Umbau der Staatskanzlei NRW: Korruptionsverdacht weitet sich aus

Umbau der Staatskanzlei:Korruptionsverdacht in NRW weitet sich aus

Thomas Münten
von Thomas Münten
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Die mutmaßliche Korruption beim Umbau der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen könnte größere Ausmaße haben als bisher angenommen. CDU-Ministerpräsident Wüst zeigt sich wütend.

Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Das Gebäude der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen gesehen von der dem Rhein zugewandten Seite.
Ermittler vermuten Korruption bei der Modernisierung der Staatskanzlei in Düsseldorf.
Quelle: dpa

Der Korruptionsverdacht rund um die Sanierung der NRW-Staatskanzlei weiten sich aus: 2,34 Millionen Euro sollen allein die unberechtigten Nachforderungen eines Beleuchtungsbetriebes betragen haben, die im Rahmen von Korruption im Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB) geflossen sind. Ein Architekturbüro und mehrere Mitarbeiter des BLB stehen seit fast sieben Monaten unter Betrugsverdacht.
Lange hatte das Landeskriminalamt verdeckt ermittelt, vor zwei Wochen schlug die Behörde schließlich zu. 40 Razzien im BLB in Düsseldorf, in mehreren Betrieben und Privatwohnungen wurden zeitgleich durchgeführt, fast 200 Polizisten waren im Einsatz.

Unternehmen informierte Korruptionsstaatsanwaltschaft

Losgetreten hatte die Ermittlungen Mitte 2024 ein Unternehmen, das den Leuchten-Lieferanten des Architekturbüros unterboten hatte. Es soll vom BLB aufgefordert worden sein, eine Nachberechnung in sechsstelliger Höhe einzufordern und diese als "Designlizenzgebühr" getarnt je zur Hälfte an das Büro und die BLB-Mitarbeiter zu überweisen.
Das Unternehmen hatte daraufhin die Innenrevision informiert und diese die zuständige Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wuppertal.
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Unregelmäßigkeiten wohl auch bei weiteren Aufträgen

Im Rahmen der Auswertung der sichergestellten Datenträger und Akten weitet sich der Verdacht jetzt aus. So könnte es nach Erkenntnissen der internen Revision des BLB bei weiteren Aufträgen zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.
Demnach sollen die Projekte Nutzerwünsche, Instandhaltung und Fassadendämmung ohne korrekte Ausschreibeverfahren vergeben worden sein. Bislang drehen sich die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt vor allem um neue Leuchten, die in der Staatskanzlei verbaut worden sind. In dem internen Papier des BLB, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es nun, Mitarbeiter hätten schon den Auftrag für die Gesamtplanung der Sanierung 2018 unter dubiosen Umständen an das verdächtige Architekturbüro vergeben.
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Mitarbeiter soll Software manipuliert haben

Ein "vergleichbares Vorgehen" habe es bei zwei anderen Teilprojekten gegeben. Ein drittes sei einfach "direkt" dem betroffenen Architekturbüro zugeschlagen worden. Einer der beschuldigten BLB-Mitarbeiter soll laut dem Bericht der Prüfer im Zuge der mutmaßlichen Betrügereien eine interne Software erheblich manipuliert haben.
Wie aus einem öffentlichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Landtags hervorgeht, hat der BLB Zahlungen an die betroffenen Unternehmen umgehend gestoppt. Um wie viel Geld es hierbei geht, ist unklar:

Diese Summe ist Gegenstand laufender juristischer Prüfungen, sodass der BLB NRW hierzu keine näheren Angaben machen kann.

BLB-Sprecher

Die SPD-Fraktion will diese Woche im Plenum des NRW-Landtags eine mündliche Anfrage stellen. Die Opposition will unter anderem wissen, wann Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) über eine Beteiligung der Innenrevision seines eigenen Hauses informiert wurde und warum - so die Wertung der SPD - die Compliance-Regeln versagt haben.

Ministerpräsident Wüst ist "wütend"

Sie will nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragen. Die FDP unterstützt den Antrag.
Unterdessen äußerte sich auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erstmals zu dem Skandal:

Was hier zur Rede steht, ist Betrug zu Lasten der Steuerzahler. Das macht mich wütend.

Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident (CDU)

Die Landesregierung werde alles unternehmen, um die Vorgänge lückenlos aufzuklären, hieß es aus der Staatskanzlei. Die Hauptverdächtigen - fünf Männer und zwei Frauen zwischen 26 und 69 Jahren - sind weiter auf freiem Fuß. Gegen Mitarbeiter der Staatskanzlei besteht laut den Ermittlern kein Verdacht.

Sanierung kostet bisher rund 55 Millionen Euro

Die Sanierung des Gebäudes soll ungeachtet der Vorwürfe weitergehen. Dafür werde der BLB garantieren, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen komme. Seit die Landesregierung 2017 unter Armin Laschet wieder aus dem Stadttor in die alte Villa Horion zog, sollte die Staatskanzlei "modernisiert" werden. Rund 25 Millionen Euro sollte die Modernisierung des Hauses damals kosten.
Ein Sprecher hatte allerdings vor der Aufdeckung des Skandals erklärt, dass sich dieser Wert wohl unter anderem wegen der Baukostensteigerungen, aufgrund pandemiebedingter Preissteigerungen und inflationsgetriebener Mehrkosten erhöht habe. Experten schätzen die bisherigen tatsächlichen Kosten auf bis zu 55,7 Millionen Euro.
Thomas Münten ist Reporter im ZDF-Studio Düsseldorf.
Artikel mit Material der Deutschen Presse-Agentur.

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Quelle: dpa

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