Experte: Ukrainische Offensive mit "viel Leid verbunden"
Militärexperte zur Ukraine:Offensive "mit sehr viel Leid verbunden"
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Verluste für die Ukraine, russische Schutzwälle an der Front: Im ZDFheute live spricht Militärexperte Reisner darüber, was das für den Kriegsverlauf bedeutet.
Die ukrainische Gegenoffensive läuft, trifft offenbar aber auf harten Widerstand der russischen Truppen. ZDFheute live spricht mit Oberst Markus Reisner über Probleme und Chancen.13.06.2023 | 36:33 min
Die ukrainische Gegenoffensive gegen die russischen Besatzer läuft. Doch die Informationslage ist unklar, nur wenige gesicherte Informationen dringen nach außen, auch weil Journalistinnen und Journalisten von dort kaum berichten können. Aber wie hoch sind die Chancen dieser ukrainischen Offensive und was braucht es, um Russlands Truppen zu schlagen?
Das weiß Oberst Markus Reisner. Er ist Militäranalytiker, Historiker und selbst aktiver Soldat beim österreichischen Bundesheer. Seit Beginn des Krieges analysiert Reisner die Lage in der Ukraine und leitet seit September die Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie in Wien. Im ZDFheute live spricht er mit Victoria Reichelt über die Kämpfe an der Front.
Ukraine hat großen Nachteil in der Luft
Reisner beobachtet die Situation in der Ukraine genau und geht davon aus, dass es zurzeit drei Stoßrichtungen gibt. Zwischen Melitopol und Mariupol könnte sich Raum bis zum Asowschen Meer ergeben, um die russischen Truppen in dem Gebiet zu teilen und voneinander abzuschneiden. Schlechter als die Situation dort stelle sich die Lage weiter östlich rund um Bachmut und nördlich von Melitopol dar.
Die Herausforderung für die Ukraine sei der Mangel an Luftstreitkräften. Trotz vereinzelter spektakulärer Angriffe gebe es keine funktionierende Luftnahunterstützung und Unterstützung gegen russische Kampfhubschrauber und ähnliches.
Quelle: ZDF
... Jahrgang 1978, ist Militäranalytiker, Historiker und selbst aktiver Soldat beim österreichischen Bundesheer. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges analysiert Reisner die Lage in der Ukraine und leitet seit September die Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der Theresianischen Militärakademie in Wien. (Quelle: Kral-Verlag)
Die Ukraine gewinne zwar an Gelände, vor den Truppen lägen aber noch weite Distanzen, die noch immer von Russen besetzt seien. Bis zum Asowschen Meer seien es beispielsweise noch rund 100 Kilometer, der Vorstoß der Ukrainer in die bislang von ihnen zurückeroberten Ortschaften liege gerade einmal bei fünf oder sechs Kilometern.
Russische Verteidigungsanlagen nicht undurchdringlich
Zudem hätten die Russen den Ukrainern mit Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen schon sehr früh Verluste zugefügt. Die Russen hätten bereits sechs Monate Zeit gehabt, sich im Gelände "einzurichten", also ihre Verteidigungsstellungen auszubauen.
Zu diesen Verteidigungsanlagen gehören:
tiefe Gräben und Erdwälle, vor allem gegen Panzer
Landminen auf Ackerböden
"Drachenzähne", höckerförmige Beton-Hügel, die Panzer stoppen sollen
Das klingt zwar beeindruckend und dürfte den ukrainischen Truppen das Leben schwerer machen, doch undurchdringlich seien diese Verteidigungsanlagen nicht, sagt Oberst Reisner.
Die Russen hätten zurzeit Vorteile, auch durch die Stärke ihres Heeres, sagt Reisner. Für die Ukraine käme es nun darauf an, an einigen Stellen Durchbrüche zu erzielen, durch die man schnell voranpreschen könne. Denn die Front sei lang, mehr als 1.000 Kilometer. Um die russischen Sperren zu überwinden, brauche man das passende Gerät, Minenräumpanzer oder Brückenlegepanzer beispielsweise.
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Der Einschätzung von Oberst Reisner nach liegt der Fokus der ukrainischen Truppen zurzeit bei Tokmak, nördlich von Melitopol. Die Einsatzführung können die Strategie aber je nach Entwicklung der Lage anpassen.
Überraschend hohe Verluste
Doch wie gut ist die Ukraine noch mit schwerem Gerät aufgestellt? In den vergangenen Tagen tauchten immer wieder Bilder auf, die zerstörte westliche Panzer zeigen, die von der Front stammen sollen. Bringt das die Gegenoffensive in Gefahr? Der Verlust von Leopard- und Bradley-Panzern wiege schwer, sagt Reisner, wie auch von anderem speziellen Gerät:
Insgesamt seien die ukrainischen Verluste noch immer relativ gering - nur "überraschend hoch bereits für den Beginn der Offensive", sagt Reisner. Damit dürfte die ukrainische Seite nicht gerechnet haben.
Erbeutete Panzer fürs russische Narrativ
Allerdings haben die russischen Soldaten es auch nicht geschafft, während der letzten Monate selbst in die Offensive zu gehen. Durch die Sprengung des Kachowka-Staudamms und die damit einhergehenden Überschwemmungen hätten die Russen es geschafft, den Südraum vorerst "unbrauchbar" zu machen.
Moskau behauptet, westliche Leopard- und Bradley-Panzer in der Ukraine "erbeutet" zu haben. Was ist dran? Und kann Russland diese jetzt gegen die Ukraine einsetzen?
von Oliver Klein
FAQ
Für die Russen seien vor allem die Bilder der zerstörten und erbeuteten westlichen Kampfpanzer wichtig. In den sozialen Netzwerken werde damit vor allem das Narrativ des großen vaterländischen Kriegs bedient. Komponenten und Informationen über Technik könnten außerdem ausgeschlachtet und weiteregegeben werden, beispielsweise nach China. Der direkte Nutzen für die russische Armee sei allerdings wegen fehlender Munition und Ersatzteile sehr gering.
Viel menschliches Leid
Trotz aller Informationen über Kriegsverlauf und technischem Gerät: Reisner plädiert auch dafür, nicht zu vergessen, dass für diesen Krieg nach wie vor Soldatinnen und Soldaten mit ihrem Leben bezahlen.
Wie könnte die Gegenoffensive enden? "Die ukrainische Seite ist unter einem enormen Erfolgsdruck", sagt Reisner. Die Herausforderung bestehe nun darin, im Kräfteringen beider Seiten die Oberhand zu behalten. Und das könne dauern. "Das ist das, was wir aus den vergangenen Kriegen kennen." Man könne sich derzeit nur in Geduld üben.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.