Corona-Kredite: Sind die 60 Milliarden futsch?

    FAQ

    Haushaltsloch der Ampel:Sind die 60 Milliarden für Corona futsch?

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Das Bundesverfassungsgericht hat den Haushalt der Ampel gekippt. Jetzt fehlen 60 Milliarden Euro, die für Corona bestimmt waren. Ist das Geld futsch?

    Was wird aus den 60 Milliarden Euro?

    Das Geld ist futsch. Genauer gesagt: Es war nie da. Die 60 Milliarden Euro kann man sich eben nicht wie einen Topf voller Geld vorstellen. Es hat sich stattdessen um sogenannte Kreditermächtigungen für das Jahr 2021 gehandelt. Also: Der Staat hätte sich 60 Milliarden Euro an Krediten leihen dürfen, um damit Corona-Hilfen zu bezahlen.
    Doch es kam anders. Das Geld wurde nicht gebraucht, die Kredite wurden nicht aufgenommen. Die Idee der Ampel war, die Kredite stattdessen für Klimaschutzprojekte zu nutzen - auch für die kommenden Jahre. Genau das aber hat das Bundesverfassungsgericht verboten.
    Die Ampel kann das Geld auch nicht für Corona-Hilfen verwenden oder für die Vorbeugung künftiger Pandemien. Denn es gilt das sogenannte Jährlichkeitsprinzip: Kredite müssen in dem selben Jahr aufgenommen werden, in dem sie eingeplant waren.

    Womit hatte das Gericht ein Problem?

    Anhand eines Beispiels erklärt: Mal angenommen, auf Ihrem Girokonto sind 3.000 Euro, Ihr Dispokredit beträgt 1.500 Euro. Mehr als 1.500 Euro Miese dürfen Sie also nicht machen. Was aber, wenn Sie sich ein klimafreundliches Elektroauto für 10.000 Euro kaufen wollen?
    Angenommen, Sie gehen dann zu Ihrer Bank und eröffnen ein zweites Konto, mit dem Sie einen Kredit von 10.000 Euro aufnehmen. Dann bleibt Ihr Girokonto in den schwarzen Zahlen, die Schulden haben Sie lediglich auf dem zweiten Konto. So ähnlich war die Idee der Ampel.
    Der Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) hätte keine neuen Schulden gemacht. Sie wären ausgelagert auf einem zweiten Konto, eben jenem Klima- und Transformationsfonds. Lindner hätte auf dem Papier die Schuldenbremse eingehalten, aber eben auch nur auf dem Papier. Schulden hätte er laut Gericht trotzdem gemacht, sie halt nur woanders verbucht.

    Was genau ist die Schuldenbremse?

    Die Schuldenbremse ist das Prinzip, nicht mehr Geld auszugeben, als man hat. Also: Auf das Elektroauto zu verzichten, wenn man es sich nicht leisten kann.
    Übertragen auf den Haushalt der Ampel: Jede Bundesregierung darf nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Schulden machen. Mehr geht nicht, Schulden sind gedeckelt. So steht es seit 2009 im Grundgesetz. Was im Grundgesetz steht, ist bindend und das Bundesverfassungsgericht wacht darüber.

    Warum hat das Urteil Sprengkraft für die Ampel?

    Weil es um einen grundlegenden Konflikt innerhalb der Ampel geht: Für die FDP ist die Schuldenbremse ein Markenkern - und so viele Markenkerne hat die Partei in der Ampel laut Kritikern aus den eigenen Reihen nicht mehr. Umso mehr dürfte die FDP an ihrer Überzeugung festhalten: Aus Krisen spart man sich heraus.
    Die Grünen und viele in der SPD sehen das grundlegend anders. Sie sagen: Aus Krisen investiert man sich heraus. Investitionen in den Klimaschutz zum Beispiel sind für die Grünen nicht nur klimapolitisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Es handele sich schließlich um Investitionen in die Zukunft, die wichtiger seien als das Prinzip der Schuldenbremse.

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    Diesen grundlegenden Konflikt hatte der Klima- und Transformationsfonds verdeckt. Sowohl neue Schulden als auch die Einhaltung der Schuldenbremse waren auf dem Papier möglich. Damit ist jetzt allerdings Schluss.

    Wie reagiert die Opposition?

    Mit Kritik und Forderungen nach Einsparungen. Es war die Union, die vor dem Verfassungsgericht geklagt hatte. Am Tag nach dem Urteil kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz während einer aktuellen Stunde im Bundestag, die Ampel setze sich über die Regeln der Schuldenbremse des Grundgesetzes hinweg.
    Als Konsequenz wollen sich die Haushälter von CDU und CSU nicht mehr aktiv an den Beratungen über den Haushalt 2024 beteiligen. Und der CDU-Chef will an Bürgergeld und Kindergrundsicherung sparen. Merz sagt in der ARD:

    Es geht eben nicht mehr alles.

    Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender

    Wie geht es jetzt weiter?

    Mit Streit. Denn die Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro fehlen erst einmal. Mit dem Geld sollten auch Schienen ausgebaut oder der Chiphersteller Intel in Magdeburg gefördert werden. Was daraus wird, ist offen.
    Der Klima- und Transformationsfonds ist mit dem Urteil des Gerichts allerdings nicht plötzlich leer. Die Ampel dürfte jetzt aber im Prinzip noch einmal neu verhandeln, welche Projekte besonders wichtig und weiterhin finanzierbar sind. Höhere Steuern als Kompensation für die 60 Milliarden Euro wollen zwar SPD und Grüne, nicht aber die FDP.
    In diesen Streit könnte jetzt Bewegung kommen. Die Ampel wird auch die Frage diskutieren, die Schuldenbremse zeitweilig auszusetzen. Ende offen.

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