Fünfter Jahrestag: Was sich seit dem Lübcke-Mord getan hat

    Gedenken zum fünften Jahrestag:Was sich seit dem Lübcke-Mord geändert hat

    von Susana Santina
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    Vor fünf Jahren wurde der Politiker Walter Lübcke heimtückisch von einem Rechtsradikalen ermordet. Was hat sich seitdem getan?

    Gedenken an Walter Lübcke in Kassel.
    Vor fünf Jahren wurde Walter Lübcke ermordet. (Archivbild)
    Quelle: Swen Pförtner/dpa

    Der Mord an Walter Lübcke in der Nacht zum 2. Juni 2019 war in Deutschland eine Zäsur. Denn der CDU-Politiker wurde ermordet, weil er sich für Geflüchtete stark gemacht hatte. Hass und Hetze, die er deswegen vor allem im Netz erfuhr, führten dazu, dass sich der Rechtsradikale Stephan Ernst bekräftigt fühlte, Walter Lübcke auf dessen Terrasse zu erschießen. Ernst selbst hatte das beim Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ausgesagt.
    Der 49-Jährige wurde wegen heimtückischen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt, was seine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausschließt.

    Zahl rechter Straftaten seit Lübcke-Mord gestiegen

    Ein brutaler Mord aus rechtsradikalen Motiven. Die Bestürzung bei vielen Menschen in Deutschland war groß. Hat sich seither etwas verändert, wie viele Politiker versprochen haben? Wenn man nach den offiziellen Zahlen geht, ist es sogar schlimmer geworden.
    Das Bundesinnenministerium gab vor kurzem heraus, dass die Zahl politisch motivierter Delikte im Jahr 2023 auf mehr als 60.000 gestiegen ist. Besonders stark war der Anstieg bei der sogenannten "PMK-rechts", also rechter und rechtsextremistischer Kriminalität.
    Hier gab es 2023 insgesamt 28.945 Delikte. Rund 23 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Innenministerin Nancy Faeser betonte:

    Der Rechtsextremismus bleibt die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie und die Menschen in unserem Land.

    Nancy Faeser, Bundesinnenministerin

    Ein Aktenordner der Partei Die Linke mit der Aufschrift ·Lübcke-Ausschuss UNA 20/1· im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
    Der hessische Landtag diskutierte, ob man den Mord an Walter Lübcke hätte verhindern können. Da eine Einigung der Parteien ausblieb, liegen nun mehrere Abschlussberichte vor.19.07.2023 | 1:46 min

    Politiker versichert umfassende Maßnahmen nach Mord

    Doch wie kann man verhindern, dass Rechtsradikale in Deutschland morden? Und welche Lehren hat die hessische Landesregierung gezogen?
    CDU-Innenminister Roman Poseck sagt im ZDF-Interview, dass man nach der Ermordung von Walter Lübcke umfassende Maßnahmen ergriffen habe. So habe man zum Beispiel die Arbeit im Verfassungsschutz deutlich intensiviert und neue Schwerpunkte in der Bekämpfung des Rechtsextremismus gesetzt.

    Das heißt, der Verfassungsschutz ist eng in der Szene des Rechtsextremismus drin. Er kommuniziert intensiv auch mit anderen Behörden, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern.

    Roman Poseck, hessischer Innenminister

    Man sei auch intensiver an Personen dran, die vielleicht als "etwas abgekühlt" gelten.
    SGS mit Stefan Schlösser am 19.07.2023
    Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags hat kürzlich seine Ergebnisse zur Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vorgelegt. Dazu Stefan Schlösser.19.07.2023 | 1:10 min

    Hessischer Verfassungsschutz hat Maßnahmen ergriffen

    Zum Hintergrund: Der hessische Verfassungsschutz hatte die Akte von Stephan Ernst 2015 aus der Bearbeitung genommen, weil er angeblich fünf Jahre nicht aufgefallen war und als "abgekühlt" galt. Dabei hatte der Verfassungsschutz selbst Stephan Ernst noch im Oktober 2009 in einem internen Vermerk als "brandgefährlichen Mann" bezeichnet. Daraus folgte allerdings nichts.
    Jetzt bleibe man länger an solchen rechtsextremen Personen dran, sagt Roman Poseck, weil von ihnen immer noch Gefahren ausgehen können.
    Press conference on current measures against right-wing extremism in Germany
    Bundesinnenministerin Faeser will stärker gegen Rechtsextremismus vorgehen. Es gehe darum, Netzwerke zu zerschlagen, Finanzströme aufzudecken und Waffengesetze zu verschärfen. 13.02.2024 | 2:48 min
    Reicht das? Rechtsextremismusforscher Matthias Quent sagt im ZDF-Interview, dass gerade nach der Ermordung von Walter Lübcke viele Maßnahmen eingeleitet worden seien, aber nicht alle Vorhaben und Projekte umgesetzt wurden, die etwa in dem 89-Punkte-Programm der Bundesregierung der damaligen Koalition vorlagen.

    Experte: Andere Delikte haben Vorrang

    "Wir haben immer noch kein Demokratiefördergesetz. Gerade im präventiven Bereich hakt es und es gibt noch eine große Unsicherheit, ob die Programme, die gegen Rechtsextremismus arbeiten, im nächsten Jahr überhaupt noch bestehen können", so Quent.
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hinter blauer Wand.
    Die Landesinnenminister beraten über mögliche Konsequenzen. Die einen fordern schärfere Gesetze, die anderen halten eine schnell und effizient arbeitende Justiz für effektiv genug.12.05.2024 | 3:14 min
    Außerdem sieht der Soziologe das Problem, dass es noch immer nicht gelingen würde, rechtsextreme Gewalttäter zügig zu verurteilen. Es hake zum einen an einer Überlastung der Gerichte und an einer "schwierigen Priorisierung". Andere Delikte hätten Vorrang, "weil Menschen in der Justiz sagen, dass diese politisch motivierten Fälle nicht ganz so wichtig wie vielleicht schwerwiegendere Körperverletzungen sind".
    2015 hatte Walter Lübcke bei einer Bürgerversammlung im hessischen Lohfelden gesagt:

    Es lohnt sich in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten.

    Politiker Walter Lübker vor seinem Tod

    Ein ehrenwerter Politiker wurde vor fünf Jahre von einem Rechtsextremisten ermordet.

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