Sieg des pro-europäischen Lagers:Polens Ministerpräsident Tusk schlägt die PiS
von Natalie Steger und Milena Drzewiecka
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Gegen Putin und den EU-Migrationspakt - so haben Tusk und Kaczynski Wahlkampf gemacht. Ähnlich in der Russlandfrage, anders in Stil und Ton. Tusk ist EU-freundlich und er siegt.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk lässt sich in Warschau für seinen Sieg bei der Europawahl feiern.
Quelle: AFP
"Donald Tusk" skandieren seine Anhänger am Wahlabend - die Bürgerkoalition (KO) feiert wie im Rausch. Kaum eine der großen Regierungsparteien in Europa wurde derart bestätigt. Tusks liberal-konservative Bürgerkoalition (KO), die zusammen mit der CDU/CSU in der EVP sitzt, ist Wahlsieger. Mit gut 37 Prozent.
Im Wahlkampf hat Tusk Worte gefunden, die Polen hören will: ein starkes, ein sicheres Polen, aber innerhalb der europäischen Familie. So auch an diesem Abend. Das Wahlergebnis sieht er als Auftrag für eine Führungsrolle in der EU.
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Seine Zufriedenheit für Polen ist umso größer, wenn er sich den Trend im Westen anschaut: "Die Regierenden in Deutschland haben keinen Grund, zufrieden zu sein", so Tusk. "Die Regierenden in Frankreich haben Grund, ziemlich traurig zu sein."
Tusk sieht Berlin und Brüssel als Partner
Sein Tonfall ist insgesamt gemäßigter, deutlich konzilianter, als der der PiS-Politiker. Berlin und Brüssel sieht er als Partner, nicht als Feinde, wie es PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski regelmäßig und zugespitzt im Tonfall darstellt.
Auch dies ist ein Ergebnis der Europawahl: Das polarisierende, spaltende Narrativ der nationalkonservativen PiS schafft es nicht mehr auf den ersten Platz in Polen. Für Polens pro-europäische Regierung ist es also ein symbolischer Sieg.
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PiS weiter starke politische Kraft
Doch die PiS bleibt eine starke politische Kraft. Von 2015 bis 2023 an der Macht, hat sie bei dieser Wahl ein gutes Ergebnis erzielt, gut 36 Prozent. Damit wird sie wieder klar in die Fraktion der EKR einziehen, in der auch die Partei von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sitzt.
Der starke Mann der Nationalkonservativen, Parteichef Jaroslaw Kaczynski, setzt auf Polen first. Wahlen für Polen sind ihm wichtiger:
Doch der Sieg bei der Europawahl dürfte eher Tusk neuen Schwung verleihen. Kommendes Jahr sind Präsidentschaftswahlen und nach zehn Jahren will die Bürgerkoalition den Präsidentenpalast wieder zurückerobern.
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Drittstärkste Kraft wurde nationalistische Konfederacja
Das pro-europäische Lager Polens geht also gestärkt aus der Europawahl hervor, doch auch hier ist eine nationalistische, EU-skeptische und selbsternannte radikale Partei im Aufschwung. Die Konfederacja erzielt mit 12,1 Prozent ihr bestes Ergebnis überhaupt und ist immerhin drittstärkste Kraft im Land. Die Partei ist jung und inhaltlich der AfD nahe.
Die EU-Wahlen zeigten einige Tendenzen in Polen: Der östliche Nachbar Deutschlands ist vor allem EU-freundlich, aber nicht so liberal wie sich die Sozialdemokraten das wünschen. Eine Stimme für Tusks KO heißt auch eine Stimme für stärkere Sicherheitspolitik. Also gegen den EU-Migrationpakt und kritisch dem Green-Deal gegenüber.
Das frühere PiS-Regierungslager hält sich. Und die Jungen aus der radikalen Konfederacja haben Sitze und eine Bühne in Brüssel bekommen. Sie werden nicht aufgeben, im Gegenteil.
Insgesamt mag Polen keinen Rechtsruck gemacht haben, aber es wird die Aufgabe von Regierungschef Tusk und seinen Koalitionspartnern sein, das rechte Lager zu entzaubern.
Die Ergebnisse der EU-Wahl zeigen: In Deutschland gewinnt die Union, die AfD ist zweitstärkste Kraft. In Frankreich und Italien liegen rechte Parteien vorn. Alles zur Wahl im Blog.