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Gesundheitskioske:Mehr Schnellschuss denn durchdachte Lösung?
von Michael Kniess
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Gesundheitskioske sollen für eine bessere niedrigschwellige medizinische Versorgung und Prävention sorgen. Doch ist dieser Plan wirklich sinnvoll? Es gibt Zweifel.
Gesundheitskiosk des Hamburger Stadtteils Billstedt.
Quelle: gesundheit-bh.de
- Gesundheitskioske bieten potenziell einen Mehrwert in der Versorgung.
- Kritiker sind der Meinung, dass Gesundheitskioske das Gesundheitssystem nicht entlasten, sondern Doppelstrukturen schaffen.
- Finanzierung und genaue Ausgestaltung sind unklar.
Sie sollen als Angebot für eine bessere niedrigschwellige medizinische Versorgung und Prävention etabliert werden. Dieses Ziel verfolgt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit der Idee, bundesweit dezentral Gesundheitskioske einzurichten.
Auch das Gesundheitsreferat der Stadt Nürnberg erwägt diesen Schritt. Britta Walthelm, Referentin für Umwelt und Gesundheit, sieht in den Gesundheitskiosken potenziell einen Mehrwert: "Wenn man Menschen erreichen möchte, geht man damit am besten dorthin, wo diese bereits sind. Zuletzt haben wir diese Erfahrung während der Corona-Pandemie bei den Impfungen gemacht."
Gesundheitskioske in München und Hamburg
Ein weiterer Vorteil liegt für Walthelm zudem darin, durch die Fördermittel des Bundes bisherige ähnliche Projekte verstetigen und dauerhaft etablieren zu können. Anknüpfen will sie zudem an bereits bestehende Konzepte etwa in München oder Hamburg.
Dort wurde im Stadtteil Billstedt 2017 als Modellprojekt der deutschlandweit erste Gesundheitskiosk eröffnet.
- Das Gesundheitsministerium plant, rund 1.000 Gesundheitskioske im gesamten Bundesgebiet insbesondere in benachteiligten Regionen und Stadtteilen zu schaffen.
- Ziel ist eine bessere niedrigschwellige medizinische Versorgung und eine verbesserte Prävention.
- Die Gesundheitskioske sollen Menschen mit und ohne Krankenversicherung zur Verfügung stehen. Sie sollen von multiprofessionellen Teams geführt werden, zu denen Pflegekräfte sowie Kinder-, Alten- und Krankenpfleger*innen gehören können.
- Nach derzeitigen Plänen sollen Kommunen 20 Prozent der Kosten tragen, den Rest die Krankenkassen (74,5 % gesetzliche Krankenversicherungen, 5,5 % private Krankenversicherungen)
- Das Konzept sieht unter anderem vor, dass mehrsprachig medizinische Routineuntersuchungen durchgeführt werden, Behandlungen in Arztpraxen und Krankenhäusern vermittelt, Ratsuchenden ärztliche Diagnose- und Untersuchungsergebnisse erläutert werden oder in allgemeinen Gesundheitsfragen beraten wird.
Der Ansatz: Berater*innen mit pflegerischem Hintergrund besprechen beispielsweise Befunde. Hebammen bieten Sprechstunden an. Hinzu kommen Bewegungskurse für alle Altersgruppen. Der Gesundheitsladen München dagegen setzt mehr auf Patient*innenberatung oder Bildungsarbeit.
Für den Nürnberger Weg kann sich Walthelm eine Mischung aus beidem vorstellen: Der Gesundheitskiosk einerseits als ein Ort, wo man nach einem Arztbesuch die Möglichkeit hat, sich in Ruhe und auf Augenhöhe - ganzheitlich und längerfristig begleitet - mit einer Diagnose auseinanderzusetzen. Andererseits könne ein Gesundheitskiosk Ratsuchende bei Bedarf zu Behandlungen oder Beratungen weitervermitteln.
Experte: Unnötige Doppelstrukturen durch Gesundheitskioske
Professor Thomas Kühlein, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, kritisiert, dass durch die Gesundheitskioske neue unnötige Doppelstrukturen geschaffen werden:
"Die dafür nötigen Fachkräfte sind quasi nicht vorhanden und würden andernorts dringender gebraucht", so Kühlein. Heißt im Endeffekt: Das Personal in den Gesundheitskiosken fehlt dann eben in den Praxen oder den Krankenhäusern.
Zudem sieht Experte Kühlein für medizinische Versorgung eine weitere Herausforderung: Hausärzt*innen werden pauschal für die medizinische Versorgung pro Quartal vergütet. Landen banale Dinge künftig vorwiegend in den Gesundheitskiosken und in den Praxen, stellen sich nur noch Patient*innen vor, die viele Vorerkrankungen haben und deshalb oft kommen.
Dann breche die Kalkulation der Praxen zusammen. "Dadurch wird es schwer, wirtschaftlich zu überleben. Und das wiederum verschärft den ohnehin vorhandenen drastischen Ärzt*innenmangel weiter." Seine Forderung: die Honorarsysteme entsprechend umzustellen.
Sorge vor Stigmatisierung
Auch für Gesundheitsreferentin Walthelm gilt es genau abzuwägen. Denn vielerorts gebe es bereits etablierte Angebote, etwa in Form von Stadtteilprojekten. Aus ihrer Sicht macht ein Gesundheitskiosk deshalb insbesondere in neu geschaffenen Stadtteilen Sinn oder in solchen, wo die Gesundheitsversorgung eher schlecht ist und Menschen leben, die sozial benachteiligt sind.
Die Gleichung, nach der die soziale Lage den Lebensstil bedingt und dieser wiederum Einfluss auf den Gesundheitszustand hat, birgt jedoch ein weiteres Problem. Werden Gesundheitskioske vor allem in benachteiligten Stadtteilen etabliert, sorgt das wiederum für deren Stigmatisierung.
Hinzu kommt die Frage nach der Finanzierung. Das Eckpunktepapier sieht vor, dass die Kommunen einen Eigenanteil von 20 Prozent einbringen müssen. Für die vielerorts klammen Kassen nur schwierig zu realisieren.
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Ein Umstand den auch der Sozialverband VdK kritisiert. Aus dessen Sicht dürfen Gesundheitskioske zudem kein Argument dafür sein, andere Projekte wie die Neuaufstellung der unabhängigen Patientenberatung kleinzuhalten. VdK-Präsidentin Verena Bentele betont:
Forderung: Koordination statt Zersplitterung
Aus Sicht von Professor Kühlein sind die Gesundheitskioske mehr Schnellschuss denn durchdachte Lösung für die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Er plädiert stattdessen dafür, die Versorgung endlich sinnvoll zu koordinieren, statt sie weiter zu zersplittern. "Unserem Gesundheitswesen mangelt es am Systematischen."
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