Taurus-Leak: Wie sicher ist die Bundeswehr-Kommunikation?
Nach Taurus-Abhöraffäre:Wie sicher ist die Bundeswehr-Kommunikation?
von Julia Klaus, Nils Metzger
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Russland konnte eine vertrauliche Bundeswehr-Besprechung mithören. Wie konnte es dazu kommen? Wie werden Geheimnisse sonst geschützt? So sicher kommuniziert Deutschlands Militär.
Die von Russland geleakte Videokonferenz über die mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern bringt Kanzler Scholz und die Bundeswehr in Erklärungsnot.
04.03.2024 | 2:42 min
Die am Freitag von Russland geleakte vertrauliche Bundeswehr-Besprechung hat große Zweifel an der Sicherheit von deutschen Militärgeheimnissen geweckt. Viele Details zum Ausmaß des russischen Zugangs sind noch unklar. Hier der aktuelle Wissensstand:
Wie konnte die Bundeswehr-Besprechung mitgeschnitten werden?
Das wird derzeit untersucht. Roderich Kiesewetter (CDU), Vize-Vorsitzender des für die Geheimdienst-Kontrolle zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte ZDFheute:
So peinlich das wäre, diese Variante wäre wohl das für die Bundeswehr noch glimpflichste Szenario. Sollte es eine grundsätzliche Sicherheitslücke in der internen Kommunikation mit WebEx geben, könnten noch viel mehr Gespräche abgehört worden sein. Darauf hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei einer Pressekonferenz am Sonntag zwar noch keine Hinweise, doch intern wird das nun mit Hochdruck untersucht. Unionsvertreter fordern zur Aufklärung gar einen Untersuchungsausschuss im Bundestag.
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Wie sicher ist die Plattform WebEx?
Die Besprechung fand über die Kommunikationsplattform WebEx statt. Sie wird für viele Bundeswehr-Konferenzen genutzt - aber nicht nur dort: Auch die Bundesregierung, Sicherheitsbehörden und das Parlament nutzen das kommerzielle Produkt des US-Anbieters Cisco.
Die Behörden-Version unterscheidet sich von der in regulären Unternehmen. Im Reichstag etwa musste WebEx für das interne Netzwerk Parlakom angepasst werden. WebEx ist zwar ein US-Produkt, doch das bedeutet nicht automatisch, dass Informationen in die USA überspielt werden; das WebEx der Bundeswehr läuft über lokale Server des Bundes.
Mit WebEx ist so auch die Kommunikation eingestufter Informationen möglich - zumindest bis zur Stufe "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD), den untersten Geheimhaltungsgrad. Dafür muss aber eine besondere Verschlüsselung in der Software aktiviert sein.
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Ein Ministeriumssprecher sagte am Montag: "Wir haben ein breites Portfolio über Kommunikationslösungen, die bis zu dem jeweiligem Einstufungsgrad geschützt und zugelassen sind." Nun prüfe man, ob die Vorgaben für diesen Fall eingehalten worden seien.
Wie können Soldaten Geheimes besprechen?
Eine Herausforderung für militärische WebEx-Besprechungen ist, genau den Überblick zu behalten, was in welchem Kontext gesagt werden darf und was schon die Grenze zur nächsthöheren Geheimhaltungsstufe "VS-Vertraulich" überschreitet.
Hier womöglich nicht eingeschritten zu sein, ist das, was Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz potenziell dienstrechtliche Konsequenzen einbringen könnte. Das Verteidigungsministerium lässt deshalb nun jeden gefallenen Satz überprüfen.
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Informationen ab Einstufung "geheim" werden in der Bundeswehr als "rote" Daten bezeichnet. Auch über sie kann digital gesprochen werden, dafür muss aber speziell gehärtete Technik genutzt werden. Oft liegt die in eigens dafür vorgesehenen Räumen und Geheimschutzstellen, wo etwa Handys vor dem Betreten abgegeben werden müssen. Insbesondere aus dem Ausland und mit schlechtem Internet sollen diese Verbindungen aber teils nicht so optimal laufen wie weniger geschützte Systeme, berichten Soldaten.
Dürfen Soldaten dienstlich WhatsApp benutzen?
Eine kurze Bemerkung in der abgehörten Konferenz, die ebenfalls Fragen aufwirft, ist die Ankündigung eines Teilnehmers, bestimmte dienstliche Informationen "zu whatsappen". Die Nutzung von WhatsApp für dienstliche Kommunikation ist Soldaten seit mehreren Jahren grundsätzlich nicht gestattet - ganz unabhängig von der Geheimhaltung.
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Stattdessen hat das deutsche Militär seinen eigenen mobilen "Bw Messenger", der nur Bundeswehrangehörigen offensteht und zumindest "VS-NfD"-Kommunikation erlaubt. Doch diesen nutzen bei Weitem nicht alle Soldaten. Der Grund? "Menschen sind faul, bequem oder unbedacht und meistens alles auf einmal", so ein Soldat aus dem militärischen Nachrichtenwesen zu ZDFheute.
Ein anderer Soldat führt auch Misstrauen gegenüber dem Arbeitgeber als Grund für die geringe Nutzung des "Bw Messengers" an: "Weil der scheiße ist und viele Soldaten Angst hatten, dass der Dienstherr damit ihre Handys ausspäht. Deshalb wollten sie ihn sich nicht holen, zumindest bei uns nicht."
Dass manche Soldaten dem Dienstherrn mehr misstrauten als feindlichen Diensten, sei aus seiner Sicht fatal. Verglichen mit vor fünf Jahren sei das "WhatsApp-Problem" der Bundeswehr jedoch kleiner geworden: "Läuft zwar immer noch viel darüber, aber keine Verschlusssachen."
WebEx und Co. - Wie sicher kommunizieren Behörden und Ministerien?
Die Corona-Pandemie habe einen "Kulturwandel" ausgelöst, berichtet ein Angehöriger aus den Sicherheitsbehörden:
Von Zoom über Wire bis WebEx - insgesamt herrsche ein "Wildwuchs an Systemen und IT", mit denen deutsche Behörden, Ministerien und die Bundesregierung kommunizieren, klagt ein Mitarbeiter aus dem Bundestag. Er fürchtet, dass Sicherheitslücken deshalb weniger schnell erkannt und behoben werden könnten.
Russische Hacker hatten 2015 den Bundestag angegriffen und Daten erbeutet. Das Parlament war daraufhin wochenlang vom Netz genommen worden. Welche Konsequenzen aus dem aktuellen Bundeswehr-Leak gezogen werden, ist noch unklar.
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