Pistorius zu Abhöraffäre: Ursache war individueller Fehler
Taurus-Abhöraffäre:Pistorius: Ursache war individueller Fehler
von Kristina Hofmann
|
Kein Hack, sondern eine unsichere Leitung: Die Abhöraktion der Russen ist laut Minister Pistorius "ärgerlich". Der Schaden aber sei überschaubar. Das habe eine Prüfung ergeben.
Das Statement von Verteidigungsminister Pistorius in voller Länge.05.02.2024 | 19:41 min
Der Termin ist ihm offenbar so wichtig, dass er kurz vor dem Abflug nach Schweden noch eilig die Presse einberuft. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat am Dienstag die ersten Ergebnisse zur Abhöraffäre bekannt gegeben. Demnach konnte das Gespräch hochrangiger Bundeswehr-Offiziere über das Waffensystem Taurus nur wegen eines "individuellen Anwendungsfehlers" vom russischen Geheimdienst mitgeschnitten werden, sagt er.
Die Webex-Leitungen, die die Bundeswehr mit einer geschützten Version für ihre Kommunikation nutzt, seien nicht gehackt worden, so Pistorius. Sondern einer der Teilnehmer habe sich aus Singapur in die Konferenz eingeschaltet und vermutlich entweder eine unsichere Mobilfunk- oder eine unsichere Wlan-Leitung des dortigen Hotels genutzt. Damit hätten die sonst üblichen Sicherheitsmechanismen für den Gebrauch von Webex nicht funktioniert, so Pistorius.
Der Minister geht von einem Zufall und keinem gezielten Angriff eines russischen Spions aus. Zeitgleich habe in Singapur eine Konferenz europäischer Militärs stattgefunden. Das Gespräch der Bundeswehroffiziere sei daher "ein gefundenes Fressen gewesen", so Pistorius. Er gehe von einem "Zufallstreffer, im Rahmen einer breit angelegten, gestreuten Vorgehensweise" aus.
Nach der Pressekonferenz zur Abhöraffäre ist Bundesverteidigungsminister Pistorius nach Schweden gereist. Worum geht es bei der Reise nach Skandinavien? Thomas Reichart berichtet.05.03.2024 | 1:28 min
Noch keine personellen Konsequenzen
Die Untersuchungen zu dem Vorfall sind aber noch nicht abgeschlossen. Bei dem Gespräch waren die Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde, besprochen worden. In dem Mitschnitt ist auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte, da die Reichweite der Raketen bei 500 Kilometer liegt. Dafür wird er sowohl innerhalb der Ampel-Koalition als auch von der Opposition heftig kritisiert.
Der Abhörfall rund um Taurus zeige, dass Teile der Bundeswehrführung "nicht in der neuen Bedrohung durch Russland angekommen sind", so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart. 05.03.2024 | 4:26 min
Die Geräte der beteiligten Bundeswehr-Offiziere sollen nun forensisch untersucht und die IT-Systeme überprüft werden. Außerdem soll es "disziplinarische Vorermittlungen" gegen die Offiziere geben, sagt Pistorius. Das bedeute aber noch nicht, dass Disziplinarverfahren eingeleitet werde. An dem Gespräch war auch Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz beteiligt. Sollte "nichts Weiteres" herauskommen, plant Pistorius keine personellen Konsequenzen.
Dennoch sei der Vorfall selbst "ärgerlich" und "ein schwerer Fehler", sagte der Minister. Die Konsequenzen würden "mit Besonnenheit und Gelassenheit" gezogen. Sein Fazit: "Unnötig, schlimmer Fehler, wird aufgearbeitet."
Zumindest die Opposition will die politische Debatte um die Taurus-Marschflugkörper weiter führen. Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, sagt im WDR, seine Fraktion werde eine Sondersitzung des Verteidigungsauschusses noch für diese Woche beantragen. Die Union agiere da "ohne Schaum vor dem Mund", es gebe ein "legitimes Aufklärungsinteresse".
Die Forderungen bleiben vehement – doch Bundeskanzler Scholz will keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Was kann das viel diskutierte Waffensystem?05.03.2024 | 3:23 min
Kritiker werfen Scholz vor, er habe bei der Ablehnung des Taurus-Einsatzes nicht ganz die Wahrheit gesagt. Die Marschflugkörper könnten so programmiert werden, dass sie weniger weit fliegen. In dem mitgeschnittenen Gespräch der Offiziere schätzen diese ein, dass ohne Beteiligung deutscher Soldaten eine kurzfristige Lieferung nicht möglich sei. Andernfalls müsse man ukrainische Soldaten über Monate ausbilden.
Scholz hatte auch argumentiert, Soldaten und damit auch ein Mandat des Bundestages seien dann nötig, denn auch britische und französische Soldaten seien bereits bei der Programmierung von deren System in der Ukraine involviert. Das hatte ihm heftige Kritik eingebracht.
Pistorius: Vertrauen nicht beschädigt
Minister Pistorius hält den politischen Schaden der Abhöraffäre trotzdem für "überschaubar". Es seien, Stand heute, keine bedeutenden geheimen Informationen öffentlich geworden. In Telefonaten mit Nato-Staaten habe er den Fall erklärt. "Das Vertrauen in Deutschland als Nato-Partner ist dadurch nicht beschädigt", sagte er. Denn jeder wisse, dass Spionageangriffe passieren könnten.
Ob nun Taurus doch noch geliefert werden soll, dazu hielt sich Pistorius am Dienstag zurück. Denn wenn er darüber spekuliere, dann springe er über das Stöckchen, das Russland ihm durch den Fall hinhalte. "Dazu habe ich keine Lust."
Russlands Präsident Putin bestimme seit Monaten die Agenda, "über das, was wir in Deutschland diskutieren". Es gebe immer "willfährige Büchsenspanner" in der AfD und bei den Linken sowie eine Öffentlichkeit, die mit "Lust und Wonne" diese Diskussion weitertreibe. "Ob uns das in der Diskussion wirklich hilft, daran habe ich meine Zweifel."
Russland führt in der Ukraine Krieg mit Panzern und Geschützen. Im digitalen Raum hat es den Angriff längst ausgeweitet. Wie kann sich Deutschland besser schützen?