Wahl in Polen: Opposition gewinnt Mehrheit im Parlament

    Parlamentswahl in Polen:Trotz PiS-Sieg: Opposition gewinnt Mehrheit

    von Lukasz Galkowski, Warschau
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    Polen hat gewählt: Dem amtlichen Endergebnis zufolge verliert die regierende PiS-Partei die Mehrheit. Die Opposition könnte rechnerisch gesehen regieren, es bleiben aber Hürden.

    Endergebnis der Wahl in Polen
    Laut dem amtlichen Endergebnis verfehlt die bisherige nationalkonservative Regierungspartei PiS die absolute Mehrheit. Nun will das Bündnis aus drei Oppositionsparteien eine neue Regierung bilden.17.10.2023 | 1:31 min
    Das amtliche Erdergebnis der Parlamentswahl in Polen liegt vor: Die nationalkonservative PiS hat nach Auszählung aller Stimmen gewonnen. Die Regierungspartei kam auf 35,38 Prozent, Zweite wurde die liberalkonservative Bürgerkoalition KO mit 30,7 Prozent. Demnach verliert die PiS-Partei aber die absolute Mehrheit im Parlament. Auch zusammen mit der ultrarechten Konfederacja, die auf 7,16 Prozent kommt, reicht es für die PiS nicht für eine Mehrheit.
    Damit lagen die ersten Prognosen ziemlich nah an dem Endergebnis. Die genaue Sitzverteilung veröffentlichte der Wahlleiter zunächst nicht.
    Rechnerisch liegt die Opposition mit einem Bündnis von KO, Dritter Weg und Lewica vorne und könnte die PiS ablösen. Sie kommt zusammen auf 249 Sitze, für eine absolute Mehrheit sind 230 Stimmen nötig.
    Die Wahlbeteiligung liegt Prognosen zufolge bei 74,38 Prozent und ist somit deutlich höher als bei den Wahlen 2019 (61,74 Prozent).
    Steger zu Wahl in Polen: "Wechsel möglich"
    ZDF-Korrespondentin Natalie Steger mit einer Einschätzung am Tag nach der Wahl.16.10.2023 | 2:52 min

    So sind die Wahlen ausgegangen:

    • PiS: 35,4 % (-8,2 %)
    • KO: 30,7 % (+3,3 %)
    • Dritter Weg: 14,4 % (neu)
    • Lewica: 8,6 % (-4 %)
    • Konfederacja: 7,2 % (+0,4 %)
    Daraus resultiert folgende Sitzverteilung in dem 460 Sitze umfassenden Sejm:
    • PiS: 194 (-41)
    • KO: 157 (+23)
    • Dritter Weg: 65 (neu)
    • Lewica: 26 (-23)
    • Konfederacja: 18 (+7)
    Eine Besonderheit dabei: Erstmals seit 1989 wird die Deutsche Minderheit keinen Abgeordneten stellen. Für sie gilt zwar nicht die 5-Prozent-Hürde, jedoch kam der Kandidat in seinem Wahlberzirk in Oppeln diesmal nicht auf die erforderliche Stimmenanzahl, um einen Sitz im Sejm zu bekommen. Damit scheidet Ryszard Galla nach 18 Jahren bzw. fünf Amtszeiten aus dem Parlament aus.






    Was sagt die Opposition?

    Die Opposition um Ex-Premier Donald Tusk (KO) feiert das Ergebnis als ihren Erfolg:

    Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie (die PiS) entmachtet.

    Donald Tusk, KO

    Und weiter: "Wir werden bald eine Regierung bauen, Polen hat gewonnen, ihr habt gewonnen, Polen und Polinnen haben gewonnen." Er sei heute "der glücklichste Mensch auf Erden".
    Włodzimierz Czarzasty von der Linken jubelte: "Eins ist sicher: Wir werden mitregieren." An einer Koalition wäre auch das Bündnis "Dritter Weg" beteiligt. Einer seiner Anführer, Szymon Hołownia, sagte: "Es deutet einiges darauf hin, dass der Dritte Weg der Demokratieanker in Polen für die nächsten Jahre sein wird." Eine Zusammenarbeit mit der PiS schloss er aus.

    Was sagt die Regierungsseite?

    "Wir haben die ersten Ergebnisse von Umfragen - die geben uns den vierten Sieg in der Geschichte unserer Partei. Das ist ein echter Erfolg", sagte PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński, räumte aber auch die Möglichkeit ein, dass man nicht weiter regieren werde. Man müsse die Hoffnung haben, "egal, ob wir an der Macht oder in der Opposition sind", das Projekt seines Lagers weiter umzusetzen.
    Jaroslaw Kaczynski nach den ersten Wahlergebnissen in Warschau.
    Gewonnen, aber nicht hoch genug: PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński kann mit dem Wahlergebnis nicht ganz glücklich sein.
    Quelle: AFP

    Regierungschef Mateusz Morawiecki verbreitete wiederum über die Sozialen Netzwerke puren Optimismus: "Wir haben gewonnen! Recht und Gerechtigkeit ist der Sieger der Parlamentswahl 2023! Danke! Es lebe Polen!", postete er auf einem Facebook-Profil.
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    Auch in Deutschland bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen.16.10.2023 | 1:56 min

    Wie geht es jetzt weiter?

    Jetzt ist Staatspräsident Andrzej Duda am Zuge. Er beauftragt den Wahlsieger mit der Bildung einer Regierung: In der Regel ist das die stärkste Partei, es bleibt aber unklar, ob das auch diesmal der Fall sein wird, da die PiS rechnerisch keine Chancen auf eine Regierungsmehrheit hat. Duda, regierungsnah und ehemals selbst PiS-Mitglied, könnte einen Versuch wagen.

    Wird es einen Machtwechsel geben?

    "Ein Machtwechsel ist möglich, sogar wahrscheinlich, aber nicht garantiert", sagt ZDF-Korrespondentin Natalie Steger aus Warschau. Falls Duda Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt, müsse dieser "verzweifelt versuchen, Abgeordnete aus der Opposition zu sich rüberzuziehen". Bei dieser Anzahl an nötigen Stimmen sei das aber "ein sehr dickes Brett".
    Schafft er das nicht, wird das Parlament vermutlich Donald Tusk mit der Regierungsbildung beauftragen, erklärt Steger. Da die KO, Dritter Weg und die Lewica nach der Verkündung der ersten Prognose den Willen zur Zusammenarbeit bekräftigt haben, dürfte die Vertrauensfrage für Tusk positiv ausfallen.
    Steger schließt aber eine weitere Option nicht aus: "Die PiS könnte tatsächlich versuchen, diesen Wahlen die Gültigkeit juristisch anzufechten."

    Was bedeutet das Wahlergebnis für EU und Deutschland?

    Die Regierungspartei PiS setzte im Wahlkampf auf viel antideutsche und Anti-EU-Rhetorik, warnte vor den Folgen der Brüsseler Migrationspolitik und schmähte Oppositionsführer Donald Tusk als Handlanger Deutschlands. Auch wenn die Intensität und Aggressivität dieser Rhetorik nach den Wahlen ein wenig nachlassen dürfte, wäre weiterer Streit bei einer Fortsetzung der Regierungsarbeit durch die PiS programmiert: mit der EU um die Asylpolitik und den Justizumbau in Polen, mit Deutschland könnte das Thema Reparationen immer wieder hochkochen.
    Donald Tusk würden EU und Deutschland sicherlich als willkommenen Partner begrüßen. "Das hätte beide Verhältnisse schlagartig verbessert, denn das Verhältnis zu Deutschland, das deutsch-polnische, das ist wirklich nach diesen acht Jahren PiS so schlecht wie noch nie", sagt ZDF-Korrespondentin Natalie Steger. "Und auch in Brüssel dürfte man aufgeatmet haben." Als ehemaliger EU-Ratspräsident und EVP-Chef ist Tusk in Brüssel bestens bekannt.
    Bei der Migrationspolitik dürfte sich Stegers Einschätzung zufolge aber nicht viel ändern: Tusk habe gesagt, er sei "gegen eine Zwangsumverteilung von Flüchtlingen". Eines sei aber klar: "Er wäre der kompromissbereitere, verlässlichere und der deutlich einfachere Verhandlungspartner für Brüssel."

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