CDU-Politiker bei "Lanz":Frei: Asylrecht "total unbefriedigend"
von Felix Rappsilber
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CDU-Politiker Thorsten Frei hat seine umstrittene Forderung bekräftigt, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen. Das Asylrecht sei für alle Beteiligten "total unbefriedigend".
Debatte mit CDU-Politiker Thorsten Frei und weiteren Gästen bei "Lanz": Über die Haltung der CDU zur Asylpolitik, den Führungsstil von Parteichef Friedrich Merz und über die Flüchtlingssituation in Europa. 07.09.2023 | 75:36 min
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, hat bei Markus Lanz die deutsche Migrationspolitik scharf kritisiert. Das Signal, das ausgesendet werde, beschrieb der CDU-Politiker so:
Kürzlich hatte Thorsten Frei die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl gefordert. Der Ampel-Koalition unterstellte er bei "Lanz", dass sie in den vergangenen Monaten "Weiteres unternommen" habe, damit abgelehnte Asylbewerber in Deutschland blieben. Seit Dezember letzten Jahres ermögliche das Chancenaufenthaltsgesetz den Spurwechsel "selbst für diejenigen, die ihre Identität nicht offenbart haben".
Frei kritisiert "Selektion" bei Asyl
Der Status Quo sei jedoch "total unbefriedigend" für alle Beteiligten: Zum einen gebe es die Aufnahmegesellschaften in Europa, "die überfordert sind über ganz weite Strecken hinweg", Staaten, "die die Kontrolle über das Migrationsgeschehen vollkommen verloren haben" und auf der anderen Seite "tun wir so, als hätten wir ein höchst humanes Migrationsrecht, haben wir aber nicht".
Statt eine schutzbedürftige syrische Familie mit einem Ticket für 200 Euro pro Person von Beirut nach Berlin zu fliegen, verlange man von ihr, dass sie Asyl auf europäischem Grund beantrage.
Das bedeute, "dass sie sich auf diesen gefährlichen Weg nach Europa machen, dass sie sich kriminellen Schleppern anvertrauen, dass sie dafür nicht 200 Euro, sondern 10.000 Euro aufwenden": "Damit machen wir eine Selektion. Zu uns kommen nicht die, die am schutzbedürftigsten sind. Zu uns kommen die, die jung, kräftig, gesund und auch leistungsfähig genug sind, diese kriminellen Schlepper zu bezahlen." Das sei ein äußerst unbefriedigender Zustand.
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Asylanträge: Frei für Begrenzung in der EU
Frei bekräftigte seine Forderung nach der Abschaffung des Individualrechts auf Asyl: "Ich adressiere nicht Deutschland mit meinem Vorschlag und zwar einfach, weil das im Bereich des Migrationsrechts keine Relevanz hätte."
Der Artikel 16a des Grundgesetzes, demzufolge politisch Verfolgte in Deutschland Asylrecht genießen, sei "relevant für 0,8 Prozent der Schutzsuchenden". Daher müsse man die europäische Asylverfahrensrechtslinie ändern, über die ohnehin seit acht Jahren diskutiert werde - für eine "gemeinsame europäische Lösung", sodass "wir kein Minus an humanitärer Aufnahme haben".
Der CDU-Politiker schlug vor, in Europa zwischen 300.000 und 400.000 Menschen pro Jahr aufzunehmen - "das, was Europa in den letzten zehn Jahren jahresdurchschnittlich aufgenommen hat". Im ersten Halbjahr 2023 wurden über 519.000 Asylanträge in der EU gestellt. Konfrontiert damit prognostizierte Frei für dieses Jahr 350.000 Asylanträge in Deutschland, eine "gewaltige Zahl".
CDU-Politiker: "Belastungsgefühl" in der Gesellschaft
Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger kritisierte, dass man sich in Europa lediglich auf die europäische Belastung fokussiere:
Sie wandte sich an Thorsten Frei: "Europa sagt 'Kein Asylrecht mehr' - was würde das denn bedeuten für den globalen Süden? Die sollen dann weiterhin für Aufnahme sorgen und wir selber putzen uns ab?"
Frei erwiderte: "Wir haben eine Situation, wo der Deutsche Städtetag sagt: 'Bei uns fehlen 700.000 Wohnungen. Bei uns fehlen 400.000 Kitaplätze. 25.000 Lehrerstellen sind nicht besetzt.'" Im ländlichen Raum sei die "Versorgung mit niedergelassenen Ärzten schwierig": "Eine Situation, wo wir eine Infrastruktur hätten, die beliebig anpassbar wäre, haben wir definitiv nicht." Das führe zu einem "Belastungsgefühl" in der Gesellschaft, in den Städten und Gemeinden.
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