Experte: Streumunition kann Gegner-Infrastruktur schwächen
Interview
US-Streumunition für Ukraine:Gegner-Infrastruktur "signifikant schwächen"
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Die USA wollen Streumunition an Kiew liefern. Sicherheitsexperte Kaim erklärt, warum der Waffentyp geächtet ist und welchen Unterschied der Einsatz im Krieg machen könnte.
Streumunition ist Teil einer neuen Waffenlieferung der USA an die Ukraine. Das hat das US-Pentagon offiziell bestätigt. Die Waffen sollen dem ukrainischen Militär helfen, von Russland besetzte Gebiete zurückzuerobern. Doch der Waffentyp ist umstritten, bereits die Ankündigung der USA sorgte international für Kritik.
Im Interview mit ZDFheute live spricht Markus Kaim, Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, über die Wirkung von Streumunition sowie darüber, welchen Unterschied ihr Einsatz im Krieg in der Ukraine machen könnte.
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Markus Kaim ...
... zum möglichen Einfluss von Streumunition auf den Kriegsverlauf
Grundsätzlich sei der Effekt "schwer einzuschätzen". Es komme vor allen Dingen auf die gelieferte Menge an. "Es gibt zwei Hauptzwecke für den Einsatz dieser Streumunition", so Kaim.
Zum einen gegen "eingegrabene Truppenteile, die sich sehr stark befestigt haben", und zum anderen gegen sogenannte "weiche Ziele hinter der Front, also die Infrastruktur des Angreifers". Das könnten zum Beispiel Munitionsdepots, Flughäfen oder Verkehrsknotenpunkte sein.
Schon mit einzelnen Sprengsätzen könne eine entsprechend große Wirkung erzielt werden, sagt Kaim weiter. Man könne die Infrastruktur des Gegners "signifikant schwächen und darum geht es".
Beispiel für einen Frontverlauf
Wie kann man sich einen Frontverlauf im Ukraine-Krieg vorstellen? Die russische Armee schützt sich mit einer kilometerweiten Anlage, um gegen die Ukraine vorzurücken.
Quelle: ZDF
... zur Wirkung von Streumunition
Die negativen Wirkungen seien vor allem in der Geschichte "augenfällig geworden". Kaim nennt als Beispiel den Vietnamkrieg, "wo großflächig Streumunition eingesetzt worden ist und über Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, die Zivilbevölkerung darunter gelitten hat". Kinder hätten die Waffen für Spielzeug gehalten und so fürchterliche Verletzungen davongetragen.
Kaim schätzt, dass etwa sechs Prozent der Sprengkörper, die von den USA geliefert würden, nicht explodieren würden. Bei den Waffen handele es sich um Granaten aus den späten 80er- und 90er-Jahren.
Somit verbliebe ein entsprechender Teil der eingesetzten Munition auf dem Kampffeld - "und bleiben eine Gefahr für die ukrainische Bevölkerung, die in diese Gebiete zurückkehren will. Und für die russische Bevölkerung, die sich im Moment in diesen Gebieten befindet."
... zur Position der Bundesregierung zur Lieferung von Streumunition
Die Bundesregierung sei eine der treibenden Kräfte in dem Prozess gewesen, der zu der Konvention geführt hat, die Produktion, Lagerung und Einsatz von Streumunition im sogenannten Oslo-Übereinkommen seit 2010 verbietet. "Von daher kann sie nicht anders handeln, kann sie heute auch nichts anderes sagen", sagt Kaim.
Glauben die USA, dass der Krieg in der Ukraine mit Streubomben schneller beendet werden kann? Eine Einschätzung von ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen aus Washington.
Ein zentrales Argument der westlichen Unterstützung für die Ukraine, der militärischen Unterstützung, sei zuletzt gewesen, dass man sich in einer Wertegemeinschaft mit den USA befinden würde, die den Westen und die Nato umfasst, sagt Kaim.
Dieses Argument sei nun etwas geschwächt, wenn die USA die Ukraine mit Waffen befähigt, "die mit deutschen politischen Ordnungsvorstellungen, auch völkerrechtlichen Ordnungsvorstellungen, nicht in Einklang zu bringen sind".
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