Rätsel um mögliche Sprengsätze am AKW Saporischschja

    Saporischschja-Fotos im Check:Rätsel um mögliche Sprengsätze am AKW

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Erneut wirft die Ukraine den Russen vor, das AKW Saporischschja zu verminen, Satellitenfotos zeigen mysteriöse weiße Punkte auf einem Dach. ZDFheute hat die Bilder analysiert.

    Atomkraftwerk Saporischschja
    Das Atomkraftwerk Saporischschja mit seinen sechs Blöcken aus der Luft - gut zu erkennen die zylinderförmigen Reaktorgebäude und rechts daneben die jeweiligen Turbinenhallen.
    Quelle: Imago

    Wie gefährlich ist die Lage am Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine? Der ukrainische Militärgeheimdienst hat Russland am Wochenende erneut vorgeworfen, Minen rund um das AKW gelegt zu haben. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Dienstagabend unter Berufung auf Geheimdienstinformationen gesagt, dass russische Soldaten auf Reaktordächern Objekte platziert hätten, "die Sprengstoff ähneln". Beweise legte die Ukraine nicht vor.
    Etliche internationale Medien berichteten zuletzt über mysteriöse, weiße Objekte auf dem Dach des Atomkraftwerks, die auf Satellitenbildern zu sehen sind, und spekulierten darüber, ob die Aufnahmen Sprengsätze zeigen. Die jüngsten Fotos wurden am 5. Juli von Planet Labs aufgenommen - einen Tag nach Selenskyjs Warnung.
    Satellitenfoto - Saporischschja - Atomkraftwerk
    Insgesamt fünf weiße Objekte (rechts vergrößert) sind auf diesem Foto vom 5. Juli auf dem Dach der Turbinenhalle von Block vier des AKW Saporischschja zu sehen.
    Quelle: ZDF / Planet Labs

    Keine Beweise für Sprengladungen

    ZDFheute hat etliche Satellitenfotos des Kraftwerks aus den vergangenen Tagen, Wochen und Jahren analysiert - Beweise für Sprengladungen sind die aktuellen Bilder nicht. Die weißen Objekte erscheinen auf dem Dach der Turbinenhalle von Reaktor vier. Je nach Tageszeit und Sonnenstand sind sie mal zu sehen, mal nicht - es könnte sich also auch um Lichtreflexionen von Metallteilen handeln.
    Dafür spricht: Je nach Sonnenstand gibt es weitere, stark reflektierende Objekte auch neben der Turbinenhalle, die deutlicher sichtbar sind, wenn auch die weißen Punkte auf dem Hallendach erscheinen - wenn also die Sonne in einem bestimmten Winkel auf die Anlage trifft.

    Weiße Objekte könnten optische Effekte sein

    Bei starker Vergrößerung der Aufnahme erkennt man, dass die Pixel des Fotos gesättigt erscheinen - als würde etwas leuchten. "Das deutet für mich darauf hin, dass diese 'Entdeckung' in erster Linie ein optischer Effekt der Sonne sein könnte, die genau im richtigen Winkel in den Satellitensensor reflektiert wird", schreibt der Wissenschaftsredakteur Geoff Brumfiel von der US-Radiokette NPR bei Twitter.
    Ähnliche Vermutungen äußerten auch Experten im Umfeld des Fotoanbieters Planet Labs, von dem die Bilder stammen. "Wenn mir jemand eine Quelle nennen kann, die darauf hinweist, dass russische Abbruchtrupps ihre Sprengstoffe in Aluminiumfolie einwickeln (mit der glänzenden Seite nach außen), bin ich bereit, diese gesamte Analyse noch einmal zu überdenken", schreibt Brumfiel.

    Weiße Punkte auch schon auf Wochen alten Satellitenfotos

    Dass es sich bei den entdeckten Punkten um die von Selenskyj erwähnten Sprengladungen handelt, erscheint auch aus weiteren Gründen unwahrscheinlich: Die Punkte befinden sich nicht am Reaktorgebäude selbst, sondern auf der Turbinenhalle. Am Reaktor konnte ZDFheute auf hochauflösenden Satellitenbildern zunächst keine Anzeichen von Sprengladungen erkennen.
    Dazu kommt: Die mysteriösen weißen Objekte oder Reflexionen erscheinen nicht erst seit wenigen Tagen, sondern mindestens schon seit Anfang Juni 2023 - es handelt sich also nicht um eine neue Entwicklung. Der Sender "Radio Svoboda" berichtet bei Telegram, dass sogar auf einem Foto von Ende April 2023 ähnliche weiße Punkte an unterschiedlichen Stellen auf dem Dach zu sehen sind.

    Expertin: IAEA muss endlich Zugang zur gesamten Anlage erhalten

    Bemerkenswert ist jedoch: Auf älteren Satellitenfotos der Turbinenhalle aus den vergangenen Jahren konnte ZDFheute bisher nichts dergleichen erkennen. Das legt den Schluss nahe, dass die russischen Besatzer etwas am Dach verändert haben könnten.
    Darya Dolzikova, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim britischen Thinktank Royal United Services Institute, sagte der Online-Zeitung "The Independent", es sei schwer zu beurteilen, was die Veränderungen zeigen. Aber: Die Bilder würden noch einmal unterstreichen, wie wichtig es ist, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Zugang zur gesamten Anlage zu gewähren.
    IAEA-Chef Rafael Mariano Grossi erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AP am Freitag, Experten der IAEA hätten zwar Zugang zu weiteren Teilen des AKW-Geländes erhalten und keine Minen gefunden. Aber: Die Dächer der Anlage konnten bisher nicht inspiziert werden, Russland hatte der IAEA bisher keinen Zugang gewährt. Grossi sagte, er dringe nach wie vor darauf.

    Angst vor Katastrophe
    :AKW Saporischschja: Wie groß ist die Gefahr?

    Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, die Lage am AKW in Saporischschja zu eskalieren. Wie groß ist die Gefahr einer Katastrophe wirklich?
    Atomkraftwerk Saporischschja am 15.03.2022
    FAQ

    Atomkatastrophe wie Tschernobyl droht nicht

    Dass Russland Reaktoren sprengen und damit eine Atomkatastrophe auslösen könnte, scheint aber eher unwahrscheinlich: Die Reaktorblöcke gleichen Bunkern - sie sind mehrfach mit dicken Wänden gesichert, eine Sprengung ist technisch nur schwer möglich.
    Dazu kommt: Das Atomkraftwerk ist mittlerweile abgeschaltet, was die Strahlenbelastung bei einem möglichen Anschlag erheblich senken und vermutlich regional begrenzen würde - eine Katastrophe wie Tschernobyl drohe nicht, wie Florian Gering vom Bundesamt für Strahlenschutz gegenüber dem ZDF erklärte.
    Selbst bei einem schweren Störfall in Saporischschja wäre hierzulande vermutlich nur die Nahrungsmittelproduktion betroffen, wenn denn der Wind radioaktive Stoffe nach Deutschland wehen würde, so Gering. Maßnahmen wie Evakuierungen wären in Deutschland "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit" nicht nötig.
    mit Material von AP
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