Geheimtreffen in Brandenburg:Das sind die völkischen Netzwerker der AfD
von Nils Metzger und Kevin Schubert
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Ein geheimes Netzwerk von AfD-Vertretern, reichen Geldgebern und bekannten Rechtsextremisten diskutierte die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland. Wer war dabei?
Will völkisches Denken in die AfD tragen: Der Identitären-Aktivist Martin Sellner (Archivbild)
Quelle: Imago
Schon jetzt setzt die AfD in Sachen Migration und Abschiebung auf eine Politik der harten Hand. Doch hinter den Kulissen arbeiten rechtsextreme Netzwerke gemeinsam mit führenden AfD-Vertretern offenbar daran, noch deutlich radikaler zu werden. Es geht dabei um völkisches Denken und einen großen Tabubruch: Millionen Menschen, darunter auch deutsche Staatsbürger, sollen gezielt aus dem Land vertrieben werden, um eine ethnisch und kulturell reine Gesellschaft zu erzeugen.
Eine "Correctiv"-Recherche gibt Einblicke in ein Geheimtreffen in Brandenburg, bei dem der bekannte rechte Aktivist Martin Sellner mit AfD-Vertretern und reichen Geldgebern völkische Visionen für Deutschland besprochen haben sollen. Was ist zu den Teilnehmern des Treffens bekannt?
Wer ist Martin Sellner und wofür steht er?
Rund zwei Dutzend Personen sollen an dem Treffen Ende November 2023 nahe Potsdam teilgenommen haben. Im Zentrum stand ein Vortrag Martin Sellners. Der 35-jährige Österreicher ist seit vielen Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv und bestens vernetzt. Zwischen 2015 und 2023 war er Sprecher der Identitären Bewegung Österreich und gilt heute als einer der wichtigsten Ideengeber für die neurechte Szene im deutschsprachigen Raum.
Zuletzt hatte Sellner dabei vor allem ein Thema im Fokus, das er unter dem Kampagnenbegriff "Remigration" bewirbt: Wie Migration nicht nur begrenzt und gesteuert, sondern umgekehrt werden kann.
Sellner will, dass der Staat die Präsenz anderer Kulturen in Deutschland aktiv bekämpft - bis hin zur massenhaften Ausweisung und gezielten Vertreibung von in seinen Augen unwerten Personengruppen. Für ein solches Programm soll Sellner in Potsdam vor Vertretern der AfD und der CDU-Splittergruppe Werteunion geworben haben.
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Was bedeutet Sellners "Masterplan für Remigration" konkret?
Sellners Positionen sind kein Geheimnis; die Inhalte seiner "Remigrationsstrategie" veröffentlichte er bereits vor Monaten in den sozialen Medien. "Deutschland soll jeden Tag wieder etwas deutscher werden", fasste er sein Vorhaben in einem Video vom Dezember 2023 zusammen.
Als Zielgruppe macht Sellner nicht nur Asylbewerber, Ausreisepflichtige oder Straftäter aus, sondern alle Menschen, denen er eine mangelnde Assimilation in eine wie auch immer geartete deutsche Mehrheitskultur unterstellt - ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft. Als "Verbreiter fremder Kulturen" seien sie das Ziel der "Remigration".
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So will Sellner Deutsche aus Deutschland vertreiben
Den pauschalen Entzug von Staatsbürgerschaften schätzt Sellner als schwierig ein, stattdessen brauche es etwa Reformen des Einbürgerungsrechts, um Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit zu diskriminieren. Auch Regelungen zum Familiennachzug sollten für bestimmte Herkunftsländer abgeschafft werden. "Durch gezielten ökonomischen Druck, durch eine starke Politik der Leitkultur (…), kann man eine gewisse Auswanderungsrate erzeugen."
Mit Blick auf EU-Vorgaben oder internationale Verträge fordert Sellner den Austritt Deutschlands aus solchen Konventionen oder einen wohlüberlegten Rechtsbruch. Sellner lobte sogenannte "Ghetto-Gesetze" und sprach sich für eine Förderung nur von mittelgroßen Familien aus. Die Politik soll Geburtenraten von Menschen bestimmter Kultur oder Religion senken. Der Staat solle für "problematische" Ethnien offizielle Quoten errechnen, wie viele das Land verlassen müssten.
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Der Prozess der Assimilierung solle dabei "ein steiler Berg", der "Weg in die Heimat" hingegen ein "gemütlicher Weg" sein, sagt Sellner. Eine solche Politik wäre offen rassistisch und stünde im krassen Widerspruch zu den Leitlinien des Grundgesetzes und einer offenen, liberalen Gesellschaft.
Wer sind die anderen Teilnehmer des Geheimtreffens?
Der "Correctiv"-Recherche zufolge sollen solche und ähnliche Aussagen unter den Teilnehmern des Treffens keinen grundsätzlichen Widerspruch ausgelöst haben. Wer waren die restlichen Teilnehmer?
Quelle: Correctiv
Offiziell trat die Veranstaltung unter dem Namen "Düsseldorfer Forum" auf. Dahinter sollen zwei Personen stehen: Gernot Mörig und Hans-Christian Limmer. ZDFheute liegt eine Einladung des Treffens vor, dort wird Mörig namentlich erwähnt. Der ehemalige Zahnarzt aus Düsseldorf ist schon lange in der rechtsextremen Szene unterwegs.
In den 1970er Jahren war er Bundesführer des "Bunds Heimattreuer Jugend". Aus ihr ging später die 2009 vom Bundesinnenministerium verbotene "Heimattreute Deutsche Jugend" hervor. Mit ideologisch geprägten Freizeitprogrammen schuf sie eine extrem rechte Parallelwelt, in der Kinder "soldatisch" zu einer "völkischen Elite" erzogen werden sollten.
Eine weitere Person hinter dem "Düsseldorfer Forum" soll laut "Correctiv" der Investor Hans-Christian Limmer sein. Er ist Gesellschafter mehrerer großer Gastro-Ketten. Gegenüber "Correctiv" distanzierte sich Limmer jedoch von den Inhalten des Treffens; bei der Planung will Limmer "keine Rolle" gespielt haben. Zwei der mit Limmer verknüpften Unternehmen, die Burger-Kette Hans im Glück und der Lieferdienst Pottsalat, teilten am Mittwoch mit, sich mit sofortiger Wirkung von Limmer zu trennen. Pottsalat tauschte sein Logo im Netz gegen ein durchgestrichenes Hakenkreuz aus.
Beim Treffen in Brandenburg sollen Mörig und AfD-Vertreter nach "Correctiv"-Angaben auch um Spenden geworben haben. Bei einem der anwesenden mutmaßlichen Geldgeber soll es sich um Alexander von Bismarck gehandelt haben, einem Nachfahren des ehemaligen Reichskanzlers.
In den 1970er Jahren war er Bundesführer des "Bunds Heimattreuer Jugend". Aus ihr ging später die 2009 vom Bundesinnenministerium verbotene "Heimattreute Deutsche Jugend" hervor. Mit ideologisch geprägten Freizeitprogrammen schuf sie eine extrem rechte Parallelwelt, in der Kinder "soldatisch" zu einer "völkischen Elite" erzogen werden sollten.
Eine weitere Person hinter dem "Düsseldorfer Forum" soll laut "Correctiv" der Investor Hans-Christian Limmer sein. Er ist Gesellschafter mehrerer großer Gastro-Ketten. Gegenüber "Correctiv" distanzierte sich Limmer jedoch von den Inhalten des Treffens; bei der Planung will Limmer "keine Rolle" gespielt haben. Zwei der mit Limmer verknüpften Unternehmen, die Burger-Kette Hans im Glück und der Lieferdienst Pottsalat, teilten am Mittwoch mit, sich mit sofortiger Wirkung von Limmer zu trennen. Pottsalat tauschte sein Logo im Netz gegen ein durchgestrichenes Hakenkreuz aus.
Beim Treffen in Brandenburg sollen Mörig und AfD-Vertreter nach "Correctiv"-Angaben auch um Spenden geworben haben. Bei einem der anwesenden mutmaßlichen Geldgeber soll es sich um Alexander von Bismarck gehandelt haben, einem Nachfahren des ehemaligen Reichskanzlers.
Die "Correctiv"-Recherche führt vier Vertreter der AfD unter den Teilnehmenden, darunter:
Das Büro von Alice Weidel teilte gegenüber ZDFheute mit, der Parteichefin seien weder Inhalt noch Teilnehmerkreis des Treffens bekannt gewesen. Die AfD werde ihre Haltung zur Einwanderungspolitik nicht abändern, mit Sellners Ideen habe sich die Partei nicht beschäftigt. "Herr Hartwig erklärt zudem, dass er keine Kenntnis davon hatte, dass Herr Sellner dort sprechen wird." In der offiziellen Einladung, die dem ZDF vorliegt, heißt es allerdings: "Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen."
Ulrich Siegmund, der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, soll laut "Correctiv" bei dem Treffen offen um Spenden für Wahlwerbung geworben haben. 1,37 Millionen Euro benötige er demnach "zusätzlich zu dem, was durch die Partei zur Verfügung gestellt wird". Gegenüber "Correctiv" ließ Siegmund über die Medienrechtskanzlei Höcker ausrichten, dass er als "Privatperson" vor Ort gewesen sei - nicht als Abgeordneter.
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy soll bei dem Treffen laut "Correctiv" ein eigenes "Remigrationskonzept" angesprochen haben, dass sie schon bei ihrem Parteibeitritt vor sieben Jahren mitgebracht habe. Die von Sellner skizzierten Ziele verfolge sie demnach schon länger.
Der vierte AfD-Teilnehmer, der Potsdamer Kreis-Vorsitzende Tim Krause, war laut einem Portrait in der "Welt" 2014 selbst zum Islam übergetreten, um in Marokko eine Muslimin heiraten zu können. Sein "Aufwachprozess" begannt laut "Welt" nach dem Scheitern der Ehe und der Flüchtlingskrise 2015.
- Roland Hartwig, persönlicher Referent von Parteichefin Alice Weidel
- Ulrich Siegmund, Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt
- Gerrit Huy, Bundestagsabgeordnete
- Tim Krause, Vorsitzender im Kreis Potsdam
Das Büro von Alice Weidel teilte gegenüber ZDFheute mit, der Parteichefin seien weder Inhalt noch Teilnehmerkreis des Treffens bekannt gewesen. Die AfD werde ihre Haltung zur Einwanderungspolitik nicht abändern, mit Sellners Ideen habe sich die Partei nicht beschäftigt. "Herr Hartwig erklärt zudem, dass er keine Kenntnis davon hatte, dass Herr Sellner dort sprechen wird." In der offiziellen Einladung, die dem ZDF vorliegt, heißt es allerdings: "Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen."
Ulrich Siegmund, der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, soll laut "Correctiv" bei dem Treffen offen um Spenden für Wahlwerbung geworben haben. 1,37 Millionen Euro benötige er demnach "zusätzlich zu dem, was durch die Partei zur Verfügung gestellt wird". Gegenüber "Correctiv" ließ Siegmund über die Medienrechtskanzlei Höcker ausrichten, dass er als "Privatperson" vor Ort gewesen sei - nicht als Abgeordneter.
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy soll bei dem Treffen laut "Correctiv" ein eigenes "Remigrationskonzept" angesprochen haben, dass sie schon bei ihrem Parteibeitritt vor sieben Jahren mitgebracht habe. Die von Sellner skizzierten Ziele verfolge sie demnach schon länger.
Der vierte AfD-Teilnehmer, der Potsdamer Kreis-Vorsitzende Tim Krause, war laut einem Portrait in der "Welt" 2014 selbst zum Islam übergetreten, um in Marokko eine Muslimin heiraten zu können. Sein "Aufwachprozess" begannt laut "Welt" nach dem Scheitern der Ehe und der Flüchtlingskrise 2015.
Auch zwei Mitglieder der Werteunion sind nach "Correctiv”-Angaben beim "Düsseldorfer Forum" dabei – Simone Baum, Vorsitzende der Werteunion NRW, und Michaela Schneider, eine Stellvertreterin Baums.
Die Werteunion bezeichnet sich selbst als "konservative Basisbewegung" innerhalb der Union und hat nach eigenen Angaben etwa 4.000 Mitglieder. CDU und CSU erkannten die Werteunion bislang jedoch nicht als offizielle Parteigliederung an. Ihr Vorsitzender ist der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der den konservativen Verein als eigene Partei etablieren will.
Die Werteunion bezeichnet sich selbst als "konservative Basisbewegung" innerhalb der Union und hat nach eigenen Angaben etwa 4.000 Mitglieder. CDU und CSU erkannten die Werteunion bislang jedoch nicht als offizielle Parteigliederung an. Ihr Vorsitzender ist der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der den konservativen Verein als eigene Partei etablieren will.
Die "Correctiv"-Recherche führt weitere Teilnehmer des "Düsseldorfer Forums" auf, darunter:
- Silke Schröder, Vorstandsmitglied im Verein Deutsche Sprache, der sich vor allem gegen "Gender-Terror in der deutschen Sprache", gegen Anglizismen und gegen Englisch vor deutschen Gerichten einsetzt.
- Ulrich Vosgerau, Verfassungsrechtler und ehemaliges Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Er soll bei dem Treffen etwa Bedenken zu Briefwahlen geäußert haben, da sich etwa junge Wählerinnen türkischer Herkunft seiner Ansicht nach keine unabhängige Meinung bilden könnten.
- Mario Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt. Müller ist Funktionär der Identitären Bewegung in Deutschland und mehrfach verurteilter Gewalttäter.
- Arne Friedrich Mörig, Sohn von Organisator Genot Mörig. "Correctiv" zufolge stellt er bei dem Treffen seinen Plan vor, eine Agentur für rechte Influencer aufzubauen. Weidels Referent Hartwig soll in Aussicht gestellt haben, dass die AfD die Agentur mitfinanzieren könnte - mit dem Ziel, Einfluss auf Wahlen zu nehmen, vor allem bei jungen Leuten.
- Alexander von Bismarck, ein Nachfahre des früheren Reichskanzlers. Mörig wirbt in der Einladung, die ZDFheute vorliegt, mit Bismarcks Namen - und seiner Vernetzung "weit über das bürgerlich-patriotische Lager hinaus".
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