benz schrieb Überlieferungen zufolge: "Nur ein Mensch harrte in diesen Tagen, wo es dem Untergange entgegen ging, neben mir im Lebensschifflein aus. Das war meine Frau. Tapfer und mutig hisste sie neue Segel der Hoffnung auf."
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Wo sind die mutigen und tapferen Frauen und Männer heute, die der Entwicklung einer nachhaltigen und profitablen Mobilität Raum, Zeit, Geld und Gelegenheit geben? Nicht in Deutschland, weder in der Politik noch in den von Dividenden getriebenen Großkonzernen, wagte man in den letzten Jahren das, was Bertha Benz als Investorin und Entwicklerin tat. Auf die eine absehbar richtige Karte setzen und alles geben.
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Auch damals gab es Unkenrufe
Dabei gab es auch damals Unkenrufe: Denn selbstfahrende Motorwagen hin oder her - sich überall in Städten und auf dem Land verteilte Tankstellen vorzustellen, war in den 1890er Jahren ebenso schwer, wie eine Antwort darauf zu finden, wo denn all der Kraftstoff herkommen sollte. Etwa von riesigen Ölbohrplattformen à la Jules Verne oder gar dem arabischen Wüstensand. Wie sollte das gehen, wenn alle Pferdekutscher zum Motorwagen wechseln würden?
Apropos Pferdekutscher. Als Carl Benz im Mannheimer Hafen einst einen Motorwagen mit Ladefläche und seine einfache Handhabung im Vergleich zu Pferdekutschen vorstellen wollte, soll er von Hafer-Händlern mit Peitschenhieben vertrieben worden sein, berichtet Winfried Seidel vom Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg.
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"Du Stenz" (Angeber), soll Benz beschimpft worden sein. "Schaff´ dich fort hier! Wenn wir keine Pferde mehr brauchen, brauchen wir auch keinen Hafer mehr und dann wären wir alle arbeitslos."
Die etablierte Transportbranche ahnte wohl auch damals schon, dass das fremde Neue das vertraute Bekannte ganz ablösen könnte und die eigene Wertschöpfungskette damit in Gefahr wäre.
Der Markt regelt, oder?
Analog ist es auch bei der Einführung des Elektroantriebs in Deutschland. Von Anfang an haben die etablierten Hersteller versucht, das Unausweichliche zu verzögern. "Gute Lobbyarbeit" der deutschen Autobauer verbreitete in den vergangenen 15 Jahren hierzulande die Mär vom niemals alltagstauglich werdenden Elektroantrieb, ständig brennenden Akkus und fehlender Ladeinfrastruktur.
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Tesla hat mit mutigen Investoren das entstandene Vakuum besetzt, eigene Ladesäulen entwickelt und aufgebaut. Zeitgleich musste die deutsche Autoindustrie unisono zugestehen am Dieselgate, dem größten Betrug der Automobilgeschichte, beteiligt gewesen zu sein. China konnte derweil abschauen, was geht und was nicht und in Ruhe leistungsstarke Batterien und ihre günstige Produktion entwickeln.
Den Rest regelt der Markt. Nur eben nicht in Deutschland, hier scheint bei Herstellern und Kunden der Geist der Haferhändler und Pferdekutscher weiter verbreitet zu sein, als man im Jahre 2024 hätte ahnen können.
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