Erster Meistertitel perfekt: Leverkusens Sehnsucht gestillt

Am Ende musste sich Michael Zetterer vorkommen wie in der Vorhölle. Hinter dem Tor des Bremer Schlussmanns qualmte es mächtig, die roten Rauchschwaden, die die Leverkusener Fans mit ihrer Pyrotechnik auf die Reise geschickt hatten, hüllten Zetterer immer stärker ein. Und dazu drängten sich Tausende Bayer-Fans an der Bande hinter dem Werder-Tor.

Die ersten Anhänger stürmten schon während der Partie auf den Rasen, wurden noch mal rasch eingefangen. Und irgendwann hatte Schiedsrichter Harm Osmers dann ein Einsehen und pfiff ab.

Mit einem 5:0 gegen ersatzgeschwächte Bremer haben Leverkusens Fußballer ihre rauschhafte Saison einem ersten, historischen Höhepunkt entgegengetrieben.

Der erste Meistertitel in der 120-jährigen Geschichte der Rheinländer ist perfekt, die gewaltige Sehnsucht nach der ersten Meisterschale für den seit über 20 Jahren als "Vizekusen" verschmähten Klub gestillt.

Nach Osmers' Schlusssirene war der Platz in Windeseile von Zehntausenden Fans gestürmt. Und dazu schepperte aus den Lautsprechern "Major Tom - völlig losgelöst", "Sweet Caroline" und "Eviva España". Wobei die weltbekannte Hymne natürlich als Dank an Xabi Alonso, den für den großen Triumph verantwortlichen Coach, ertönte.

Im Tiefgeschoss der BayArena hatte den 42-Jährigen eine erste Bierdusche seiner Spieler nur leicht erwischt. Um kurz vor halb neun, als Alonso gerade über die enorme Unterstützung der Fans gesprochen hatte, stürmte dann aber eine ganze Horde der Werkselfkicker in den Presseraum und kippte dem Coach aus einem riesigen Humpen das Bier über den Kopf.

Alonso stand auf, legte kurz ein Jubeltänzchen mit dem enthemmten Rasenpersonal aufs Parkett. Und anschließend beantwortete er wieder, sichtbar gelöst, alle drängenden Fragen. Wichtig war ihm dabei auch der Blick zurück in die Historie des Klubs.

Alonso nannte einige seiner Vorgänger wie Christoph Daum oder Roger Schmidt und machte deutlich: "Wenn es dann das erste Mal klappt, ist es immer etwas Besonderes - für alle."

Darin eingeschlossen war unter anderem Jonas Hofmann, im vergangenen Sommer aus Gladbach nach Leverkusen gewechselt. "Das sind Emotionen pur, unbeschreiblich. Das fließt alles den Körper runter. Ich weiß gar nicht, ob ich weinen oder lachen soll", stammelte der gebürtige Heidelberger und betonte:

Als einen entscheidenden Punkt auf dem Weg zur Meisterschaft machten alle frisch gebackenen Titelträger das 3:0 gegen die Bayern am 10. Februar aus. Mit einem Sieg in der BayArena wäre der Abonnements-Meister der letzten Jahre an den Leverkusenern vorbeigezogen, so aber setzte es einen heftigen Rückschlag für die Münchner.

"Da ist schon ein Ruck durch unsere Mannschaft gegangen", rekapitulierte Hofmann. "Und es zeigt, dass es auch andere schaffen können und dass man mit Fleiß Großes erreichen kann."

Hinter dem größten Ziel in dieser Saison haben die Rheinländer mit dem Meistertitel am Sonntagabend einen dicken Haken gemacht. "Aber wir wollen mehr", rief Xabi Alonso den Fans zu, als er um kurz vor neun wieder im Stadion stand und zum Mikrofon griff. Und dann präzisierte er: "DFB-Pokal und Europa League."

Zwei weitere Trophäen können die Leverkusener in dieser für sie so traumhaften Saison noch an Land ziehen. Doch bei aller Euphorie wurde Bayers Meistermacher zwischendurch auch etwas nachdenklich.

Als Trainer-Novize, der zuvor noch nie einen Profiklub trainiert hatte, übernahm er im Oktober 2022 die Werkself auf dem vorletzten Liga-Platz. 18 Monate später thront das Team nun meilenweit über allen anderen. "Vielleicht ist das alles ein bisschen zu schnell für mich gegangen", sinnierte Señor Alonso also. Ehe er strahlend hinzufügte: "Aber ich akzeptiere das."