BVB-Keeper Kobel gegen Newcastle als Leader gefragt

Vier Gegentore und das Selbstvertrauen gehörig angeknackst: Für Borussia Dortmund geriet die Generalprobe für das extrem wichtige Champions-League-Rückspiel gegen Newcastle United zu einer Lehrstunde. Einziger Trost für die Westfalen: Torwart Gregor Kobel hielt das Heimdebakel gegen den FC Bayern noch in Grenzen.

Der Schweizer ist seit vielen Wochen konstant bester Dortmunder. In zehn von 15 Pflichtspielen sammelte er die "kicker"-Note 2,5 oder besser. Beim Führungstreffer der Münchner klebte der 1,95-Meter-Hüne wohl zu sehr an der Torlinie, ansonsten zeigte Kobel aber auch gegen Musiala und Co. wieder Paraden in Serie. Als einziger BVB-Spieler genügte er höheren Ansprüchen.

Nach dem herben Rückschlag für die vermeintlich zur Ergebnis-Maschine mutierte Borussia ist Kobel in weiteren Rollen gefragt: Als Leader und Stützpfeiler. Vor vier Wochen hat der europaweit begehrte Torwart vorzeitig bis 2028 verlängert und sich dem BVB verpflichtet.

Den eigenen Anspruch füllt Dortmunds Nummer eins mit Taten. Er war der einzige BVB-Spieler, der sich nach der München-Partie noch in die Mixed Zone traute und dort ehrliche Worte fand: "Es kotzt einen natürlich an. Aber Bayern war das bessere Team. Für uns gibt es keine Ausrede." Kobel redet Tacheles, intern wie extern.

Der ehrgeizige Keeper hat das Zeug und die Autorität, das Machtvakuum bei den ambitionierten Westfalen zu füllen. In zweieinhalb Jahren für Dortmund ist er zum Leader gereift. Schon fünf Mal in dieser Saison hat er sein Team als Kapitän aufs Feld geführt, obwohl er eigentlich nur "Vize" ist.

BVB-Trainer Edin Terzic dürfte sich fragen, wie clever es war, offiziell Emre Can zum Anführer zu küren. Der Nationalspieler ist nicht mal für die Startelf gesetzt. Kobel dagegen ist sportlich unangreifbar. Mit 45 Prozent entschärfter Großchancen führt er sogar die Keeper-Rangliste der Bundesliga an.

Das 15-Millionen-Euro-Schnäppchen vom VfB Stuttgart steht auch exemplarisch für die neue Leistungskultur, die sich der BVB verpassen will: Der Sohn eines Eishockey-Profis kennt alle Tücken des Sportgeschäfts. Mit 16 Jahren brach er das Gymnasium in Zürich ab und zog alleine ins Ausland - mit dem klaren Ziel einer Fußball-Karriere.

Für das zweite Duell mit Newcastle ruhen die BVB-Hoffnungen auf dem Keeper. Mit einem Sieg über United könnte der BVB einen Riesenschritt machen, um international zu überwintern. Der 25-Jährige war schon im Hinspiel in Nordengland bester Spieler.

Der überzeugendste Dortmunder Auftritt in dieser Spielzeit war einer von fünfen, in denen Kobels Reaktionen auf der Linie und im Duell Eins-gegen-Eins das denkbar knappste aller Ergebnisse rettete - ein 1:0.

Kobel knüpft nahtlos an die Vorsaison an, in der er elf Mal in der Liga eine weiße Weste behielt und 74 Prozent aller Torschüsse parierte. Zu Recht wurde er von der Fachpresse und den Profi-Kollegen zum Torhüter des Jahres gekürt. Bei aller Wertschätzung für den guten Ersatzmann Alexander Meyer: Hätte Kobel nicht elf Pflichtspiele verletzt verpasst, wäre für den BVB vielleicht ein Happy End in der Meisterschaft rausgesprungen und das Viertelfinale in der Königsklasse.

Die Klub-Chefs wissen längst, was sie an ihrem Torhüter haben. "Gregors sportliche Entwicklung in den vergangenen Jahren hat uns alle tief beeindruckt", sagt BVB-Chef Hans-Joachim Watzke.

Kobel spielt eine zentrale Rolle in den BVB-Planungen, auch wenn Interesse von Klubs wie Bayern München oder aus der Premier League mit jeder Parade steigt.