Bayers Erfolgscoach Alonso: Vom Novizen zum Meistertrainer

Granit Xhaka sorgte nach dem jüngsten Europacupsieg seiner Leverkusener gegen West Ham United - bevor Bayer gegen Bremen den ersten Bundesliga-Meistertitel der Klubgeschichte perfekt gemacht hatte - für lautes Gelächter im Tiefgeschoss der BayArena. Ob sich die Bayer-Kicker die Partien der Konkurrenten aus München und Stuttgart am Samstag denn zusammen anschauen, wurde der Schweizer Rekordnationalspieler gefragt. Und seine ehrlich-verschmitzte Antwort lautete: "Wenn's sein muss."

Wirklich scharf aufs gemeinschaftliche Fernsehgucken war Xhaka jedenfalls nicht - und das verband ihn mit seinem Trainer. "Nein, nein, nein", winkte Xabi Alonso beim Gedanken an eine solche Verabredung vor dem TV-Gerät fast erschrocken ab. Schließlich sei es so: "Wir müssen uns erholen."

Erholen für die Partie am Sonntagabend gegen Bremen. Das gelang, wie das furiose 5:0 zeigte, das der Werkself vor eigenem Publikum die vorzeitige Meisterschaft brachte. Angeleitet von einem Bank-Chef, der als Fußballer eine Weltkarriere hinlegte, beim Start ins rheinische Abenteuer als Coach von Profiteams aber noch Novize war, keine entsprechende Anstellung vorzuweisen hatte.

Dabei kann bei dem bärtigen Basken von Abenteurertum gar keine Rede sein. Als Gladbachs damaliger Sportchef Max Eberl 2021 bei Alonso, zu der Zeit für die Reserve von Real Sociedad San Sebastian zuständig, anklopfte, lehnte der ab. Weil er sich als Trainer noch zu unerfahren für den Sprung ins Ausland fühlte.

Im Oktober 2022 schien ihm sein persönlicher Reifegrad dann ausreichend: Alonso übernahm Bayer Leverkusen als zutiefst verunsicherten Tabellenvorletzten, und gleich bei seiner Vorstellung offenbarte er sein Credo bei der Arbeit als Trainer: Kontrolle über den Gegner und somit auch über das Spiel zu haben.

Und exakt so sieht das 18 Monate später nun auch aus: Alonsos Ensemble fegt wie eine Horde entfesselter Schachspieler bislang ungeschlagen durch die Saison. Jeder im Team weiß haargenau, was er wann zu tun hat.

Selbst umfassende Rochaden, die der 42-Jährige angesichts des Dauereinsatzes in Liga, Pokal und Europa League in aller Konsequenz vornimmt, tun dem schwindelerregenden Spielfluss der Leverkusener keinen Abbruch.

Dass er dem Werben aus München und Liverpool widerstand und dem Werksklub seinen Verbleib für zumindest ein weiteres Jahr zusicherte, setzte dem aktuellen Glücksgefühl rund um das Bayer-Kreuz zu Ostern die Krone auf.

Das sagt der wieselflinke Rechtsverteidiger über einen Mann, der mit Spanien Welt- und zwei Mal Europameister wurde, mit Liverpool und Real Madrid die Champions League gewann - und der trotzdem komplett geerdet blieb.

Respekt, Demut, nichts für selbstverständlich zu nehmen - diese Tugenden tauchen in den Statements von Señor Alonso immer wieder auf.

Mit Empathie, großer fachlicher Kompetenz, viel Fleiß und leidenschaftlich vorgelebtem Siegeswillen hat er Bayers Fußballer zur Meisterschale geführt.

"Er ist teilweise ein bisschen schüchtern in seinem Auftreten nach außen", sagt Nationalspieler Robert Andrich über Xabi Alonso.

Diese Aura ist Granit Xhaka, wie einst Alonso auf der Sechser-Position beheimatet, ebenfalls nicht verborgen geblieben. Deshalb ist für den gebürtigen Basler auch völlig klar: "Wenn man so eine Persönlichkeit wie ihn, der alles gewonnen hat, vor sich hat, muss man einfach Gas geben - für ihn."