Bundeshaushalt 2024: Lindners umstrittene Finanzpläne

    Bundeshaushalt 2024:Christian Lindners umstrittene Finanzpläne

    von Daniel Pontzen, Thomas Reichart und Lars Bohnsack
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    Finanzminister Lindner bringt heute den Haushaltsentwurf 2024 in den Bundestag ein. Der Entwurf ist umstritten. Die Kritik daran kommt nicht nur von der Opposition.

    Normalerweise sehen sich Finanzminister einem der folgenden beiden Vorwürfe ausgesetzt: zu viel auszugeben - oder zu wenig.
    Christian Lindner (FDP) steckt in der gerade begonnenen Haushaltswoche in dem paradox anmutenden Dilemma, sich gegen beide Vorwürfe gleichzeitig verteidigen zu müssen - woran er allerdings nicht ganz unschuldig ist.
    Denn dem Vorwurf, als Sparkommissar die Entwicklung des Landes zu bremsen, hat er dadurch Vorschub geleistet, dass er sich in den vergangenen Monaten stets als strenger Wahrer der Haushaltsdisziplin gerierte.

    Bundesrechnungshof: Sondervermögen sind Sonderschulden

    Zugleich aber wuchs die tatsächliche Schuldenlast des Bundes unter seiner Ägide stetig an - durch das Umtopfen diverser Ausgaben in sogenannte Sondervermögen, die man ehrlicher als Sonderschulden bezeichnen könnte, wie jüngst der Bundesrechnungshof monierte.
    So liege die wahre Schuldenlast nach Berechnungen der Bonner Behörde nicht bei den von der Bundesregierung angegebenen 16,6 Milliarden Euro - was gerade eben noch der Einhaltung der Schuldenbremse entspricht - sondern - wenn man eben die diversen Neben- oder Schattenhaushalte einbezieht - beim mehr als Fünffachen, nämlich: 85,7 Milliarden Euro.
    Anteile der einzelnen Posten am Bundeshaushalt 2024

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    Lässt man nun diese Nebentöpfe außer Acht und schaut lediglich auf den sogenannten "Kernhaushalt", bleiben nächstes Jahr immer noch Ausgaben in Höhe von 445,7 Milliarden Euro. Das sind rund 30 Milliarden Euro weniger als dieses Jahr - aber, zum Vergleich: rund 90 Milliarden Euro mehr als 2019, dem letzten Vor-Corona-Jahr.
    Nachfolgend drei Beispiel-Etatentwürfe:

    Verteidigungsministerium bekommt mehr Geld

    Der Verteidigungshaushalt sollte eigentlich ein Zeitenwende-Haushalt werden. Zehn Milliarden Euro mehr wollte Minister Boris Pistorius (SPD) für die Bundeswehr. Tatsächlich bekommt das Verteidigungsministerium mehr - anders als die anderen Ministerien.
    Jubel wird deshalb im Bendlerblock aber eher nicht ausbrechen. Denn das Plus sind nicht zehn, sondern nur rund 1,7 Milliarden. Insgesamt beläuft sich der Verteidigungshaushalt damit auf 51,8 Milliarden Euro. Aus dem 100 Milliarden Sondervermögen kommen im nächsten Jahr weitere rund 19 Milliarden Euro hinzu.

    Etat für Zwei-Prozent-Ziel der Nato wohl nicht genug

    Reicht das um die Bundeswehr zu modernisieren und wie versprochen das Ziel der Nato zu erreichen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung zu investieren? Nein, sagen etwa Experten des Münchner ifo Instituts.
    Gemeinsam mit dem Sondervermögen komme der Verteidigungshaushalt nur auf 1,7 Prozent des BIP. Es fehlten also 14 Milliarden Euro. Ausgaben anderer Ministerien werden deshalb vermutlich mit hineingerechnet, um das Zwei-Prozent Ziel formal zu erreichen.
    Hinzu kommt, dass auch die Personalkosten für die Bundeswehr durch höhere Tarifabschlüsse gestiegen sind. Für die Zeitenwende bleibt also weniger übrig als ursprünglich gedacht.

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    FAQ

    Größter Einzelhaushalt: Arbeit und Soziales

    Den mit Abstand größten Einzelhaushalt führt Hubertus Heil (SPD). 171,7 Milliarden Euro darf der Bundesarbeitsminister nächstes Jahr ausgeben. Das ist zwar viel, bietet allerdings wenig Gestaltungsspielraum.
    Allein die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung kommen auf knapp 112 Milliarden Euro, dazu kommt die Grundsicherung im Alter, die Erwerbsminderungs- und die Mütterrente. Macht 127 Milliarden nur für Rentenleistungen.
    Der zweite große Ausgabenblock umfasst die staatlichen Ausgaben für das sogenannte Soziale Gesetzbuch II. Das sind das Bürgergeld (früher Hartz IV), Unterkunftszahlungen, soziale Teilhabe, Kinder- und Jugendhilfe. Gesamtsumme hier: 43,6 Milliarden Euro.
    Die restlichen Milliarden gehen drauf für die Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen, soziale Entschädigungen, Künstlersozialkasse, Fachkräftesicherung und weiterem. Ein riesiger Haushalt also, größere Umschichtungen sind dennoch kaum möglich.

    Lauterbach muss am meisten sparen

    Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) muss die größten Einsparungen im Vergleich zum Vorjahr erbringen - prozentual betrachtet: Sein Etat sinkt um mehr als ein Drittel.
    Nicht, weil Gesundheit plötzlich radikal an Bedeutung verloren hätte für die Ampel. Die Kürzung ist dem Ende der Pandemie-Bekämpfung geschuldet, die den Gesundheitsetat stark vergrößert hatte.
    So betrug der Einzelplan dieses Jahr noch knapp 24,5 Milliarden Euro, im kommenden Jahr schmilzt er auf 16,2 Milliarden Euro.

    Krankenkassenzuschuss größter Posten im Gesundheitsministerium

    Den Ausgabenschwerpunkt bildet der Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen - in Höhe von 14,5 Milliarden Euro. Eigentlich hatte dieser Betrag jährlich steigen sollen, so die Vereinbarung im Koalitionsvertrag: "Den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren wir regelhaft", heißt es dort.
    Mit Verweis auf die Schuldenbremse wurde jedoch darauf verzichtet: Der Betrag fürs nächste Jahr entspricht dem von diesem und letztem Jahr. Da die Gesundheitskosten allerdings weiter wachsen - in Deutschland zahlen die Kassen für weitaus mehr Leistungen als in vielen anderen Ländern - muss das ganze über eine erneute Erhöhung der Beiträge kompensiert werden. Die hat Lauterbach jüngst bereits angekündigt.

    Schlagabtausch zwischen Merz und Scholz erwartet

    Das also ist die Ausgangslage dieser Haushaltswoche. Als deren Höhepunkt gilt stets die Generaldebatte, in der es traditionell auch zum Schlagabtausch von Oppositionsführer und Kanzler kommt, aktuell also zwischen Friedrich Merz (CDU) und Olaf Scholz (SPD). Darüber hinaus debattieren die Fachpolitiker zu den Einzeletats der einzelnen Ministerien.
    Dieser ersten Runde im Bundestag folgt dann Ende des Monats der ebenfalls erste Durchgang im Bundesrat. Die Beratungen im Haushaltsausschuss des Bundestages wiederum erstrecken sich bis zur Bereinigungssitzung, in der die bis dahin offen gebliebenen Punkte final diskutiert werden und über sie abgestimmt wird - dieses Jahr ist das für den 16. November geplant.
    Kurz darauf folgt die 2. und 3. Lesung im Bundestag, ehe am 15. Dezember, also gerade rechtzeitig vor den Weihnachtsferien, der letzte Durchgang im Bundesrat ansteht.

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