Wie Scholz' Lithium-Pakt mit Serbien Chinas Pläne stört
Rohstoff-Deal mit Serbien:Lithium-Pakt: Scholz durchkreuzt Chinas Pläne
von Klaus Brodbeck
|
Mit dem serbischen Lithium-Pakt sichert der Kanzler der EU-Autoindustrie einen wertvollen Rohstoff. Gleichzeitig durchkreuzt er Chinas Pläne. Von Umweltschützern hagelt es Kritik.
In Belgrad hat Bundeskanzler Scholz ein Abkommen mit Serbien über den Abbau und die Lieferung von Lithium unterzeichnet. Deutschland soll von Serbiens großen Reserven profitieren. 19.07.2024 | 1:46 min
Serbien und die EU wollen beim Abbau und der Verwertung von Lithium in dem Westbalkan-Land zusammenarbeiten
Deshalb sind Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič nach Serbien gereist, um eine entspechende Absichtserklärung zu unterzeichnen
Lithium wird für die Herstellung von Batterien benötigt und gewinnt im Zuge der Antriebswende hin zu E-Autos immer mehr an Bedeutung.
(Quelle: dpa)
Mit europäischer Unterstützung will Serbien eines der größten Lithiumvorkommen des Kontinents ausbeuten. Davon profitieren sollen europäische Automobilhersteller, der begehrte Rohstoff wird für Batterien für Elektroautos benötigt. Daimler und Stellantis sind dabei, der amerikanisch-kanadische Konzern Rio Tinto übernimmt die Bergbauarbeiten.
Auch weitere Verarbeitungsschritte sollen im Land erfolgen und tausende Arbeitsplätze in die arme Region bringen. Bei Umweltschützern ist das Vorhaben umstritten - das beeinflusst auch die Reisebewegungen von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Hohe Erwartungen an den Gast aus Berlin
Der Gastgeber gibt sich sichtlich Mühe: Kurz vor Mitternacht begrüßt Serbiens Präsident Aleksander Vučić höchstselbst den Bundeskanzler beim Aussteigen aus dessen Airbus. Olaf Scholz zurrt im Auftrag der EU den Pakt mit Serbien fest. Soldaten stehen Spalier. Zuvor hatten zwei Kampfflugzeuge die Kanzlermaschine durch den serbischen Luftraum eskortiert - es sind eher unübliche protokollarische Ehrenbezeugungen für einen Gast, an dessen Besuch viele Erwartungen geknüpft werden.
Scholz hat Reisepläne umgestellt
Der formale Anlass für Olaf Scholz‘ Kurztrip auf den Balkan: "Belgrade Critical Raw Material Summit", ein Rohstoff-Gipfel, der lange auf der Kippe steht. Erst drei Tage vorher verpflichtet sich die serbische Regierung dazu, hohe Standards einzuhalten, die die EU fordert: Den Schutz von Umwelt und Klima, Schutz der Beschäftigten vor Ausbeutung, Recycling, "grüne" Prozesse.
Mit dem Ausbau der Elektromobilität steigt auch der Bedarf an Lithium rasant an. Doch bisher wird der Rohstoff nicht in Deutschland abgebaut. Das könnte sich ändern.18.07.2023 | 6:55 min
Und erst am Vorabend gibt der Gastgeber selbst den Termin bekannt: Serbiens Präsident nehme an einem Gipfel teil, von dem Serbiens Öffentlichkeit nun erstmals erfahren sollte, vom umworbenen Besucher aus Berlin (und weiteren aus Brüssel) ist keine Rede. Womöglich sollten so Kritiker überrascht und die Vorbereitung von Protesten erschwert werden.
Vučić legt Wert auf Inszenierung
Keine unschönen Bilder vor dem Präsidentenpalast zuzulassen - zu Aleksander Vučić würde das passen, er ist Informationsminister unter Slobodan Milosevic, der den Westbalkan in blutige Kriege gestürzt hat, er legt Wert auf Inszenierung. Vučić ist Nationalist, aber auch Opportunist. Man könne es sich nicht mehr leisten, Chancen ungenutzt zu lassen, sagt Vučić bei dem Gipfel.
Trotz jahrelanger Proteste von Umweltschützern macht Serbien den Weg für den Abbau von Lithium frei. Die Vorkommen des gefragten Rohstoffs sind vor allem in Europa knapp.
Und er ergreift die Gelegenheit, die der deutsche Kanzler ihm eröffnet: Den wertvollen Rohstoff abzubauen, einen Anteil an der weiteren Wertschöpfung im eigenen Land zu behalten, das alles mit modernster Technologie und potenten europäischen Partnern. Viele Arbeitsplätze zu schaffen, die eigene Wirtschaft anzukurbeln, Geld zu verdienen.
Weniger Abhängigkeit von China
Aktivist Savo Manojlović vom Go-Change-Movement fordert vom Kanzler:
Er ist eine der prominenten Figuren der serbischen Proteste gegen den Konzern Rio Tinto im Jahr 2021. Gehört wird er diesmal nicht.
Scholz' Kalkül dabei: Die Abhängigkeit Europas und der deutschen Industrie von Rohstoffen aus China zu verringern. De-Risking und höhere Resilienz, Widerstandsfähigkeit, das sind Begriffe, die der Kanzler dann gerne verwendet. Wer das fordere, so Scholz, müsse auch bereit sein, Rohstoffvorkommen im eigenen Land zu erschließen.
Zugleich hegt Scholz die Hoffnung, Serbien damit schneller näher an die EU zu binden. Ähnliche Deals hat bislang gerne China abgeschlossen, mit schlechteren Konditionen für Umwelt und Mensch. Diesmal schnappt Europa Peking den Zugriff auf wertvolle Rohstoffe vor der Nase weg.
Beginn einer besonderen deutsch-serbischen Beziehung?
17 Prozent des europäischen Lithiumbedarfs soll das Vorkommen decken können. Mehr als doppelt so viel Ertrag liefern wie alle - auch eher theoretisch nutzbare Vorkommen in Deutschland - zusammen. Von einem historischen Datum spricht der Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, in Belgrad.
Auch der Beginn einer besonderen deutsch-serbischen Beziehung? Viele Themen seien noch offen, heißt es im Umfeld der deutschen Regierung: Serbiens korrupte Gerichtsbarkeit, die nach europäischen Maßstäben nicht existierende Pressefreiheit, die schwierigen Beziehungen zur Nachbarschaft, namentlich Bosnien-Herzigowina und Kosovo. Alexander Vučić, könnte das bedeuten, sei mit Vorsicht zu genießen.
Zurückhaltend, bei allem Pomp, ist aber auch Serbiens Präsident: Als Angela Merkel zuletzt nach Serbien gereist ist, begleiten nicht zwei, sondern gleich sieben MiGs die Luftwaffenmaschine. Es ist allerdings auch ihr Abschiedsbesuch.
Klaus Brodbeck ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Das Lithium-Abkommen soll Serbien enorme Staatseinnahmen verschaffen - für Kanzler Scholz ist der Deal Teil seiner China-Strategie. Von Umweltschützern hagelt es Kritik.