Wie gehe ich mit einer schlimmen Diagnose um?

    Interview

    "Aus Erstarrung rausgehen":Wie gehe ich mit einer schlimmen Diagnose um?

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    Wer plötzlich erfährt, dass er schwer krank ist, kann völlig aus der Bahn geworfen werden. Expertin Wiebke Menzel rät Betroffenen, "aus dieser Erstarrung rauszugehen".

    ZDFheute: Welche Reaktionen kann eine schwere Erkrankung auslösen?
    Wiebke Menzel: Bei der Diagnose Krebs ist es häufig so, dass viele Patienten Angst haben, einfach nicht wissen, was auf sie zukommt.

    Viele berichten, in einem Albtraum zu sein oder den Boden unter den Füßen zu verlieren.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin am Brustzentrum im Elisabeth-Krankenhaus Kassel

    Es gibt aber auch Patienten, die auf einmal so etwas entwickeln wie Mut und Stärke und die sich sagen: "Das schaffe ich! Ich habe so einen Kampfgeist, das kriege ich hin!" Vielleicht haben sie schon Erfahrungen aus dem familiären Bereich, woher sie wissen: Das kann man gut überstehen. Und die können dann doch mit einer gewissen Zuversicht oder auch Hoffnung in die Diagnose oder in die Therapie starten.

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    ZDFheute: Was kann man nach der Diagnose beachten, um die Folgen nicht ganz allein bewältigen zu müssen?
    Menzel: Da ist es ganz wichtig, ins Gespräch zu kommen. Diese Fassungslosigkeit in Worte zu bekommen und aus dieser Erstarrung rauszugehen. Also im Prinzip: Worte zu finden für das, was passiert ist, und vielleicht die Erfahrung zu machen: Es gibt auch andere, die das auch hatten und die dann manchmal einfach ein bisschen Mut machen können, auch wieder ein bisschen Hoffnung.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin am Brustkrebszentrum Kassel
    Quelle: ZDF

    ... ist Psychoonkologin am Brustzentrum im Elisabeth-Krankenhaus Kassel.

    Wichtig ist auch, ein Gespräch mit den Ärzten zu suchen, um sich einen Überblick zu verschaffen: "Wie geht es bei mir weiter? Was kommt als erste Untersuchung auf mich zu? Werde ich vielleicht erst operiert? Kommt erst eine Chemotherapie?" Dass man schon mal ein bisschen weiß, wie der Weg aussehen wird. Und trotzdem, was auch wirklich wertvoll ist:

    Einfach den Kontakt zu Arbeitskolleginnen, zu Freunden, zu Familie zu suchen.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin

    Einfach ins Gespräch mit anderen zu kommen und damit aus dieser ersten Fassungslosigkeit rauszukommen.
    ZDFheute: Können solche Gespräche auch zu einer zusätzlichen Belastung werden?
    Menzel: Ja, das stimmt. Viele Patienten berichten oder haben das Gefühl, die Verantwortung zu haben beziehungsweise sich schuldig zu fühlen, dass sie jetzt der Familie mitteilen müssen, dass sie krank geworden sind. Oder sie fragen sich: "Warum bin ich krank geworden? Habe ich was falsch gemacht?" Und da ist es wichtig, den Druck rauszunehmen und von einer Bewertung loszukommen. Sich deutlich zu machen:

    Jeder von uns kann jederzeit krank werden, das sind eben Zellen, die sich verändern.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin

    Manchmal ist es vielleicht eine genetische Belastung, die dahintersteckt. Dass die Patienten eben nicht das Gefühl haben: "Ich habe etwas falsch gemacht."

    Ganz wichtig finde ich immer, dass die Patienten wissen, dass sie sehr individuell sind und sich nicht so häufig vergleichen. Jeder hat seinen eigenen Weg.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin

    ZDFheute: Was können Menschen tun, die sich wegen ihrer Erkrankung einsam fühlen?
    Menzel: Also wenn Patienten tatsächlich kaum soziale Kontakte haben und sehr einsam sind, könnte man überlegen, ob es vielleicht Kontakt zu einer Selbsthilfe gibt. Oder gibt es zum Beispiel Reha-Sport, wo man auch nicht so fit sein muss wie im normalen Sportkurs? Einfach um sich wohler zu fühlen, sich verstanden zu fühlen, auch von der Belastbarkeit her.
    Wenn die Menschen im ländlichen Bereich sind, ist da natürlich oft deutlich weniger möglich. Aber da könnte man heutzutage auch gucken, ob es Online-Angebote gibt. Dass man sich tatsächlich so einen Online-Sportkurs oder eine Entspannung nach Hause holt. Und darüber kann es dann auch gelingen, neue Sozialkontakte zu knüpfen.

    Die Psychoonkologin Wiebke Menzel schaut gemeinsam mit ihren Patient*innen darauf, auf welche Ressourcen sie zurückgreifen können:
    • Sind vielleicht schon Entspannungsübungen bekannt? Welche haben unter Umständen bereits in der Vergangenheit geholfen?
    • Auch Haustiere sind häufig gute Partner, wenn es darum geht, Kräfte zu bündeln. Sie geben Struktur und Antrieb. Oft helfen sie, an die frische Luft zu gehen und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.
    • Auch Kinder oder Enkelkinder sind gute Partner, um dem Leben Struktur zu geben. Selbst wenn der Kontakt nur über Telefon oder Internet stattfindet.
    • Außerdem ist Bewegung wichtig, um Kraft zu tanken. Allerdings sollten sich die Patienten damit nicht unter Druck setzen, rät die Expertin. Viele sind zum Beispiel nach einer Chemotherapie müde und raffen sich ganz schwer auf. In so einem Fall ist eine Runde um den Block oder einfach nur eine Treppe im Haus zu gehen manchmal schon ganz viel, aber dennoch hilfreich.

    ZDFheute: Wie kann man die belastende Zeit der Behandlung gut überstehen?
    Menzel: Es ist gut sich zu fragen: Wer kann mich vielleicht durch die Zeit gut begleiten? Wer ist vielleicht da, kann mich abholen? Viele Patienten möchten viel lieber, dass die Familie die Fahrten zur Behandlung macht oder die Familie bietet das sogar an. Also da finde ich es immer wichtig, tatsächlich im Netzwerk zu gucken: Wer ist da? Auf wen kann ich vielleicht zurückgreifen?

    Und wichtig ist tatsächlich auch eine gute Aufklärung. Dass man also das Gefühl hat, alle Fragen sind beantwortet.

    Wiebke Menzel, Psychoonkologin

    Dass ich weiß: Was kommt auf mich zu? Welche Nebenwirkungen könnten vielleicht auftreten? Was kann ich machen? Welche Medikamente gibt es, welche Möglichkeiten?
    Das Interview führte Eileen Wiedenhoff.
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