BVB-Profi Julian Brandt - zuständig für den Wow-Effekt

Da war er wieder, der Manga-Jubel. Julian Brandt ist ja nicht gerade für irgendwelche Faxen bekannt. Aber beim jüngsten Bundesliga-Sieg gegen Bremen ließ es sich der Matchwinner nicht nehmen, wie schon in der Vorsaison den Torerfolg gegen Werder mal "etwas anders" zu feiern: mit einer Geste seiner Lieblingsfigur "Law" aus der japanischen Manga-Comic-Reihe "One Piece".

Diese Extravaganz darf er sich leisten, denn: Brandt ist aktuell die große Konstante im Spiel von Borussia Dortmund. In elf Pflichtspielen stand er zehnmal in der Startelf. In der Liga kommt er seit dem zweiten Spieltag in jeder Partie auf eine Torbeteiligung. Insgesamt hat Brandt vier Tore und fünf Assists. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl lobt: "Ich weiß nicht, wo sein Limit ist."

Nur in der Königsklasse steht Dortmunds Nummer 19 noch ohne einen solchen Erfolg dar. Das soll sich beim Showdown gegen Newcastle United (Mittwoch, 21 Uhr/Zusammenfassung im ZDF ab 23 Uhr) ändern. Es wäre gut für Brandt - und wichtig für den BVB. Denn die in der Champions League noch tor- und sieglosen Westfalen stehen mit dem Rücken zur Wand.

Brandt ist nicht nur als Torschütze gefragt. Die Statik der Dortmund-Offensive hängt zu großen Teilen von ihm ab. Viel mehr als Marco Reus ist Brandt derjenige, der die Fäden zieht. Er ist für Ideen zuständig und für den Wow-Effekt. Klub-Chef Hans-Joachim Watzke schwärmte schon beim Transfer 2019: "Wenn er locker ist, kann er ganz ungewöhnliche Dinge machen."

Im fünften Jahr in Schwarz-Gelb schickt sich Brandt endlich an, die Kronprinzen-Rolle im Zentrum abzulegen. Oder, um es mit Terzics Worten zu sagen: Er soll vom Juniorpartner zum Seniorpartner aufsteigen. Dafür hatte der BVB seinen Vertrag im Frühjahr bis 2026 verlängert.

Rückschläge nicht ausgeschlossen. So muss Brandt auch in dieser Saison oft auf die ungeliebte Seite ausweichen: Routinier Reus hat sich in die Schaltzentrale zurückgekämpft und Terzic sträubt sich noch vorm unpopulären harten Schnitt. "Für mich ist das Fluch und Segen zugleich, wenn man eine Vergangenheit auf dem Flügel hat", sagt Brandt - will aber "kein Fass aufmachen".

Lieber versucht er, das Beste draus zu machen. Er interpretiert seine Rolle nun als "eine Art Hybrid" zwischen Flügelstürmer und klassischem Zehner. Er zieht oft nach Innen, wechselt mit Reus die Positionen, schafft so Räume und macht das Spiel variabler. Zu lange ließ er sich in der Entwicklung blockieren.

Brandt ist in der Hierarchie aufgestiegen. Sein Wert fürs Team ist unumstritten, sein Wort wird gehört. Regelmäßig wird der eloquente Kommunikator zu Interviews vorgeschickt. Auch wenn's beim BVB mal nicht so läuft - Brandt duckt sich nie weg.

Diese Saison könnte seine Karriere definieren. Denn selbst dem jugendlich wirkenden Brandt läuft langsam die Zeit davon. Zwar schafften es in der Liga-Geschichte nur zwei Spieler schneller auf 300 Einsätze - Eike Immel und Charly Körbel. Aber mit 27 Jahren ist auch Brandt kein Talent mehr, sondern im besten Fußballeralter. Höchste Zeit für den endgültigen Durchbruch: zum Leader, zum BVB-Star, zum Titeljäger. Jetzt oder nie.

Das Thema Meisterschaft soll nach dem Drama des Vorjahres nur vertagt sein. Auch eine EM-Teilnahme steht noch auf der To-do-Liste des Spaßfußballers.

Das Turnier in Deutschland ist ein Ansporn, sich über Top-Leistungen im Klub auch für die Nationalelf in den Vordergrund zu spielen. Immerhin konnte sich Anime-Fan Brandt schon einen privaten Traum erfüllen: Bei seiner Lieblings-Serie "One Piece" durfte er jüngst als Synchronsprecher mitwirken.