Interview
Kevin Kühnert vor SPD-Parteitag:Keine Sehnsucht nach Großer Koalition
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SPD-Generalsekretär Kühnert kritisiert im ZDFheute-Interview die Schuldenbremse als Investitionshemmnis. Er kündigt an, dass sich der Parteitag für eine Reform aussprechen werde.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: "Zur Union sehnt sich in der SPD wirklich niemand zurück."07.12.2023 | 0:28 min
Erstmals seit der Corona-Pandemie trifft sich die SPD ab Freitag in Berlin wieder zu einem Präsenz-Parteitag. In Umfragen stehen die Sozialdemokraten schlecht da, genauso wie der Kanzler und seine Regierung.
Trotzdem erwartet SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im ZDFheute-Interview keine Abrechnung seiner Partei mit der Ampel-Koalition. Eine Regierung mit der Union, die sich mit Angriffen auf den sozialen Zusammenhalt und den Sozialstaat hervor tue, sei keine Alternative.
ZDFheute: Was sind Ihre Erwartungen an den Parteitag?
Kevin Kühnert: Es geht nicht nur um die Frage, wie wir uns in der Bundesregierung positionieren, sondern wie die sozialdemokratische Partei mittel- und langfristig auf die notwendige Entwicklung unserer Gesellschaft schaut. Und dafür wollen wir Klarheit schaffen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Land.
ZDFheute: Erleben wir auf dem Parteitag eine SPD pur oder eine schaumgebremste Koalitionspartei?
Kühnert: Am Wochenende kommt die SPD pur zusammen, aber sie ist eine Partei in Verantwortung. Im Gegensatz zur manch anderen Mitbewerbern flüchten wir uns auf Parteitagen nicht in ein Wolkenkuckucksheim und ziehen uns vor der Verantwortung zurück, sondern wir sind aus Überzeugung in Verantwortung.
Und spätestens nach der nächsten Bundestagswahl wollen wir noch mehr von unserer Politik durchsetzen. Dafür legen wir jetzt die Grundlagen.
ZDFheute: Die Umfragewerte für die SPD sind mau, die für den Kanzler ebenso. Rechnen Sie damit, dass es zu einer Abrechnung mit Olaf Scholz kommt?
Kühnert: Die Zeiten der Abrechnungen sind in der SPD vorbei. Nicht weil wir nicht kritisch diskutieren würden, aber weil wir uns eine unsolidarische Art des Umgangs längst abgewöhnt haben. Deswegen ist die SPD heute eine nach innen viel stärkere Partei, als sie es vor einigen Jahren war. Ich erwarte eine klare und deutliche, aber nach vorne gerichtete Diskussion auf diesem Parteitag.
Mit Blick auf die angespannte Lage in der Koalition sagen inzwischen 82 Prozent der Befragten, dass das Verhältnis von SPD, Grünen und FDP in der Bundesregierung eher schlecht ist.24.11.2023 | 1:59 min
ZDFheute: Nicht nur die SPD steht in Umfragen schlecht da, sondern die ganze Ampel. In der SPD gibt es viel Kritik an den Koalitionspartnern. Glaube Sie, dass sich der Frust über die Ampel-Koalition entladen wird?
Kühnert: Wir haben uns für diese Wahlperiode für zwei Koalitionspartner entschieden, von denen wir uns auch nicht trennen wollen. Wir haben uns gemeinsam etwas vorgenommen fürs Land und wollen das abarbeiten. Ich glaube, die SPD wird ihrer Verantwortung als größter Koalitionspartner gerecht, auch durch die Art und Weise wie wir die Verantwortung verkörpern.
Hier wird gegen die gesetzliche Rente, gegen die Grundrente, gegen die Bekämpfung von Kinderarmut und anderes mehr argumentiert. Auf dieser Grundlage kann ich nur sagen: Die SPD freut sich jetzt schon auf die nächsten Wahlauseinandersetzungen mit dieser Union. Da haben wir einiges miteinander auszufechten.
Kevin Kühnert fordert eine Reform der Schuldenbremse: "Für die SPD ist ganz klar: Der Staat muss auch in Zukunft handlungs- und investitionsfähig sein." 07.12.2023 | 0:30 min
ZDFheute: Die Bundesregierung steckt in einer großen Haushaltskrise. Müssen Sie nicht befürchten, dass die Diskussionen über die Schuldenbremse, über Steuererhöhungen diesen Parteitag überlagert?
Kühnert: Der Parteitag am Wochenende ist nicht dafür da, die aktuelle Haushaltsgesetzgebung zu regeln. Aber er wird sich natürlich mit den Fragen beschäftigen, die aus dem Karlsruher Urteil hervorgehen.
Für die SPD ist ganz klar: Der Staat muss auch in Zukunft handlungs- und das heißt investitionsfähig sein. Wenn wir uns nicht deindustrialisieren und gute Arbeitsplätze in Deutschland verlieren wollen, dann müssen wir in Halbleiterindustrie, Batteriezellenproduktion und moderne Infrastruktur investieren. Und das wird zum Beispiel mit der aktuell bestehenden Schuldenregel, die blind ist für Investitionen, nicht gehen.
Das Interview führte Lars Bohnsack, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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