Wagner-Revolte: So will der Kreml Privatarmeen kontrollieren
Zukunft der Wagner-Gruppe:So will der Kreml Privatarmeen kontrollieren
von Julia Klaus
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Weltweit kämpfen rund 40 russische Privatarmeen - die mächtigste von ihnen, die Gruppe Wagner, hatte den Aufstand gegen Putin gewagt. Wie der Kreml sie enger an sich binden will.
Abgesagter Aufstand: Wagner-Kämpfer in Rostow am Don auf dem Rückzug, nachdem sie dort Militärgebäude besetzt hatten (Foto vom 24.6.2023).
Quelle: Reuters
Der russische Präsident Wladimir Putin hat 24 Stunden lang in einen Abgrund geblickt. Seine Macht schien angezählt, als der Chef der mächtigen Söldner-Armee "Gruppe Wagner" zum Aufstand aufrief. Ein Militärkonvoi rollte am Samstag gen Moskau und stieß auf erstaunlich wenig Gegenwehr.
Doch so plötzlich, wie das bislang heftigste Auflehnen gegen Putins Machtapparat gekommen war, so plötzlich stoppte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin seinen "Marsch der Gerechtigkeit" auch wieder. Er handelte einen Deal mit dem Kreml aus - dessen Details noch immer nicht bekannt sind - und soll nun erst einmal ins Exil nach Belarus.
In Moskau scheint wieder alles normal zu sein. Doch Putins Regime ist ins Wackeln geraten. Europa und die NATO versuchen, darauf eine Antwort zu finden.
27.06.2023 | 2:21 min
Am Montag meldete sich Prigoschin erstmals seit dem Aufstand: Er habe keinen Umsturz geplant gehabt, wollte aber gegen die angestrebte Angliederung seiner Truppe protestieren, sagte er in einer Audionachricht. Wo er ist - noch immer unklar.
Prigoschin sei nun keineswegs sicher, auch wenn der Kreml das zusichert, glaubt Politikwissenschaftler Carlo Masala:
Das Angebot an die Wagner-Soldaten wirke fair, aber mit weiteren Folgen sei zu rechnen. Dass Putin Prigoschins Namen nicht nenne, sei "ein untrügliches Zeichen", so ZDF-Korrespondent Christian Semm.
27.06.2023 | 2:01 min
Prigoschins Gruppe Wagner ist Teil eines Systems aus Privatarmeen, das der Kreml jahrelang gewähren ließ und auch mitaufgebaut hat. Eine Recherche der "Osint-Community "Molfar" vom April zählt ein Netzwerk aus 37 privaten Sicherheits- und Militärunternehmen (PMCs), die direkt oder indirekt mit dem Kreml verbunden seien - viele von ihnen sind oder waren weltweit aktiv. Demnach sind 37 der Privatarmeen bereits in 34 Ländern im Einsatz gewesen.
Welche PMCs neben der Gruppe Wagner existieren:
"Patriot": Eine Truppe, die direkt für Verteidigungsminister Schoigu arbeiten soll - somit trägt er selbst zu dem Wildwuchs an Privatarmeen bei.
"Achmat": Die Privatarmee des Tschetschenen Ramsan Kadyrow kämpft auch im Ukraine-Krieg und soll dort 10.000 Mann zählen - Prigoschin warf ihnen wiederholt vor, dass sie sich vor allem über die Sozialen Medien inszenieren statt kämpfen würden.
Gazprom: Das Energieunternehmen will mit staatlicher Erlaubnis eine Privatarmee gründen, um den russischen Energiesektor zu bewachen.
Jewgeni Prigoschin wurde als Gastronom reich, nun führt er die berüchtigste Privatarmee der Welt.22.02.2023 | 15:54 min
Putins Apparat will die Privatarmeen schon länger näher an sich binden. Vor gut zwei Wochen hatte das Verteidigungsministerium sie aufgefordert, per Vertrag unter dessen Zentralkommando zu arbeiten. Einige kamen diesem Aufruf mit dem Ultimatum 1. Juli nach, darunter die Achmat-Truppe unter Kadyrow. Andere, wie der Wagner-Chef Prigoschin, weigerten sich bis zuletzt.
Kadyrow unterschreibt Vertrag mit Kreml
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Einige Experten deuten Prigoschins Aufstand vom Wochenende deshalb auch als Versuch, die Wagner-Einheit zu erhalten statt in der staatlichen Armee aufzugehen. Einer Analyse vom US-Institut für Kriegsstudien nach dürfte die Wagner-Gruppe zunächst weiterbestehen. Die Gründe:
Wagner-Kampfverbände kehrten mit ihrem Equipment in ihre Lager zurück.
Am Aufstand Beteiligten droht keine Strafverfolgung, obwohl Putin das zunächst angedeutet hatte.
Der Leiter des russischen Verteidigungsausschusses sagte am Sonntag, der Kreml arbeite an dem Gesetz zur Regulierung von Privatarmeen - aber die Gruppe Wagner müsse nicht verboten werden, sie sei "die kampfbereiteste Einheit in Russland".
Diejenigen, die nicht am Aufstand beteiligt waren, sollen in der russischen Armee anheuern dürfen - von einem Zwang war aber keine Rede.
Am Montag nahmen Wagner-Rekrutierungszentren wieder ihre Arbeit auf, wie die russische Nachrichtenagentur Tass berichtet. All das deutet nicht auf das Ende von Wagner hin.
Den Machtkampf mit Wagner-Chef Prigoschin hat Russlands Präsident Putin vorerst überstanden. Doch die Meuterei zeigt klare Risse in seinem Machtsystem. So geschwächt ist Putin.
von Nils Metzger
Russlands Privatarmeen: Einsätze in Syrien, Irak, Mali
Ob und wie Prigoschin seine Privatarmee von Belarus aus führen kann - und was mit seinen Kämpfern im Ausland geschieht, ist weiterhin offen. Der Unternehmer hatte am Samstag die Zahl von 25.000 Mann genannt, die ihm zur Verfügung stünden. In dem Militärkonvoi waren deutlich weniger unterwegs, doch viele sind auch im Ukraine-Krieg.
Neben der Ukraine sind und waren Söldner diverser russischer Privatarmeen auch in Syrien, dem Irak oder Nigeria im Einsatz. Wagner-Leute sind derzeit in Mali im Auftrag der Militär-Junta unterwegs. Die Lage in Mali sei zunächst unverändert, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Montag.
Fazit: Die Privatisierung von Krieg konnte in Russland jahrelang gedeihen. Als Putins Apparat die Privatarmeen enger an sich binden wollte, versuchte der Wagner-Chef den Aufstand. Der Kreml braucht die Söldner, besonders jetzt im Ukraine-Krieg. Ob sie sich vom Staat kontrollieren lassen, wird entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf sein.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.