Ampel will Schuldenbremse für 2023 aussetzen

    Nach Karlsruher Urteil:Ampel will Schuldenbremse für 2023 aussetzen

    von Kristina Hofmann und Dominik Rzepka
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    Die Bundesregierung will für das laufende Jahr die Schuldenbremse aussetzen. Finanzminister Christian Lindner kündigt einen Nachtragshaushalt für 2023 an. Was das bedeutet.

    Die Ampel-Koalition will wegen des Karlsruher Haushaltsurteils für dieses Jahr die Schuldenbremse aussetzen. Das bestätigte eine Sprecherin von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ZDFheute.

    Die Bundesregierung wird dem Bundestag mit dem Nachtrag einen Beschluss für die Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage für das Jahr 2023 vorschlagen.

    Sprecherin von Finanzminister Lindner

    Es würden keine neue Schulden aufgenommen, sondern lediglich die bereits abgeflossenen Mittel zur Krisenbewältigung auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt, hieß es.

    Die Schuldenbremse ist das Prinzip, nicht mehr Geld auszugeben, als man hat. Jede Bundesregierung darf nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Schulden machen, Schulden sind also gedeckelt. Diese Grundgesetzänderung wurde 2009 beschlossen. Es ist aber möglich, die Schuldenbremse auszusetzen. Entweder mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder durch die Ausrufung einer Haushaltsnotlage.

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    Lindner kündigt Nachtragshaushalt an

    Zuvor hatte Lindner lediglich einen Nachtragshaushalt angekündigt. "Wir werden die Ausgaben insbesondere für die Strom- und Gaspreisbremse jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage stellen, dazu bedarf es dieses Nachtragshaushaltes", so Lindner.

    Ich betrachte es als meine Aufgabe, jetzt reinen Tisch zu machen.

    Christian Lindner, Bundesfinanzminister

    Über das Jahr 2024 und die nächsten Jahre könne erst dann wieder gesprochen werden, wenn es einen rechtssicheren und verfassungsrechtlich gesicherten Zustand gebe. Ein Nachtragshaushalt sei jedoch ohne Aussetzen der Schuldenbremse nicht zu finanzieren, hieß es aus dem Ministerium.

    Was bedeutet Nachtragshaushalt?

    Der Nachtragshaushalt ist eine Konsequenz des Karlsruher Urteils zum Haushalt 2023. Das Bundesverfassungsgericht hatte es in der vergangenen Woche als unzulässig erklärt, dass ungenutzte Corona-Kredite in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgeschichtet werden dürfen.
    Dadurch fehlen der Koalition in den kommenden Jahren mindestens 60 Milliarden Euro, die für Energiewende-Projekte aus dem KTF vorgesehen waren.
    So sollten mehrere Milliarden Euro in die Förderung der Elektromobilität, die Sanierung der Bahn und die Ansiedlung der US-Chipfabrik Intel in Sachsen-Anhalt fließen.

    Notlage möglicher Ausweg

    Nachtragshaushalt bedeutet zunächst einmal schlicht, dass der ursprüngliche Haushaltsplan geändert wird. Theoretisch wäre es möglich, die im KTF fehlenden Milliarden an anderer Stelle wegzunehmen und damit auszugleichen.
    Möglich ist aber auch, wie eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte, nachträglich eine Notlage auszurufen und somit die Schuldenbremse zu umgehen. Bislang hatte das die Bundesregierung bei der Corona-Pandemie und der Energiekrise nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine getan. Die FDP war bislang dagegen.

    Sachverständige uneins

    Bei der Anhörung von Sachverständigen vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages war der Ausweg, wieder die Notlage auszurufen, favorisiert worden. Der Heidelberger Verfassungsjurist Hanno Kube, der die Klage der Union gegen den Haushalt 2023 angestrengt hatte, hielt eine nachträgliche Notlage für möglich, "so lange noch finanzielle Auswirkungen einer Notlage zu decken sind".
    Es gehe ja nicht um die Notlage selbst, sondern die Folgen. Die Bundesregierung müsse also darlegen, dass die Förderprogramme eine Folge der Energiekrise seien.
    Mehrheitsmeinung ist das allerdings nicht: Der von der AfD bestellte Wirtschaftswissenschaftler Dirk Meyer von der Universität Hamburg hielt diese Idee für nicht möglich. Denn die aktuelle Krise sei von der Koalition selbst verschuldet, weil sie Projekte der Energiewende durch Corona-Kredite finanzieren wollte.

    Welche Frage Lindner offen ließ

    Lindner ließ am Donnerstag offen, wie sein Nachtragshaushalt aussehen wird. Damit dürften die Spardiskussionen auch für den Etat 2024 der vergangenen Tage nicht beendet sein. Der Beschluss dazu war am Mittwoch ausgesetzt worden. Die meisten der jetzt auf der Kippe stehenden Förderprogramme sind auf Jahre angelegt.
    In den vergangen Tagen hatten sich die Parteien mit Sparvorschlägen überschlagen. CDU-Vorsitzender Friedrich Merz etwa hatte die Streichung der Kindergrundsicherung und des Bürgergeldes vorgeschlagen.

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