Wahl in Sachsen: Wird es für Kretschmer nochmals reichen?

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer spricht bei den Bauernprotesten. Er ist der einzige Politiker, den sie auf die Bühne lassen. Aber dennoch kein angenehmer Auftritt. Unter Pfeifen und Johlen der protestierenden Bauern muss sich Michael Kretschmer (CDU) entschuldigen - dafür, dass es sein grüner Landwirtschaftsminister in Sachsen nicht schafft, den Bauern EU-Gelder auszuzahlen.

Nicht der einzige Grund, warum er liebend gerne ohne die Grünen weitermachen würde nach der Wahl. Zu unterschiedlich die politischen Lebenswelten und Weltanschauungen. Dennoch bleibt ihm vielleicht keine andere Wahl. Denn die SPD könnte nach einer Online-Umfrage sogar ganz aus dem Landtag fliegen.

Die düsteren Umfrageergebnisse der SPD elektrisieren die Partei. Diese "spiegeln die Stimmung hier in Sachsen gegenüber der Ampel wider", so Spitzenkandidatin Petra Köpping. Sie befürchtet, dass Sachsen "aufgrund schwieriger Mehrheitsverhältnisse regierungsunfähig werden" könnte. Und sie schlägt im "Spiegel" vor:

"Die AfD ist stark, sie ist eine Gefahr für die Demokratie", fügt sie noch hinzu.

Denn, so Publizist Maximilian Steinbeis, "die allermeisten AfD-Wähler wählen nicht so, weil sie den Altparteien eins auswischen wollen, sondern, weil sie gut finden, was die sagen - inklusive rechtsextremistischer Inhalte".

Der erklärte Gegner der AfD ist die CDU. Maximilian Krah macht daraus keinen Hehl. Einst selbst CDU-Mitglied und heute Europaabgeordneter der AfD, hofft er auf die "Implosion der CDU", auf deren Zerstörung, um danach die ehemaligen CDU-Wähler für seine Partei einsammeln zu können.

Nicht zu erkennen ist, was die CDU und die anderen regierenden Parteien dagegen zu tun gedenken. Es sei denn, man erklärt die Schuldzuweisungen des sächsischen Regierungschefs wie auch die seiner Koalitionspartner an die Berliner Ampel zur Wahltaktik.

Kretschmer ist der wohl lauteste und präsenteste Kritiker der chronisch zerstrittenen deutschen Regierung. Auf der Bauerndemo am Mittwoch bezeichnet er sie als Falschfahrer. Themen aus seiner Sicht: die ideologisierte Wirtschaftspolitik von Robert Habeck (Grüne); die dürftige Führungsstärke von Olaf Scholz (SPD); die fehlgehende Ukraine-Politik von Annalena Baerbock (Grüne). Dazu sagt der Politikwissenschaftler Hans Vorländer:

Keins der sächsischen Probleme kann Kretschmer allerdings mit dem Richtung Berlin zeigenden Finger lösen. "Funktionierende Politik wird immer auf der kommunalen Ebene wahrgenommen", sagt Uwe Brandl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Wahrgenommen wird derzeit vor allem das Nichtfunktionieren.

Sächsische Kommunen schieben einen milliardenschweren Investitionsstau vor sich her - und den hat nicht allein die Bundesregierung zu verantworten, sondern zum erklecklichen Teil die sächsische Landesregierung.

Eine ernstzunehmende Analyse der Stimmung im Freistaat Sachsen gibt es derzeit nicht. Die Erzählung vom frischen, dynamischen und nahbaren Politiker Kretschmer, die der CDU bei der letzten Wahl 2019 noch einmal gegen die AfD geholfen hat - sie verfängt wohl diesmal bei der Wahl in Sachsen nicht mehr.

Die damals bürgernahen Begegnungen Kretschmers mit dem zornigen Volk am Bratwurststand sind Diskussionsveranstaltungen gewichen, bei denen sich das Publikum vorher anmelden muss. Erkennbare Strategie: Die Ampel schelten, die Grünen attackieren - aber nicht zu sehr - und die AfD nach Kräften ignorieren. Nicht schlecht wäre eine Vision für die Zukunft des Freistaates.