Beucher: Para-Spitzensport ist Ernte kontinuierlicher Arbeit
Interview
Para-Spitzensport:Beucher: "Die Ernte kontinuierlicher Arbeit"
von Susanne Rohlfing
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DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher über ein erfolgreiches Wettkampfjahr und die Vorfreude auf Paris. Noch bis Sonntag können die Para-Stars des Jahres gewählt werden.
DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher blickt auf ein erfolgreiches Jahr
Quelle: dpa
ZDFheute: Herr Beucher, wie schwierig war es in diesem Jahr, die Kandidatinnen und Kandidaten für die Einzel-Auszeichnungen bei den Wahlen zur Para-Sportlerin und zum Para-Sportler des Jahres zu nominieren?
Diese Woche werden die deutschen Para-Sportlerinnen und -Sportler des Jahres 2023 gewählt. Das sind die Kandidaten bei den Männern.02.11.2023 | 1:15 min
Julius Beucher: Wir haben nicht nur einen super Sommer hinter uns, sondern auch die Alpinen und Nordischen sind ja fulminant in dieses Vor-Paralympics-Jahr gestartet - wobei die Wintersportler ja noch ein paar Jahre Zeit haben. Trotzdem haben die abgeräumt. Allein seit Juli haben wir dann bei 15 Weltmeisterschaften und 13 Europameisterschaften in insgesamt 14 Sportarten 33 Gold-, 38 Silber- und 40 Bronze-Medaillen geholt. Da wird natürlich die Auswahl für so eine Wahl sehr, sehr schwierig.
Qual der Wahl bei der Nominierung
ZDFheute: Wie haben Sie es gemacht? Ihre Superstars wie Prothesen-Weitspringer Markus Rehm oder Prothesen-Sprinter Johannes Floors haben es trotz ihrer neuerlichen WM-Siege gar nicht in die Auswahl geschafft.
Beucher: Wir hatten bei dieser Fülle an Weltmeistertiteln die Qual der Wahl. Einige Athletinnen und Athleten sind ganz aktuell auf die internationale Bühne gedrängt und haben mit individuellen Leistungsverbesserungen auf sich aufmerksam gemacht. Da sind Dauerklassiker wie Markus Rehm, dessen Dominanz ungebrochen ist, einfach in der Nominierung nicht ganz nach vorn gekommen. Das schmälert aber nicht einen Zentimeter seiner außergewöhnlichen Weiten, die er kontinuierlich springt. Und es ändert nichts an der Tatsache, dass er weiterhin ein Weltausnahmesportler ist.
Während in 10 Monaten die Paralympics in Paris beginnen, werden in dieser Woche die deutschen Para-Sportlerinnen und -Sportler des Jahres 2023 gewählt. Dies sind die Kandidatinnen.01.11.2023 | 1:17 min
ZDFheute:Der Sommer im olympischen Sport war lange nicht so erfolgreich für deutsche Athletinnen und Athleten - gibt es etwas, das sie sich im paralympischen Sport abgucken könnten?
Beucher: Ich betrachte die Sportler insgesamt, egal ob olympisch oder paralympisch. Bei den olympischen hat es in vielen Wettbewerben nicht hingehauen, bei uns hat es hingehauen. Deshalb sind deutsche Paralympics-Sportler aber nicht besser oder schlechter als deutsche Olympia-Sportler. Für beide gilt: Die internationale Leistungsexplosion ist ungebrochen. Noch vor zehn Jahren hat es nicht so viele leistungsstarke Nationen gegeben, wie das jetzt der Fall ist. Und es tauchen immer wieder neue auf.
Spitzensport nur als Vollzeitbeschäftigung möglich
ZDFheute: Es bedarf offenbar eines größeren Aufwands, um an der internationalen Spitze dranzubleiben. Wie schaffen Sie das im Para-Sport?
Frauen - Männer - Teams: Wer macht das Rennen bei der Wahl Para-Sportler*innen des Jahres?
Beucher: Unsere Sportlerinnen und Sportler können heute nur noch in der internationalen Spitze mithalten, wenn sie ohne berufliche Verpflichtungen sind. In immer mehr Nationen betreiben die Athletinnen und Athleten nur Sport, das ist in Deutschland abseits von Bundeswehr, Zoll, Polizei und nicht zuletzt der Sporthilfe noch nicht so ausgeprägt. Aber wer morgens zur Arbeit geht und nur abends trainiert, hat keine Chance, das ist Breitensport.
ZDFheute: Wie blicken Sie nach diesem erfolgreichen Sommer den Paralympics im kommenden Sommer in Paris entgegen?
Beucher: Der Erfolg hat noch ein paar kleine Sorgenfalten. Ich sehe die tollen Ergebnisse unserer Einzelsportler, was aber noch fehlt sind unsere Klassiker: Die Rollstuhlbasketballer sind sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern noch nicht dabei, die müssen sich noch qualifizieren. Genauso wie die Sitz-Volleyballer, die jüngst bei der EM Silber gewonnen haben, damit wäre man früher dreimal bei Paralympics dabei gewesen. Da muss noch etwas passieren. Aber es sind alle hoch motiviert.
Spiele in einem demokratischen Land: Wunderbar!
ZDFheute: Paris als Austragungsort macht doch aber auf jeden Fall Lust auf die Spiele, oder?
Beucher: Ja, wir haben Paralympics praktisch vor der Tür. Und Paris hat nicht nur den Reiz dieser Stadt, sondern dazu sind die Sportstätten bis auf wenige Ausnahmen mitten in der City. Man muss sich das mal vorstellen: Bei den Olympischen Spielen die Eröffnungsfeier auf der Seine, bei uns, bei den Paralympics, auf der Champs Élysée vor dem Arc de Triomphe. Das ist Sport mitten in die Bevölkerung hineingetragen. Das ist wunderbar. Es finden mal wieder Olympische und Paralympische Spiele in einem demokratischen Land statt. Das freut mich.
Irmgard Bensusan (Leichtathletik)
Anna-Lena Forster (Ski Alpin)
Linn Kazmaier & Guide Florian Baumann (Ski Nordisch)
Rudern Mixed-Vierer mit Steuerfrau (Jan Helmich, Susanne Lackner, Marc Lembeck, Kathrin Marchand, Inga Thöne)
Radsport WM-Team Relay (Johannes Herter, Vico Merklein, Annika Zeyen-Giles)
Ski Nordisch Langlauf-Staffel (Marco Maier, Sebastian Marburger, Nico Messinger & Guide Robin Wunderle, Linn Kazmaier & Guide Florian Baumann)
Gina Böttcher (Schwimmen)
Yannis Fischer (Leichtathletik)
Maximilian Jäger (Radsport)
Anna-Maria Rieder (Ski alpin)
Lennart Sass (Judo)
Seit 2004 kürt der Deutsche Behindertensportverband seine herausragenden Athletinnen und Athleten des Jahres. Von Beginn an wurden die Fans in einer öffentlichen Wahlrunde mit einbezogen.
Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller sagt über die Nominierten: "Sie alle sind uns ein beeindruckendes Vorbild dafür, was man mit unterschiedlichen Einschränkungen und ebenso mit Talent, Ausdauer und Freude am Sport erreichen kann." Und zur öffentlichen Wahl: "Jede Stimme zollt diesen tollen Leistungen Respekt."
Quelle: dpa
Einige Spitzen-Athlet*Innen kamen schon mehrfach in den Genuss der Auszeichnung: Schwimmerin Kirsten Bruhn gewann bei der ersten Auflage 2004 und zudem 2005 und 2008. Spitzenreiterin ist aber Monoski-Fahrerin Anna Schaffelhuber (Foto) mit fünf Auszeichnungen und zusätzlich im Corona-Jahr 2020 der Wahl zur Sportlerin des Jahrzehnts.
Bei den Männern führt Ski-Rennfahrer Gerd Schönfelder mit drei Auszeichnungen, jeweils zwei erhielten Radsportler Michael Teuber und Kugelstoßer Niko Kappel. Prothesen-Weitspringer Markus Rehm wurde 2014 regulär und zudem 2020 als Para-Sportler des Jahrzehnts ausgezeichnet.