Long Covid: Lauterbach will 60 Millionen Euro Nachschlag
Runder Tisch zu Long Covid:Lauterbach will 60 Millionen Euro Nachschlag
von Kristina Hofmann
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"Alibi-Veranstaltung", sagt Patientenschützer Brysch. Zu wenig kam für Long-Covid-Erkrankte am Runden Tisch heraus. Minister Lauterbach kündigt Medikamente an - und will mehr Geld.
Drei Stunden haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung, Betroffene, Vertreter von Kassen und der Pharmaindustrie bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesessen. Dieser so genannte Runde Tisch tagte zum ersten Mal und sollte Verbesserung für die Versorgung von Long-Covid-Erkrankte erreichen.
Wichtigstes Ergebnis: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte will noch dieses Jahr eine Liste von Medikamenten erstellen, die speziell zwar nicht für Long-Covid-Patienten entwickelt wurden, die aber bei der Bekämpfung der Symptome helfen.
Das gibt der Ärzteschaft Rechtssicherheit, und die Kassen müssen die Medikamente zahlen, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach:
Brysch fordert Fonds mit einer Milliarde Euro
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, hätte sich jedoch noch viel weitergehende Verbesserungen erhofft. Er hält Lauterbachs Runden Tisch für eine "Alibi-Veranstaltung". Es brauche, so Brysch im ZDF, konkrete Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, da die Folgen einer Long-Covid-Erkrankung aus den laufenden Kosten nicht zu finanzieren sei. Brysch sagt:
Brysch fordert einen Long-Covid-Fonds mit einer Milliarden Euro, um die Folgen abzufedern. "Man muss den Erkrankten, die seit zwei, drei Jahren leiden, auch denen mit Impfschäden, helfen", so Brysch.
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Lauterbach will mehr Geld für Forschung
Für Minister Lauterbach war jedoch schon der "Austausch der Erkenntnisse" sehr wichtig. Long Covid sei "eine schwere organische Erkrankung", keine psychische, wie man lange gedacht habe. Vor allem jüngere Frauen seien betroffen.
Nach Informationen des Robert-Koch-Institutes leiden sechs bis 15 Prozent der Infizierten an Long-Covid-Symptomen. Ähnliche Symptome seien durch Impfschäden entstanden. Eine spezielle Therapie oder Medikamente gibt es derzeit nicht.
Bereits im Juli hatte Lauterbach in seinem Maßnahmenpaket bekanntgegeben, dass 40 Millionen Euro in die Long-Covid-Forschung investiert werden soll. Eigentlich hatte Lauterbach 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen wollen, was ihm in den laufenden Haushaltsverhandlungen aber nicht genehmigt wurde. Er selbst sagt: 40 Millionen Euro sind "zu wenig".
Der Begriff Long Covid umfasst gesundheitliche Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion, die auch nach mehr als vier Wochen noch nicht verschwinden oder sogar neu auftreten - und für die es auch keine andere Erklärung als Corona gibt. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gehört zu Long Covid auch das sogenannte Post-Covid-Syndrom: Beschwerden, die noch nach drei Monaten bestehen und mindestens zwei Monate lang anhalten oder wiederkehren.
Ein einheitliches Krankheitsbild gibt es bislang nicht. Zu den typischen Langzeitfolgen gehören ein starkes, anhaltendes Schwächegefühl, die sogenannte "Fatigue", aber auch Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen Husten oder Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Viele Patientinnen und Patienten leiden Monate lang. Eine Studie aus China ergab, dass die Hälfte der Menschen, die wegen Corona in einem Krankenhaus behandelt worden waren, selbst nach zwei Jahren noch Beschwerden haben.
Grundsätzlich kann es jeden treffen, der sich mit dem Coronavirus infiziert. Dabei gilt nach bisherigen Erkenntnissen: Je schwerer die Corona-Erkrankung verläuft und je häufiger man sich infiziert, desto höher ist das Risiko für Long Covid. Doch auch bei einem leichten oder sogar symptomlosen Verlauf sind Langzeitfolgen möglich. Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein als Männer und auch Menschen mit Vorerkrankungen haben offenbar ein erhöhtes Risiko. Die meisten Betroffenen sind im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter.
Dazu gibt es noch keine genauen Daten. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) schätzen die bisher vorliegenden Studien, dass zwischen 6 und 15 Prozent der Patientinnen und Patienten nach einer Corona-Infektion betroffen sind.
Die Beschwerden scheinen in der Regel mit der Zeit weniger zu werden. Doch manche Symptome können auch über sehr lange Zeit bleiben: Betroffen, die nach einer Infektion beispielsweise an krankhafter Erschöpfung leiden, sind oft selbst nach 20 Monaten noch stark beeinträchtigt, zeigt eine aktuelle Studie der Charité in Berlin.
Der beste Schutz vor Long Covid ist die Vermeidung von Ansteckungen mit dem Coronavirus. Gegen die Krankheit an sich gibt es keine Behandlungen, es wird nur versucht, die Symptome zu lindern. Dazu werden häufig entzündungshemmende Medikamente wie Cortison eingesetzt.
Derzeit gebe es zu Corona "viele Hypothesen", so Lauterbach. Weltweit stünden die Forschung "in den Startlöchern", die sofort loslegen könnten. Lauterbach will, auch parteiübergreifend, nun dafür werben, dass noch 60 Millionen Euro in den laufenden Haushaltsverhandlungen im Bundestag irgendwoher für die Forschung verschoben werden.
Angepasste Corona-Impfstoffe ab Montag in den Praxen
Lauterbach geht davon aus, dass die Long-Covid-Erkrankungen zunehmen werden, da sich weiter Menschen infizieren werden. Für den kommenden Corona-Herbst sei man aber gut vorbereitet.
Ab kommenden Montag seien die auf die neuen Varianten "gut angepassten Impfstoffe" in den Praxen. Es gebe eine gute Immunität in der Bevölkerung, durch das Pandemieradar sei man gut vorbereitet.
Lauterbach betonte aber, eine Impfung schütze nicht vor Ansteckung oder einer Long-Covid-Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit sei aber "erheblich geringer, ist aber nicht weg".
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