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Analyse
Krise der deutschen Autobauer:Autoindustrie: Vom Zugpferd zur lahmen Ente
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Kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaft aus der deutschen Autoindustrie. Deutsche Autobauer stecken in der Krise, doch es gibt Hoffnung für die deutsche Schlüsselbranche.
Hiobsbotschaften aus der einstigen Boombranche: Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise.
Quelle: dpa
Absatzmangel und Rückrufe hier, Streiks und Personalabbau dort: Die Liste der Negativschlagzeilen aus der deutschen Autobranche ließe sich in diesen Tagen problemlos fortführen. Und das ausgerechnet in einer Branche, auf die mal neidvoll die ganze Welt blickte. Autos von Premiumherstellern "Made in Germany" sind nach wie vor Statussymbole - doch der weltweite Automarkt hat sich gewandelt.
Autoindustrie als Schlüsselbranche Deutschlands
In der deutschen Autoindustrie sind 770.000 Menschen beschäftigt. Gemessen am Umsatz ist sie die mit Abstand größte Industriebranche des Landes. Bei den deutschen Exporten entfielen 2023 laut Statistischem Bundesamt 17 Prozent allein auf Autos und Teile.
Doch die Konzerne straucheln. So könnte es beim "Ozeandampfer Volkswagen" erstmals seit 30 Jahren zu betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen kommen. VW machte im ersten Halbjahr 14 Prozent weniger Überschuss, BMW fast 15 Prozent Minus, bei Mercedes-Benz waren es minus 16 Prozent. Die drei großen Autobauer kappten bereits ihre Gewinnziele für das Gesamtjahr. Und es könnte noch schlimmer kommen.
Probleme beim Umstieg auf E-Mobilität
Der Autoanalyst Jürgen Pieper sieht "eine richtige Pechsträhne" bei der deutschen Autobranche. Er stellt aber auch fest:
Jetzt zeigen sich in komprimierter Form alle Versäumnisse der letzten Jahre. Das sind Qualitätsmängel durch Sparmaßnahmen, zu wenig gute, neue Produkte und eine unklare Strategie bei der E-Mobilität.
Jürgen Pieper, Autoanalyst
Laut Autoexperten ist Deutschland bei E-Autos nur "Mitläufer" aber längst kein Vorreiter mehr. Der Umstieg auf Stromer kostet auch Geld. Ein Kfz-Mechatroniker kann einen Verbrenner bauen, aber nicht so einfach auf den Bau eines E-Autos umgeschult werden.
Deutsche E-Autos sind zudem momentan eher Ladenhüter als flotte Flitzer. Es fehlen kleinere und bezahlbare Modelle. Da haben chinesische oder US-amerikanische Hersteller weit mehr Erfolg. Immer eine Nasenlänge vor der ausländischen Konkurrenz zu fahren, waren die Ingenieure und Konzernlenker in München, Stuttgart oder Wolfsburg jahrzehntelang gewohnt. Doch das Blatt hat sich längst gewendet.
Wir verlieren zwar nicht unsere Schlüsselindustrie, aber wir sind dabei abzusteigen vom Thron des ewigen Gewinners.
Jürgen Pieper, Autoanalyst
Geringere Auslastung in deutschen Autowerken
Die Werke von VW, BMW und Mercedes waren im Schnitt des vergangenen Jahres nur zu etwas mehr als zwei Dritteln ausgelastet, wie der Datenspezialist Marklines feststellte. Die Industrie baut mit hohem Personalaufwand viel weniger Autos als früher. Das macht die Werke unproduktiver.
Die Krise trifft Autobauer ebenso wie Zulieferer. So kündigte der Autozulieferer ZF an, bis Ende 2028 in Deutschland bis zu 14.000 Stellen zu streichen. Continental will sein Autozuliefergeschäft womöglich komplett abspalten und an die Börse bringen.
Krise der Autobranche auch Sinnbild für Wirtschaftsflaute
Die Krise der Autoindustrie legt zudem Schwächen des Standorts Deutschland offen. Die anhaltende Wirtschaftsflaute und die daraus resultierende Konsumschwäche sorgen dafür, dass Käufer sich zurückhalten. Ein Autokauf steht oft nicht oben auf dem Wunschzettel - lieber ist vielen eine Reise in ferne Länder.
Lange Zeit galt der Export deutscher Autos zudem als wichtigster Treiber der deutschen Autoindustrie. Drei Viertel aller in 2023 in Deutschland produzierten Autos gingen laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ins Ausland. Doch während die Märkte in Europa und Nordamerika schrumpfen, wachsen sie in China und Indien - allerdings vor allem für asiatische Autobauer.
DIW: Deutsche Hersteller können sich im globalen Wettbewerb behaupten
Auch wenn die Zukunft nicht rosig ausssieht, bleibt Hoffnung. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben deutsche Hersteller weiterhin "alle Möglichkeiten und Fähigkeiten, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten". "Junge Leute sind sogar wieder stärker an Autos interessiert als noch vor einigen Jahren, sagt Autoexperte Pieper.
Damit auch wieder mehr deutsche Autos verkauft werden, ist ein Umdenken nötig. Die Autobranche müsse schneller und kreativer werden, fordert Pieper.
Vor allem muss das Auto vom Kunden und nicht vom Ingenieur aus gedacht werden.
Jürgen Pieper, Autoanalyst
Es müssten auch mehr Nicht-Ingenieure in die Führungsetagen deutscher Autobauer, sagt der Experte. Es scheint, als müsse buchstäblich alles in dieser Schlüsselbranche auf den Kopf gestellt werden. Sonst muss die Branche aufpassen, dass sie nicht vom einstigen "Geparden-Niveau" an Schnelligkeit, Sicherheit und Eleganz zu einer lahmen Ente wird.
Quelle: dpa
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