Kommentar zu Studie zum Umweltbewusstsein: Was soll das?
Kommentar
Befragung des Bundesumweltamtes:Studie zu Umweltbewusstsein: Was soll das?
von Kristina Hofmann
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Die Menschen sind sehr umweltbewusst, der Staat soll mehr tun. Das kommt bei einer sehr teuren Studie des Umweltbundesamtes heraus. Doch die Studie ist ein Jahr alt. Was soll das?
Umweltbewusstsein in Deutschland 2022: So heißt eine neue Studie, die das Bundesumweltministerium finanziert hat.
Quelle: imago images
So ist das in nachrichtenarmen Urlaubszeiten. Wenn es wenigstens mal einen Termin gibt, schauen alle hin. Umweltbundesamt, Donnerstag: Vorstellung der Studie "Umweltbewusstsein in Deutschland 2022". Was man dann allerdings präsentiert bekommt, ist eher zum Wegschauen. Oder von dieser Qualität: Wasser ist nass.
Und dazu hat diese Banalität noch einen ziemlich hohen Preis: 558.639,61 Euro aus dem Topf des Bundesumweltministeriums.
Ein paar Zahlen, zwei verschiedene Lesarten
Man könnte die Ergebnisse der Studie so zusammenfassen, wie es das Bundesumweltamt und ihr wissenschaftlicher Beirat auf 88 Seiten getan hat:
91 Prozent der Befragten befürworten den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. 41 Prozent meinen, die Bundesregierung müsse mehr tun. Die Hälfte will, dass Städte und Kommunen mehr tun.
57 Prozent der Befragten sehen Umwelt- und Klimaschutz auf Platz fünf der wichtigsten Herausforderungen in der Gesellschaft. Nach Ukraine-Krieg, Gesundheit, sozialer Gerechtigkeit und Bildung.
75 Prozent machen sich Sorgen, dass die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels sie sozial abhängen. Sie fordern, dass der Staat da mehr eingreift.
Es gibt keine Kluft zwischen der jüngeren und älteren Generation. Sowohl die bis 24-Jährigen als auch die über 65-Jährigen haben die gleichen Klimaziele.
Erstaunliche Ergebnisse. Was ist eigentlich mit der Diskussion um das Heizungsgesetz, das viele für den Aufstieg der AfD verantwortlich machen? Die wütenden Proteste gegen die Klima-Kleber? Es hilft ein Blick aufs Kleingedruckte.
Ach so, die Befragungen haben vor einem Jahr, im Sommer 2022, stattgefunden. Ach so, all die Themen - wie Heizungsgesetz und Klima-Kleber - sind da doch gar nicht drin! Ach so, die Ergebnisse spiegeln den beginnenden Krieg in der Ukraine und das Ende der Corona-Pandemie wider. Ach so ...
Man könnte die Ergebnisse also auch so zusammenfassen:
Die Befragten sind irgendwie für Umwelt, aber wurden nicht gefragt, für was genau
Eine Studie - die das Bundesumweltministerium bezahlt hat - ergibt, dass die Menschen umweltbewusst sind und die Bundesregierung auffordern, mehr für die Umwelt zu tun.
Die Bundesumweltministerin der Grünen fordert ihre eigene Ampel-Regierung auf, mehr zu tun.
Umweltbewusstsein sinkt seit 2018
Vielleicht wäre diese Erkenntnis spannender gewesen: Das Umweltbewusstsein sinkt stetig. Denn nur noch 57 Prozent der Befragten, siehe oben, sehen Umwelt- und Klimaschutz unter den Top fünf der wichtigsten Themen. In den Jahren zuvor lag dieser Wert immer höher: 2020 bei 65 Prozent, 2018 bei 64 Prozent.
Dirk Messner, Präsident des Bundesumweltamtes, will trotzdem lieber nur von einer "leichten Delle" sprechen. "Die Menschen haben das Gefühl, dass dringend gehandelt werden müsste", sagt er.
Bundesumweltamt: "Haben keine neueren Daten"
Man könne aus der Studie aber ableiten, sagt er bei der Pressekonferenz, dass sich in den vergangenen Monaten die soziale Verunsicherung noch einmal verstärkt hat. Und dass Politik besser kommunizieren müsse. "Wir müssen Politik so designen, damit wir für Sicherheit sorgen."
Der Befund mag zwar gefühlt richtig sein. Aber eben nur gefühlt. Das aus einer ein Jahr alten Befragung auf die Situation im Sommer 2023 abzuleiten, ist gewagt. "Wir haben keine neueren Daten", sagt er dazu fast entschuldigend.
Tja, schade. Und wie passt es zusammen, dass der Staat Klimaschutz beschleunigen soll, um die Klimaziele einzuhalten, aber die Sorge, wirtschaftlich abgehängt zu werden, wächst?
sagt Messner dazu. Da hat er recht.
Wasser auf die Mühlen aller Zweifler
Das Spannungsverhältnis wird durch solche Studien aber nicht ruhiger. Im Gegenteil. Es ist Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die Klimaschutz für Mumpitz halten, wenn er konkret wird: beim eigenen Verhalten (Tempolimit?), bei der eigenen Heizungsform (Atomstrom?). Vor allem dann, wenn man sich noch einmal die Kosten vor Augen hält: mehr als eine halbe Million Euro für eine Studie von der Qualität "das Wasser ist nass"!
Diese Gesellschaft muss dringend reden. Der Klimawandel zwingt uns dazu, viele, viele Entscheidungen zu treffen und zwischen den Interessen auszugleichen. Mehr Schienen oder mehr Straßen? Wie heizen wir, subventionieren wir den Umbau der Wirtschaft auf klimaneutrale Energien und wie bezahlen wir das? Und und und. Das ist Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Eine solche Studie alle zwei Jahre, vom Steuerzahler finanziert, hilft niemanden.
Falls es noch geht: Bitte die Befragung in diesem Sommer sofort stoppen! Damit die Öffentlichkeit im Sommerloch 2024 von solchen schiefen Banalitäten verschont bleibt. Danke.
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