Landtagswahlen:Wie sinnvoll ist Merz' Ost-Wahlaufruf?
von Jan Schneider
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CDU-Chef Merz appelliert an die Wähler von SPD, FDP und Grünen, bei den Landtagswahlen im Osten lieber CDU zu wählen. Das kann seiner Partei Stimmen bringen, aber auch Probleme.
CDU-Chef Friedrich Merz über die anstehenden Landtagswahlen im Osten, eine Zusammenarbeit mit dem BSW und öffentliche Debatten über Waffenlieferungen an die Ukraine.23.06.2024 | 20:02 min
SPD, Grüne und FDP spielen "im Osten kaum noch eine Rolle", sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Und rief im nächsten Atemzug die Wähler dieser Parteien dazu auf, bei den kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland ihre Stimme besser der CDU zu geben. Damit solle verhindert werden, dass die AfD in eine Landesregierung komme.
Doch welchen Effekt hätte es, wenn Wählerinnen und Wähler Merz' Aufruf tatsächlich folgen und kann die Idee für die CDU auch nach hinten losgehen? ZDFheute mit dem Überblick:
Wie reagiert die Ampel selbst?
Die Grünen machen am Tag nach dem Sommerinterview deutlich, dass sie nicht auf Merz' Wahlaufruf eingehen werden. Grünen-Chefin Ricarda Lang zum Beispiel sagt ZDFheute:
Sie wisse nicht, wie eine stabile Mehrheitsbildung in einem Parlament möglich sein solle, in dem nur noch BSW, CDU und AfD säßen.
Lang fordert ihrerseits Merz auf, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten: "Ich hoffe, dass alle Demokraten sich einig sind, auch die Union, dass es keine Verhandlungen mit Rechtsextremen geben kann."
Wie sinnvoll ist Merz-Aufruf an Wähler von FDP, SPD und Grünen?
Was Merz da im Sommerinterview vorgeschlagen hat, nennt sich taktisches Wählen. Dabei geben Bürger ihre Stimme nicht dem eigentlich bevorzugten Kandidaten oder der eigentlich bevorzugten Partei, sondern einer Wahloption, der sie die größeren Erfolgschancen zurechnen. Das ist gerade dann relevant, wenn Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten, da diese Stimmen dann keine Rolle bei der Sitzverteilung im Parlament spielen.
Für Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele von der Hertie School in Berlin ist der Aufruf trotzdem "sehr irreführend". Die drei Ampelparteien könnten durch einen engagierten Wahlkampf durchaus noch Stimmen aufholen und wären auch potenzielle Koalitionspartner für die CDU, sollten sie in den jeweiligen Landtagen vertreten sein. Außerdem sei die Lage der Parteien nicht so aussichtslos, wie von Merz beschrieben. Immerhin stelle in einem der drei ostdeutschen Länder, in denen Landtagswahlen stattfinden, die SPD aktuell den Ministerpräsidenten - gemeint ist Dietmar Woidke in Brandenburg.
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Kann der Aufruf für Merz auch nach hinten losgehen?
Der Aufruf zum taktischen Wählen kann durchaus auch nach hinten losgehen, sagt der Experte für Wahl- und Parteienforschung, Kai Arzheimer, von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Es sei eine "sehr sportliche Logik", die Merz vertrete.
Warum diese nach hinten losgehen könnte, lässt sich am Beispiel Sachsen verdeutlichen: Dort stehen SPD und Grüne aktuell in den Umfragen zwischen fünf und sieben Prozent. Sollte Merz' Aufruf nun dazu führen, dass wirklich Wähler*innen von SPD und Grünen ihre Stimme lieber der CDU geben, würde diese zwar einige Prozente hinzugewinnen. Es kann aber auch dazu führen, dass genau dadurch SPD und Grüne unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen und nicht mehr im Landtag vertreten sind.
Damit würden alle Stimmen, die diese beiden Parteien bekommen haben, keine Rolle bei der Sitzverteilung spielen - was bis zu knapp zehn Prozent der Wählerstimmen betreffen könnte. Auch AfD und BSW würden so mehr Sitze im Landtag bekommen, als wenn SPD und Grüne ebenfalls ins Parlament eingezogen wären.
Eine Koalition ohne die CDU könnte damit also auch stärker werden.
Wie sich die Sitzverteilung auch durch Nichtwähler verändert, erklärt unsere Scroll-Story:
Jede Stimme ist zwar immer gleich viel wert. Doch wenn weniger Menschen wählen gehen, gewinnt – im übertragenen Sinne – die einzelne Stimme an Gewicht. Warum, erklärt diese Story.
Anders verhält sich das bei Stichwahlen, wie kürzlich bei den Kommunalwahlen in Thüringen, so Arzheimer. Wenn ohnehin klar ist, dass nur noch zwei Kandidat*innen zur Wahl stehen, kann es durchaus sinnvoll sein, wenn sich demokratische Parteien zusammentun und Parteien für die Wahl der Konkurrenz werben. Bei Landtagswahlen sei das aber in der Regel nicht der Fall.
Welche Konstellationen erwarten uns in Thüringen, Sachsen und Brandenburg?
"Ich denke, dass hier noch unheimlich viel in Bewegung ist und wir das momentan nicht vorhersagen können", meint Politikwissenschaftlerin Römmele. Es gebe aktuell keine erkennbaren Mehrheiten nach verlässlichem Muster. Was für sie aber schon sicher ist: Es werden ungewöhnliche Koalitionen entstehen nach den Landtagswahlen, nicht die "üblichen" Farbmuster.
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Die CDU müsse zudem ihre "Hufeisenpolitik" überdenken - damit ist gemeint, dass die Union bisher immer ausgeschlossen hat, mit Parteien am rechten Rand (AfD) bzw. am linken Rand (Die Linke) zusammenarbeiten will. Bis vor kurzem galt das auch für das neue Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW), das wurde von Merz aber wieder relativiert.
Ein ganz wichtiger Punkt wird laut Römmele auch der Wahlkampf sein: