Aserbaidschan-Affäre: Ex-Unionsabgeordnete vor Gericht

    Aserbaidschan-Affäre:Korruption? Ex-Unionsabgeordnete vor Gericht

    von Hannes Munzinger
    |

    In München beginnt der Prozess gegen die früheren Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner (CSU) und Axel Fischer (CDU). Sie sollen Geld aus Aserbaidschan angenommen haben.

    Strafjustizzentrum München
    In München startet der Prozess gegen zwei ehemalige Unionsabgeordnete rund um die sogenannte Aserbaidschan-Affäre.
    Quelle: dpa

    Vor dem Oberlandesgericht München startet heute die Hauptverhandlung gegen die langjährigen Unionsabgeordneten Eduard Lintner (CSU) und Axel Fischer (CDU). Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft den ehemaligen Politikern vor, Geld aus Aserbaidschan angenommen zu haben. Es geht um Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

    Recherchen: Millionen flossen aus Baku nach Unterfranken

    Eduard Lintner saß 33 Jahre für die CSU im Bundestag, war Staatssekretär im Innenministerium und Mitglied in der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). 2017 enthüllten Journalisten, dass Lintner über mehrere Firmen Geld aus Aserbaidschan erhalten und teilweise an andere Abgeordnete weitergeleitet hatte.
    Korruptionsklage gegen Ex- Unionsabgeordneten
    Im Europarat sollen Parlamentarier der Union vom aserbaidschanischen Regime mit Millionen bestochen worden sein.29.01.2024 | 2:21 min
    Laut Staatsanwaltschaft erhielt Lintner insgesamt mehr als drei Millionen Euro. Die Ermittler werfen dem Politiker aus Unterfranken vor, für Aserbaidschan andere Mandatsträger damit bestochen zu haben. Sie sollten in der parlamentarischen Versammlung des Europarats im Sinne Aserbaidschans abstimmen.
    Das autokratisch regierte Aserbaidschan ist Mitglied im Europarat, der sich vorwiegend mit Menschenrechtsfragen befasst. Das Geld floss unter anderem über eine Firma Lintners an die damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz. Die Ermittlungen richteten sich zunächst auch gegen sie, bis sie 2021 überraschend starb.

    Autokratengeld für Wahlbeobachtung und "private Zwecke"

    Lintner beteuert seit Bekanntwerden der Zahlungen, dass sie für die Arbeit seiner "Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen" und unter anderem für Wahlbeobachtungsmissionen bestimmt waren. Lintners Wahlbeobachtungen kamen mehrfach zu weniger kritischen Ergebnissen als etwa die offiziellen Missionen der OSZE. Die milden Urteile Lintners gaben den Wahlen einen demokratischen Anstrich. Das half dem autokratischen Alijew-Regime im Umgang mit Kritik im eigenen Land.
    Gipfeltreffen der Organisation der Turkstaaten in Kirgistan
    Bei der Klimakonferenz im November 2024 wollte der aserbaidschanische Präsident Aliyew sein Land als Musterland präsentieren. Der Autokrat geht hinter den Kulissen rigoros gegen Kritiker vor.11.11.2024 | 2:06 min
    Lintner schreibt in einer Stellungnahme an das Gericht, die dem ZDF vorliegt, dass seine Wahlbeobachtungsmissionen mit denen der OSZE nicht vergleichbar seien, weil er stets nur am Wahltag im Einsatz gewesen sei. In der Stellungnahme gibt er auch zu, Gelder für "private Zwecke" genutzt zu haben. Die strafrechtlichen Vorwürfe halte er für "sachlich nicht berechtigt".

    Bargeld für positive Reden und Abstimmungen?

    Bei Durchsuchungen in Büros und Privaträumen von Lintner und Strenz und in dort sichergestellten Nachrichten stießen die Ermittler 2020 auf Spuren zu dem Karlsruher Abgeordneten Axel Fischer. Er saß 23 Jahre im Parlament, bevor er 2021 nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausschied. Acht Jahre war er auch Fraktionsvorsitzender der EVP in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gewesen.
    Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dort gegen Bargeldzahlungen "nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans" gehandelt zu haben. "Positive Redebeiträge" und "die frühzeitige Übermittlung von vertraulichen Dokumenten" seien seine Gegenleistungen gewesen. Dafür soll er mehr als 26.000 Euro angenommen haben. Weitere Zahlungen sind verjährt.

    Prozess vor OLG München: Bis April soll verhandelt werden

    Eine Nachricht zwischen der inzwischen verstorbenen Abgeordneten Strenz und der angeklagten Mitarbeiterin Lintners gilt als wichtiges Beweisstück. Darin soll die Mitarbeiterin Strenz mitgeteilt haben, dass Lintner es angeblich befürworte, dass sie das Gleiche bekomme wie Fischer. Die Staatsanwaltschaft leitet daraus ab, dass Fischer bereits vor Strenz Geld bekommen habe.
    COP29 Climate Summit in Baku
    Wer in Aserbaidschan Kritik äußert, kann drastische Schwierigkeiten bekommen.11.11.2024 | 2:40 min
    Auf weitere Indizien stießen belgische Ermittler, die im Auftrag deutscher Strafverfolger mehrere Büros in Straßburg durchsucht hatten. Fischers Anwalt sagte dem ZDF:

    Die Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft gegen meinen Mandanten wurden aus unserer Sicht bereits im Ermittlungsverfahren widerlegt.

    Anwalt des Ex-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer

    "Dies werden wir im Rahmen der Hauptverhandlung auch detailliert aufzeigen", so Fischers Anwalt.
    Der Prozess in München ist der erste, in dem Paragraf 108e des Strafgesetzbuches zur Anwendung kommt. Er stellt die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern unter Strafe. Voraussetzung ist, dass die Gegenleistung in Zusammenhang mit der "Wahrnehmung des Mandats" erfolgt. Das Oberlandesgericht hat 31 Prozesstage angesetzt.
    Themen

    Mehr zu Aserbaidschan