Großbritannien: Sunak wegen Braverman-Aussagen unter Druck

    Braverman-Aussagen zu Gaza-Demos:London: Sunak wegen Ministerin unter Druck

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    Großbritanniens Innenministerin Braverman sorgt für Aufsehen mit Aussagen zum Umgang der britischen Polizei mit propalästinensischen Protesten. Premier Sunak gerät unter Druck.

    Demonstranten versammeln sich am 04.11.2023 in London auf dem Trafalgar Square.
    Auch in London finden zuletzt propalästinensische Proteste statt.
    Quelle: picture alliance / NurPhoto

    Die britische Innenministerin Suella Braverman hat mit Aussagen zu propalästinensischen Protesten für Aufregung gesorgt - und könnte sich damit als mögliche Nachfolgerin von Premierminister Rishi Sunak in Stellung bringen. Die konservative Hardlinerin warf der Londoner Polizei - für die sie selbst verantwortlich ist - vor, auf dem linken Auge blind zu sein und Rechtsbrüche bei "Hassmärschen" gegen die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu dulden.
    Sunak geriet unter massiven Druck, die 43-Jährige zu feuern, die seit Tagen mit rechtspopulistischen Aussagen die Schlagzeilen im Land bestimmt.
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    Sunak: "Volles Vertrauen" in Innenministerin Braverman

    Ob der Premier den Eindruck habe, dass Braverman seine Autorität noch respektiert, musste sich Sunaks Sprecher fragen lassen. "Ja", sagte der. Und Downing Street betonte, der Regierungschef habe "volles Vertrauen" in seine Parteifreundin.
    Doch genau das könnte den Premier schwächen. Selbst viele Tories haben den Eindruck, dass Braverman mit Absicht auf Konfrontation setze. "Sie ist auf einer Mission, dass sie entlassen werden will", zitierte der Sender Sky News einen Abgeordneten.

    BBC-Chefreporter: Braverman hat bei Tories die "Lizenz, das Unsagbare zu sagen"

    Einige Beobachter glauben, dass Braverman spätestens nach der nächsten Wahl, die vermutlich 2024 stattfindet und Stand jetzt von den Tories krachend verloren werden dürfte, die Parteiführung beanspruchen wird. Würde sie nun von Sunak gefeuert, werde ihr Name dann nicht mit einer Wahlpleite in Verbindung gebracht, heißt es in London.
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    Schon seit langem inszeniert sich Braverman als lautstärkste Vertreterin des rechten Parteiflügels. Die Ministerin habe die "Lizenz, das Unsagbare zu sagen", kommentierte BBC-Chefreporter Chris Mason. Sie dürfe Ansichten äußern, die sich Kollegen nicht mal trauen würden, im Privaten zu sagen.

    Woher wir wissen, dass sie die Lizenz hat? Wenn sie sie nicht hätte, würde sie gefeuert werden.

    Chris Mason, BBC-Chefreporter

    Braverman sorgt mit "Lifestyle"-Aussage über Obdachlose für Empörung

    Wiederholt keilte Braverman gegen irreguläre Migranten, sprach von einer "Invasion" und zuletzt von einem "Hurrikan". Sie schimpfte über Homosexuelle und über "Öko-Eiferer". Vor wenigen Tagen wollte die Ministerin Wohltätigkeitsorganisationen die Weitergabe von Zelten an Obdachlose verbieten, die das Leben auf der Straße als "Lifestyle" gewählt hätten. Da war die Aufregung innerhalb der Partei schon groß.
    Die Oppositionspartei Labour, die in allen Umfragen haushoch führt, nannte Braverman nun "außer Kontrolle". Dass Sunak sie gewähren lasse, beweise seine Schwäche. Vom rechten Flügel hingegen erhielt die Ministerin Zuspruch. Braverman sei authentisch, das würden die Leute wollen, sagte Ex-Brexit-Minister David Frost.

    Sunak will Vorgang um Bravermans Polizei-Kritik prüfen lassen

    Eigentlich wollte Sunak die Skandale seiner Vorgänger Boris Johnson und Liz Truss hinter sich lassen und mit Kompetenz, Integrität und Stabilität punkten. Dieses Ziel hat er offensichtlich verfehlt, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Nur 25 Prozent halten seine Regierung für integer, nur etwas weniger für kompetent und effektiv. Bei Sunaks Amtsantritt vor gut einem Jahr waren alle Werte deutlich höher.
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    Dass Sunak Braverman damals installiert hatte, war bereits scharf kritisiert worden. Denn sie war erst wenige Tage vorher vom selben Posten zurückgetreten, weil sie ein offizielles Dokument von ihrer persönlichen E-Mail-Adresse weitergeleitet hatte. Als Vertreterin des rechten Flügels war sie für Sunak aber offensichtlich zu wichtig.
    Ein Schlupfloch hat sich der Premier aber doch offen gelassen. Sein Sprecher bestätigte, dass der gegen die Polizei gerichtete Gastbeitrag Bravermans in der "Times" nicht von der Regierung abgesegnet worden war. Man werde den Vorgang untersuchen, betonte er. "Wir werden ein Update liefern, falls es angemessen ist." Aber einen Zeitplan gebe es nicht.
    Quelle: dpa

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