So hart kann Long Covid Menschen treffen

    Runder Tisch mit Lauterbach:So hart kann Long Covid Menschen treffen

    von Jan Schneider und Oliver Klein
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    Gesundheitsminister Lauterbach hat in Berlin zum Runden Tisch geladen, um über Long Covid zu sprechen. Was ist bisher über die Krankheit bekannt? Wie geht es Betroffenen?

    Eine Frau sitzt auf einem Bett in einem dunklen Raum
    Quelle: Getty Images/ Alvaro Medina Jurado

    Die Corona-Pandemie ist beendet. Es kommt zwar aktuell wieder zu mehr Ansteckungen, eine große Infektionswelle erwarten Expertinnen und Experten jedoch auch im kommenden Winter nicht. Doch vielen Menschen machen bereits länger zurückliegende Infektionen mit dem Coronavirus noch immer stark zu schaffen.
    Eine von ihnen ist Daniela P. (Name von der Redaktion geändert). Sie hatte sich im Februar 2022 zum ersten Mal mit Corona infiziert. Der Verlauf war etwa wie der einer sehr schweren Erkältung, mit etwas Brustschmerzen und anhaltender Müdigkeit für drei Wochen. Im Sommer kämpfte sie mit großen Konzentrationsproblemen und unnormaler Erschöpfung, ging aber trotzdem weiter regulär arbeiten.

    Aber da habe ich schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt.

    Daniela P.

    Genau ein Jahr später, im Februar 2023, dann die zweite Infektion: Diesmal erst Halsschmerzen, dann sieben Tage Fieber, aber nicht sehr hoch. Nach etwa drei Wochen hat sie erneut Brustkorbschmerzen und Husten. Auch Kreislaufprobleme und Herzstolpern kommen hinzu. Sie versucht anfangs noch zu arbeiten, doch die extreme Müdigkeit und Schwere lassen es nicht zu.
    Um Betroffenen zu helfen, hat Gesundheitsminister Lauterbach zu einem Runden Tisch geladen:

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat unter anderem Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft und dem Gesundheitswesen zu einem Runden Tisch zur Long-Covid-Versorgung eingeladen. Dabei soll es darum gehen, Experten und Betroffene zusammenzubringen und Ideen für bessere Angebote zu entwickeln. Noch gibt es wenig Anlaufstellen, Wartezeiten sind lang. Lauterbach hatte bereits ein Programm vorgestellt, das unter anderem ein Informationsportal und 40 Millionen Euro als Forschungsförderung vorsieht.

    Diagnose: Post-Covid-Syndrom

    Mittlerweile hat Daniela P. eine Diagnose: Post-Covid-Syndrom. Dazu gehören die postinfektiöse Fatigue, Zustandsverschlechterung nach Belastung (auch "Post-exertional-malaise" (PEM) genannt), Neurokognitive Beschwerden, wie der sogenannte "brain fog" und eine Immundysregulation. Was genau zu den Symptomen führt, ist aber auch mehr als ein Jahr nach dem Auftreten nicht klar. Es könnte auch sein, dass schon die erste Infektion die Schilddrüse angegriffen hat und zu einer Hashimoto-Thyreoiditis geführt hat, das ist bisher aber reine Spekulation.







    Inzwischen ist Daniela P. dauerhaft krankgeschrieben. An Arbeit ist nicht zu denken.

    Mein Alltag dreht sich nur noch darum zu planen, was mein Körper schafft und was nicht - wer mich zum Arzt fahren kann, wer für mich einkaufen, kochen, putzen oder andere Erledigungen machen kann.

    Daniela P.

    Schon alltägliche Dinge, wie die Spülmaschine auszuräumen oder die Bettwäsche zu wechseln, seien enorme Herausforderungen. Sie sei nur symptomfrei, wenn sie tagelang im Bett liege und nichts tue.

    Ich kann Dinge tun und muss mich auch um bürokratische Dinge wie Krankengeld kümmern, aber da muss ich immer sorgfältig abwägen was, wann, wie und wieviel.

    Daniela P.

    Allgemein sei ihr Zustand sehr schwankend und von Woche zu Woche, von Tag zu Tag anders. Es gebe Tage, da komme sie morgens nicht aus dem Bett und schlafe nach dem Frühstück wieder drei Stunden, obwohl sie in der Nacht schon neun Stunden geschlafen hat. Inzwischen hat sie einen Rollstuhl, um vor die Tür zu kommen "und mal mehr als 40 Meter ohne Symptomverschlechterung zurückzulegen."

    Nach der Diagnose kommt die Odyssee

    Bis zu dieser Diagnose war es ein langer Weg. Daniela P. wurde mehrfach von ihrer Hausärztin weggeschickt und nur oberflächlich untersucht.
    Länger als sechs Wochen wollte die Hausärztin sie auf keinen Fall krankschreiben. Was folgte war eine Odyssee, die den Rahmen dieses Textes sprengen würde. 16 Wochen nach der Infektion und nach diversen vergeblichen Arztbesuchen erhielt Daniela P. einen Platz in einer Post-Covid-Ambulanz und wurde dort endlich gründlich untersucht.
    Die weitere Behandlungsgeschichte ist sehr individuell, zeigt aber die systemischen Hürden, vor denen Menschen mit Long beziehungsweise Post Covid stehen. Diese systemischen Hürden sieht auch der Arzt Thomas Maibaum. Er hat als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin an der S1-Leitlinien zu Long Covid mitgearbeitet. Für ihn haben gerade Hausärzte und Hausärztinnen viel zu wenig Zeit, um auf die komplexen Symptome ihrer Patienten adäquat einzugehen.

    Die Behandlung von Long Covid braucht viel Zeit. Diese Zeit finde ich im Praxisalltag aber nicht. Das schaffe ich nicht, weder zeitlich, noch finanziell. 

    Thomas Maibaum

    Maibaum plädiert dafür, mehr Zeit für die Behandlung von Long Covid in den Praxen zu ermöglichen. Nur so könnten sich die oft schwerkranken Patienten wahrgenommen und auch gut behandelt fühlen. 

    Fehlende Anerkennung der Krankheit

    Daniela P. hat sich mittlerweile auch mit anderen Betroffenen vernetzt. Mit Ihren Problemen ist sie nicht allein: Viele berichten davon, dass sie nicht ernst genommen werden. Sehr viele bekommen gar keine oder zuerst eine falsche Diagnose. Patienten, die schwerer und länger betroffen sind, müssen etwa um Pflegestufen und Erwerbsminderungsrente kämpfen.

    Ich persönlich habe leider die Erfahrung gemacht, dass Long-/Post-Covid sogar in vielen Arztpraxen nicht ernst genommen wird. Die Ärztinnen und Ärzte wissen außerdem entweder nicht, was sie tun sollen, sind hoffnungslos überlaufen - oder beides.

    Daniela P.