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Trotz Lehrkräftemangels:Referendariat: Arbeitslos in die Sommerferien
von Sophie Burkhart
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Einige Bundesländer schicken Referendare in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit. Der Deutsche Lehrerverband kann das in Zeiten des Lehrkräftemangels nicht nachvollziehen.
Die meisten Schüler*innen und Lehrkräfte freuen sich auf die Sommerferien. Für Referendar*innen bricht jedoch eine schwierige Zeit an: Manche von ihnen müssen sich arbeitslos melden und Bürgergeld beantragen.
So auch Hannah Schneider (Name von der Redaktion geändert), Referendarin an einer Schule in Rheinland-Pfalz. Sie möchte lieber anonym bleiben. Zu groß ist die Angst, dass "Kritik am System" ihre Einstellung im Schuldienst und die Verbeamtung verhindert.
Sechs Wochen kein Geld für angehende Lehrkräfte
In Rheinland-Pfalz schließen rund 2.000 Referendar*innen zum 14. Juli ihren Vorbereitungsdienst ab, dann laufen die Verträge aus. Sie werden in die Arbeitslosigkeit geschickt, unabhängig davon, ob sie nach den Ferien eine Stelle haben oder nicht. Die Einstellung erfolgt wieder zum ersten Schultag. In Rheinland-Pfalz ist das der 26. August. Für die angehenden Lehrkräfte heißt das: sechs Wochen kein Geld.
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Das Referendariat - auch Vorbereitungsdienst genannt - ist die zweite Phase der Lehrkraftausbildung mit einem praktischen Einsatz in einer Schule. Die Dauer variiert je nach Bundesland, denn Bildung ist Ländersache. In den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dauert das Referendariat beispielsweise 18 Monate, in Bayern und Thüringen sind es hingegen 24 Monate. Wie groß die Lücke zwischen dem Ende des Referendariats und dem Beginn der Arbeitsstelle ist, hängt deshalb auch vom Bundesland ab.
Keineswegs ungewöhnlich, teilte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums mit. "[…] Mit Blick auf den schonenden Umgang mit Steuergeldern ist es aus Sicht der Landesregierung selbstverständlich, Lehramtsabsolventinnen und -absolventen von dem Zeitpunkt an einzustellen, ab dem sie ihren Dienst leisten", heißt es aus dem Ministerium weiter.
Hessen: Kein Steuergeld für arbeitsfreie Übergangszeit
In Baden-Württemberg gilt dieselbe Praxis. Zwischen dem Ende des Vorbereitungsdienstes und dem Beginn der Arbeitsstelle werden keine Bezüge gezahlt. In Hessen ist es ebenso, hier können die jungen Lehrkräfte allerdings bereits drei Tage vor Unterrichtsbeginn wieder eingestellt werden.
Hannah Schneider kann das nicht nachvollziehen. Schließlich werde auch das Bürgergeld aus Steuergeldern bezahlt. Bürgergeld zu beantragen sei ein wahnsinniger Aufwand, sagt sie. "Das ist einfach eine unangenehme Arbeit, die man nicht gerne erlebt, aber es ist halt auch ein blödes Gefühl, Bürgergeldempfängerin zu sein", schildert die junge Lehrerin. Sie müsse sich Geld leihen, um über die Runden zu kommen.
Sachsen und Bayern: Bezahlung auch in Sommerferien
Doch nicht in allen Bundesländern droht Referendar*innen in den Sommerferien die Arbeitslosigkeit. In jedem Bundesland gibt es unterschiedliche Regelungen. Der Grund: Bildungsföderalismus.
Ganz anders sieht es zum Beispiel in Bayern aus. Dort dauert der Vorbereitungsdienst 24 Monate, die Sommerferien sind in die Ausbildungszeit integriert und werden bezahlt.
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In Sachsen sei es noch nie üblich gewesen, Lehramtsanwärter*innen über die Sommerferien nicht zu bezahlen, und das werde auch in Zukunft nicht passieren, sagte eine Sprecherin des dortigen Kultusministeriums.
Die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Anordnungen könnten zur Folge haben, dass Referendar*innen sich umorientieren und in andere Bundesländer abwandern, in denen die Schule früher beginnt. Dort werden sie dann auch früher wieder bezahlt.
Schätzung für Kultusministerkonferenz: Bis 2025 fehlen 25.000 Lehrkräfte
Lehrkräfte, die im eigenen Bundesland ausgebildet wurden, einfach so ziehen lassen? "Das kann sich in Zeiten des Lehrkräftemangels kein Bundesland leisten", sagt Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte fehlen werden.
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Der Deutsche Lehrerverband fordert die entsprechenden Bundesländer dazu auf, "Lehrkräfte, die ihren Vorbereitungsdienst abgeschlossen haben, in den Sommerferien nicht hängen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Verträge die Sommerferien miteinschließen".
"Ich habe nicht das Gefühl, dass Lehrermangel herrscht, so wie man behandelt wird", findet Hannah Schneider. Aufgrund des Umgangs mit angehenden Lehrkräften habe sie sich öfters überlegt, ob sie das Referendariat überhaupt beenden soll. Jetzt ist sie fertig und will arbeiten. Lehrerin sei - unabhängig vom Referendariat - ein wahnsinnig schöner Beruf, sagt sie.
Sophie Burkhart arbeitet im ZDF-Studio Rheinland-Pfalz.
Quelle: ZDF
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