Rettig beim DFB vorgestellt:Perspektivwechsel mit Friedensangebot
von Frank Hellmann
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Der streitbare DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig reicht dem FC Bayern die Hand. Dennoch steht der 60-Jährige für einen Perspektivwechsel im Verband.
Andreas Rettig hat die Arbeit als neuer Geschäftsführer beim Deutschen Fußball-Bund angetreten. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sieht in der Berufung einen "Perspektivwechsel".18.09.2023 | 0:50 min
Niemand wird Andreas Rettig noch abstreiten können, dass er sich nicht mit den Gegebenheiten beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) schnell vertraut machen möchte. Eine erste Nacht hat der neue Geschäftsführer Sport der DFB GmbH &Co KG in einem der 33 Athletenzimmer verbracht - und sich dann auf dem Weg zum Frühstück in den weiten Gängen verlaufen.
Die Episode bei seiner Vorstellungsrunde kam sympathisch rüber. Der 60-Jährige hängte gleich noch den bildlichen Vergleich dran, dass er hoffentlich "schnell die Orientierung bekomme".
Wunschkandidatin Keßler wollte nicht - da kam der Kritiker ins Spiel
So lang die Laufwege auf dem bis heute überdimensioniert wirkenden DFB-Campus in Frankfurt sind, so breit ist das Aufgabenfeld für den neuen Hoffnungsträger, der sein Jobprofil selbst so zusammenfasste: "Wirtschaftlich herausfordernd, sportlich schwierig, aber mit Lichtblicken." Ihn hatte DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach eigenem Bekunden als Anwärter "nicht von Beginn an auf dem Zettel".
Doch nachdem sich Wunschkandidatin Nadine Keßler - 25 Jahre jünger - nach längerer Bedenkzeit entschloss, lieber weiterhin den Frauenfußball unter dem UEFA-Dach voranzutreiben, landete Neuendorf irgendwie doch beim Chefkritiker des deutschen Profifußballs.
Wer führt die Nationalelf aus der Krise - und wie kann vor der EURO 2024 Aufbruchstimmung entfacht werden? Sportjournalist Manu Thiele analysiert die Lage rund um das DFB-Team.14.09.2023 | 13:50 min
Und schwuppdiwupp ist Rettig nun offiziell derjenige, der mindestens mal für seine Vertragsdauer bis zum 31. Dezember 2026 den "Perspektivwechsel" vorantreiben soll. Der DFB-Boss verbindet mit der Person zugleich "Mut und Courage und Veränderungsbereitschaft" - alles Werte, für die der krisengeplagte Verband gerne stehen möchte.
Kompromisse finden - auch mit dem FC Bayern
Dass sich der DFB einen umtriebigen Machertypen ins Haus holt, der die Auswüchse der Branche zuletzt sehr pointiert angeprangert hat, gefiel speziell Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaff nicht. Die beiden traten aus Protest gegen die pikante, nicht mit ihnen abgestimmte Personalie am Sonntag aus der sogenannten Taskforce zurück.
Andreas Rettig ist neuer DFB-Sportdirektor - damit sind Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaff nicht einverstanden. Deshalb werfen beide in der DFB-Taskforce hin.
Rettig hatte als Anwalt der Kleinen die vergangenen Jahre in schöner Regelmäßigkeit gegen manches Gebaren vom FC Bayern gewettert, auch das Konstrukt von RB Leipzig unter dem Red-Bull-Dach hätte aus seiner Sicht erst gar nicht der Weg in den Profifußball erlaubt werden dürfen.
Rettig nimmt Kritik gelassen
Doch der neue DFB-Manager weiß, dass er mit besserwisserischer Attitüde nicht viel bewirken kann. "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich nicht unbedingt der Wunschkandidat des FC Bayern war", sagte Rettig in Richtung seiner Kritiker.
Er könne aber austeilen wie auch einstecken. Obwohl der gebürtige Rheinländer dem Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß vergeblich auf die Mailbox gesprochen und Rummenigge umsonst eine SMS geschrieben habe, signalisierte er Gesprächsbereitschaft nach München. Er kenne einerseits "das belastete Verhältnis". Anderseits gelte:
Die persönlichen Animositäten sollten nicht überwiegen, "das würde ich sehr bedauern". Das klang wie eine Bitte.
Der DFB-Geschäftsführer sieht sich als Generalist
Rettig wird Allianzen schmieden und Kompromisse eingehen müssen, denn nicht alle seiner hehren Absichten sind (so schnell) umsetzbar. So versprach er bereits, "in der Tonalität etwas leiser zu werden". Nur wenn es um Haltungsfragen geht, dann gibt es für ihn rote Linien.
Das hat auch sein späterer Intimfeind Christian Seifert gespürt, nachdem der frühere Manager vom SC Freiburg, dem 1. FC Köln und dem FC Augsburg zwischen 2013 bis 2015 eine recht freudlose Zeit bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Seiferts Amtszeit erlebte.
Rettig kein neuer Bierhoff
Keineswegs habe der DFB einen neuen Oliver Bierhoff verpflichtet, betonte Neuendorf ausdrücklich. Denn mit dem für die A-Nationalmannschaft der Männer zuständigen Rudi Völler, dem für den Nachwuchs verantwortlichen Hannes Wolf sind zwei Direktoren schon installiert, ein Mann oder eine Frau für die vielen Baustellen auch im Fußball der Frauen wird noch zeitnah gesucht.
Generell sieht es Rettig aber nicht als seine Aufgabe an, "Ergebnisse der Nationalmannschaft zu kommentieren". Er sei eher ein "Generalist" - also einer fürs große Ganze.