Bundestag zum 9. November:Scholz: "Dulden Antisemitismus nicht"
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Zum 85. Jahrestag der NS-Pogromnacht hat Kanzler Scholz jede Form von Antisemitismus in Deutschland verurteilt. Innenministerin Faeser betonte, die Demokratie setze sich zur Wehr.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Parteien im Bundestag haben sich für ein hartes Vorgehen gegen Antisemitismus ausgesprochen. Scholz bezeichnete antisemitische Vorfälle in der Rede zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht in der Berliner Synagoge Beth Zion als eine Schande für Deutschland.
Es gerate "etwas aus den Fugen", wenn heute Gewalttaten der radikal-islamischen Hamas gefeiert und jüdische Mitbürger bedroht würden. Die Fraktionen der Ampel und die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag forderten in Resolutionen unter anderem eine Verschärfung des Strafrechts.
Scholz: Antisemitismus vergiftet Gesellschaft
Der Jahrestag steht wegen der Entwicklungen im Nahen Osten besonders im Fokus. Seit dem Überfall der radikal-islamischen Hamas auf Israel und den nachfolgenden israelischen Angriffen im Gazastreifen ist die Zahl antisemitischer Straftaten deutlich gestiegen.
Im dritten Quartal diesen Jahres wurden deutschlandweit 540 antisemitisch motivierte Straftaten registriert. Die Straftaten häuften sich bereits vor dem Hamas-Angriff auf Israel. Ein grundlegendes Problem in Deutschland?06.11.2023 | 1:49 min
Jede Form von Antisemitismus vergifte die Gesellschaft, sagte Scholz. "Dabei darf es nicht darauf ankommen, ob Antisemitismus politisch motiviert ist oder religiös, ob er von links kommt oder von rechts, ob er sich als Kunst tarnt oder als wissenschaftlicher Diskurs, ob er seit Jahrhunderten hier gewachsen ist oder von außen ins Land gekommen."
Kanzler verspricht Schutz jüdischer Einrichtungen
Das Versprechen "Nie wieder" bedeute zuallererst den physischen Schutz von jüdischen Einrichtungen und Gemeinden und die konsequente Durchsetzung geltenden Rechts durch Polizei und Justiz.
Der Kanzler fügte hinzu, dass das angepeilte neue Staatsangehörigkeitsrecht klar regele, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht. "Wir dulden Antisemitismus nicht. Nirgendwo."
Bundespräsident Steinmeier hat sich kritisch gegenüber den antisemitischen Vorfällen in Deutschland geäußert. Er fordert arabisch- und palästinensisch-stämmige Bürger auf, sich davon zu distanzieren.08.11.2023 | 2:23 min
Schuster warnt vor Angst und Verunsicherung bei Juden
Bei der Gedenkveranstaltung in der Berliner Synagoge Beth Zion warnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor neuer Angst und Verunsicherung bei Jüdinnen und Juden in Deutschland. Er erkenne zuweilen dieses Land nicht wieder, sagte er. Der Zentralratspräsident zog eine Linie von den Gewaltakten der Nationalsozialisten im November 1938 zu heutigen Angriffen, die seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober deutlich zugenommen haben.
Die Pogromnacht vom 9. November 1938 in Bildern:
Banner an Leipziger Rathaus erinnert an Pogromnacht
Vor 81 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brennen im gesamten Deutschen Reich, in Österreich und der Tschechoslowakei die Synagogen.
Quelle: dpa
Wer verstehen wolle, was Juden in diesen Tagen fühlen, der müsse sich der historischen Pogromerfahrungen im jüdischen Denken bewusst sein, sagte er. "Die Jagd auf Juden, dort wo sie zu Hause sind, brennt sich tief ein in das kollektive Bewusstsein von Jüdinnen und Juden", sagte er.
Faeser kündigt weitere Verbote an
Im Bundestag kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) weitere Verbote von Organisationen an, die antisemitische Positionen vertreten. Der Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland ist nach Faesers Worten Aufgabe der ganzen Gesellschaft. "Nie wieder, meine Damen und Herren, ist jetzt", sagte sie.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte, dass sich einige muslimische Verbände zwar auf deutsch vom Antisemitismus distanzierten, aber auf türkisch oder arabisch das Gegenteil vertreten.
Ampel-Fraktionen und Union hatten sich im Vorfeld nicht auf eine gemeinsame Resolution einigen können, weshalb diese in die Bundestags-Ausschüsse überwiesen wurden. In beiden Resolutionen wird aber übereinstimmend etwa die Überprüfung deutscher Hilfsleistungen im Gazastreifen sowie die Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg gefordert. Die Ampel-Fraktionen fordern die Bundesländer auf, Ausweisungen von Ausländern nach antisemitischen Straftaten zu erleichtern.
Die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden müsse überprüft werden. Gefordert wird in beiden Anträgen eine engere militärische Zusammenarbeit mit Israel. Die Union fordert in ihrem Antrag zudem, dass es keine Rüstungsexportbeschränkungen für Israel mehr geben sollte.
Die Ampel will ausgerechnet bei der Aufklärung zu Antisemitismus sparen, obwohl antisemitische Straftaten deutlich zunehmen. Das Anne-Frank-Zentrum bangt um wichtige Projekte.