Para-Sport: Entdeckung des Leichtathleten Johannes Floors

    Interview

    Gold-Garant Johannes Floors:Die Entdeckung des besten Para-Leichtathleten

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    Der TSV Bayer Leverkusen zählt in der Para-Leichtathletik zur Talentschmiede. Auch Johannes Floors wurde in dem Verein entdeckt. Sein Entdecker erzählt von seinen Anfängen.

    Johannes Floors beim 200-m-Lauf beim integrativen Sportfest
    Johannes Floors beim 200-m-Lauf beim integrativen Sportfest
    Quelle: IMAGO / Mika Volkmann

    Parasprinter Johannes Floors ist in seinem Sport seit sechs Jahren unbesiegt. Dennoch geht er immer ans Limit - vor allem im Kampf gegen sich selbst. Floors hat keine Füße und ist dennoch einsame Spitze auf der 400 Meter Distanz. In einem Jahr bei den Paralympics soll er einer der großen Stars des Deutschen Teams sein.
    Parasport-Geschäftsführer des TSV Bayer 04 Leverkusen Jörg Frischmann hat die Karriere von Parasportler Floors von Beginn an verfolgt und erinnert sich an dessen erste Sprintversuche mit modernen Sportprothesen.
    ZDFheute: Herr Frischmann, Sie sind beim TSV Bayer 04 Leverkusen nicht nur Leiter einer der größten Parasport-Abteilungen in Deutschland, sondern auch mal als Talentscout aktiv. Sie haben Johannes Floors entdeckt, das kann man so sagen, oder?

    ... leitet seit 1998 als Geschäftsführer die Parasport-Abteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen. Es werden die Para-Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Sitzvolleyball, Tischtennis sowie Judo für Menschen mit geistiger Behinderung angeboten. Die Abteilung hat aktuell 256 Mitglieder, 50 bis 60 von ihnen betreiben Leistungssport. In der Leichtathletik liegt der Schwerpunkt auf dem Sprint und dem Weitsprung mit Prothesen.

    Jörg Frischmann: Das kann man so sagen. Ich habe damals von einem Bekannten gehört, dass es im Sanitätshaus in Braunschweig einen jungen Behinderten gibt, der doppelseitig amputiert ist und recht talentiert sein könne. Daraufhin habe ich mich auf die Suche gemacht und bin bei Johannes Floors gelandet.
    ZDFheute: Und der war damals schon aktiver Sportler?
    Frischmann: Johannes kam aus dem Schwimmen. Nach der Amputation hat er versucht, für das Sportabitur Federn (Beinprothesen für Sportler, Anm. d. Red.) zu bekommen. Wir haben ihm dabei geholfen und ihn dann mal zu einem Training zu uns nach Leverkusen eingeladen. An dem Wochenende waren Süddeutsche Meisterschaften, da haben wir ihn aus Spaß mitlaufen lassen. Beim Blick auf die Ergebnisse haben wir gewusst: Daraus können wir was machen. Ich erinnere mich noch, dass er am Anfang immer mit Ellenbogen- und Knieschonern gelaufen ist.

    03.09.2021, Tokio, Der spätere Goldmedaillengewinner Johannes Floors startet im Sprint.
    Quelle: dpa

    • 28 Jahre alt
    • Verein: TSV Bayer 04 Leverkusen
    • Weltrekorde: In der Klasse T62 über 100 (10,54 Sekunden), 200 (20,69 Sekunden), 400 (45,78 Sekunden) Meter und mit der 4 x 100-Meter-Staffel (40,52 Sekunden)
    • Paralympicssieger 2016 mit der Staffel und 2021 über 400 Meter
    • Mehrfacher Welt- und Europameister
    • Beruf: Orthopädiemechaniker und Maschinenbau-Student kurz vor dem Abschluss

    Floors kam mit einem Gendefekt zur Welt, seine Füße und Unterschenkel waren deformiert. Mit 16 Jahren entschied er sich wegen der ständigen Schmerzen zu einer Amputation. Mit Prothesen konnte er dann plötzlich tun, was vorher nie möglich war: Rennen.

    ZDFheute: Weil er mit den neuen Prothesen so oft gestürzt ist?
    Frischmann: Es ist etwas komplett Neues, mit diesen Prothesen zu laufen. Gerade die Oberschenkelamputierten liegen häufig auf der Nase. Das sehen wir immer wieder bei unseren Talent Days in Leverkusen (Menschen mit Prothese werden eingeladen, die Leichtathletik auszuprobieren, Anm. d. Red.). Wenn die zwei Blades haben, können die überhaupt nicht mehr bremsen, wenn die einmal am Laufen sind, muss man die einfangen und abbremsen.
    ZDFheute: War absehbar, dass Johannes Floors zum mehrfachen Weltrekordler und Paralympicssieger heranreifen würde?
    Frischmann: Dass er auf diesem Niveau landet, konnte man sicherlich nicht absehen. Es gab einen Wettkampf bei uns, damals war David Behre (ehemaliger Leverkusener Prothesen-Sprinter, Anm. d. Red.) schon international etabliert, Johannes war Nachwuchssportler - und er hat David direkt geschlagen. Dass Johannes gut wird und dass er Medaillen gewinnen wird, das konnte man erahnen. Aber dass er so durchstarten würde, dass er auf dem Niveau von Nichtbehinderten läuft - da muss man immer sehen, wie bereit die Leute sind, wie professionell sie arbeiten. Wie akribisch Johannes an sich arbeitet, wie er mit seinem Körper umgeht, wie er mit seinen Prothesen umgeht: Er ist ein Perfektionist.
    ZDFheute: Es heißt immer, der Spitzensport brauche Vorbilder. Ist Johannes Floors ein Zugpferd für Bayer 04? Kommen seinetwegen Nachwuchsathleten in den Klub?
    Frischmann: Auf jeden Fall. Johannes hat bei unseren Talent Days so einen Spaß mit den Kindern. Am ersten Tag stehen die immer sehr wackelig auf den Federn, und zum Abschluss rennen sie 30 Meter aus dem fliegenden Start. Johannes nimmt sie an die Hand und macht Übungen und Miniwettkämpfe mit ihnen. Er ist ein absolutes Paradebeispiel, wie Menschen mit Behinderung andere motivieren können. Oft wollen die Kinder und Jugendlichen, vor allem die Mädchen, ihre Prothese nicht zeigen. Da fliegen Eltern mit ihren Kindern nach England, weil dort angeblich die besten kosmetischen Anpassungen der Prothesen gemacht werden, damit sie farblich exakt zum gesunden Bein passen. Dann sehen sie hier unsere Athleten selbstverständlich mit ihren Prothesen herumlaufen - und kommen plötzlich selbst in kurzen Hosen zum Training.
    ZDFheute: Warum lohnt es sich, sehr viel Kraft und Lebenszeit in eine Spitzensportkarriere zu stecken, auch als Parasportler?
    Frischmann: Ich glaube, ein Parasportler unterscheidet sich da nicht von einem Nichtbehinderten. Man will seine Grenzen austesten. Das treibt auch Johannes Floors an. Er will der Schnellste sein, der auf zwei Unterschenkelprothesen unterwegs ist. Markus (Rehm, Weltrekordler im Para-Weitsprung, Anm. d. Red.) will der Erste sein, der neun Meter springt. Ich nenne das hier immer meine goldene Generation. Die gehen immer wieder an ihre Grenzen und ich denke ständig, jetzt muss mal Schluss sein. Aber sie werden immer noch besser.
    Das Interview führte Susanne Rohlfing.
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