Nach AfD-Wahlsieg: Keine klaren Mehrheiten in Thüringen
Analyse
Nach AfD-Wahlsieg:Keine klaren Mehrheiten in Thüringen
von Axel Zimmermann, Erfurt
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Die AfD ist bei der Landtagswahl in Thüringen stärkste Kraft geworden. Aber keine Partei will mit ihr koalieren. Wie könnte eine Regierung gebildet werden?
Die AfD wird in Thüringen stärkste Kraft. Es sei ein historischer Sieg für die AfD, so Spitzenkandidat Björn Höcke. Die Linke verliert mehr als die Hälfte der Stimmen.01.09.2024 | 2:18 min
Das vorläufige Endergebnis spricht eine deutliche Sprache: Die AfD wird stärkste Kraft im Landtag in Erfurt. Die unter anderem hier im Bundesland als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei ist die Gewinnerin der Landtagswahl in Thüringen.
Auf Platz zwei kommt die CDU, gefolgt vom BSW, der Linken und der SPD. Grüne und FDP werden dem nächsten Thüringer Landesparlament nicht mehr angehören.
Regierungsbildung ohne AfD schwierig
Doch wie könnte eine neue Landesregierung zustande kommen? Der Thüringer Landtag hat, ohne Überhang- und Ausgleichsmandate, 88 Sitze. Die Mehrheit liegt also bei 45 Sitzen. Dem vorläufigen Endergebnis zufolge kommt die AfD auf 32 Sitze. Die zweitplatzierte CDU erreicht 23 Sitze, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt auf 15 Sitze, die Linke auf 12 und die SPD auf sechs.
Eine sogenannte Brombeerkoalition aus CDU, BSW und SPD käme auf 44 Sitze. Das wäre denkbar, würde aber nicht reichen. Es sei denn, die Linke würde ein solches Bündnis tolerieren.
Da keine Partei mit der AfD koalieren möchte, könne "Mario Voigt von der CDU jetzt nur die anderen Parteien irgendwie einbinden", so Daniela Sonntag, ZDF-Reporterin in Erfurt.02.09.2024 | 3:32 min
Eine rechnerische Mehrheit hätte eine Koalition aus CDU, BSW und Linken. Dagegen spricht aber ein Beschluss der CDU, der Koalitionen mit der Linken ausschließt. Dass dieser Beschluss Bestand habe, betonte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann noch am Wahlabend im ZDF.
Höcke will mitregieren
Thüringens AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke meldete indes einen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung an. Wer stabile Verhältnisse in Thüringen wolle, müsse die AfD integrieren sagte er. Seine Partei sei bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Wie eine Regierung unter Beteiligung der AfD aussehen könnte, ist aber völlig offen. Denn alle anderen Parteien, die künftig im Thüringer Landtag vertreten sein werden, haben eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen.
AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla sieht auf kommunaler Ebene keine sogenannte Brandmauer mehr – reden will mit der AfD über eine Regierungsbildung allerdings keine Partei bisher. 01.09.2024 | 3:51 min
AfD kann mit Sperrminorität blockieren
Weil die AfD mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag erhalten wird, hat sie auch ohne Koalitionspartner künftig einen gewissen Einfluss im Landesparlament - durch die sogenannte Sperrminorität. Die bedeutet, dass die AfD auch ohne jeden Partner bestimmte Entscheidungen verhindern oder zumindest verzögern kann.
Das betrifft zum Beispiel die Ernennung neuer Verfassungsrichter und -richterinnen, Änderungen der Landesverfassung oder auch den Beschluss zur Auflösung des Landtages. Das wäre die Voraussetzung für vorgezogene Neuwahlen.
Die AfD ist bei der Landtagswahl in Thüringen stärkste Kraft, in Sachsen liegt sie Kopf an Kopf mit der CDU. Dass die AfD in einem der Länder regieren wird, ist aber unwahrscheinlich. Denn: Keine andere Partei will mit ihr koalieren, also zusammenarbeiten.
Trotzdem kann die AfD viel Einfluss nehmen, wenn sie ein Drittel der Abgeordneten in den neuen Landtagen stellt. Und zwar so: Kommt die AfD auf über ein Drittel der Sitze im Landtag, hat sie Einfluss durch die sogenannte Sperrminorität. In Sachsen verfügt die AfD jedoch nicht über dieses Instrument. Damit können Abstimmungen blockiert werden, zum Beispiel:
Bei der Ernennung neuer Verfassungsrichter
Bei Änderungen der Landesverfassung
Bei der Auflösung des Landtages
Denn: Für diese Abstimmungen ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Nur Gespräche können Lösung bringen
Es wird viele Gespräche brauchen, bis sich in Thüringen eine neue Landesregierung bilden kann. Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt sprach im ZDF heute journal von einer "komplizierten politischen Situation".
Er sehe aber in den jetzt notwendigen Gesprächen aber auch eine Chance. In diesem Zusammenhang verwies Voigt darauf, dass er eine Koalition mit der AfD ausschließe.
Sehen sie hier das Interview mit Mario Voigt in voller Länge.01.09.2024 | 2:34 min
Von anderen Ausschlüssen sprach er nicht. Ob das im Widerspruch zu dem von CDU-Generalsekretär Linnemann genannten Beschluss gegen eine Koalition mit der Linken steht, bleibt zunächst offen. Vielleicht müssen also nicht nur die Parteien untereinander reden - vielleicht gibt es auch den ein oder anderen parteiinternen Gesprächsbedarf.