Lobbyismus in der Politik:Wie leicht ist der Zugang zur Macht?
von Christian Fuchs
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Immer wieder erschüttern Lobby-Skandale die Republik. Aber wie arbeiten Lobbyisten der Industrie - und was kostet ein Termin mit einem Minister? Die Ergebnisse eines Experiments.
Lobbyisten arbeiten im Schatten der Macht. Wie gehen sie dabei vor, und wie viel können sie bei Politikern erreichen? "Die Spur" will herausfinden: Wie funktioniert das System Lobbyismus?24.07.2024 | 28:36 min
Prominente Ex-Politiker wie Gerhard Schröder stehen auf Honorarlisten von Unternehmen. Ein Parlamentarier öffnet Türen zur Bundesregierung und erhält dafür von der Firma Aktienoptionen wie beim "Amthor-Skandal". Wieder andere Abgeordnete nutzen ihre Kontakte, um dem Staat während der Corona-Pandemie Schutzmasken zu verkaufen und kassieren dafür hohe Provisionen.
In diesen seltenen Momenten erhält die Öffentlichkeit einen kleinen Einblick in das geräuschlose und verschwiegene Geschäft der Lobbyisten. Kaum jemand weiß, was die mehr als 25.000 offiziell registrierten Interessenvertreter genau tun und welche Strategien sie anwenden. Lobbyismus an sich ist nicht schlecht, aber wann wird er zum Problem? Warum geben Verbände und Unternehmen in Deutschland über 800 Millionen Euro im Jahr für Lobbyismus aus? Wie funktioniert die Einflussnahme konkret?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat ein Team von ZDF und abgeordnetenwatch.de ein bisher nie dagewesenes Experiment gestartet: Ein halbes Jahr haben die Reporter als vermeintliche Lobbyisten undercover im Regierungsviertel recherchiert.
Die Reporter nutzten dafür die Legende einer ausgedachten Lobbyagentur aus Luxemburg, die angeblich einen E-Zigarettenhersteller aus Großbritannien vertritt. Mit diesem Vorwand haben sie als Tabak-Lobbyisten prominente Ex-Minister und aktuelle Abgeordnete in ihren Büros im Bundestag getroffen, in einem Steakrestaurant in Berlin-Mitte und im diskreten China Club am Brandenburger Tor. Sie wollten so erstmals sichtbar machen, was sich in den Hinterzimmern in Berlin-Mitte abspielt, wenn Lobbyisten und Politiker unter sich sind.
Zunächst haben sie Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen angeschrieben. Die Anzahl der Anfragen ergab sich proportional zur Sitzverteilung im Parlament. Je größer eine Fraktion, desto mehr Abgeordnete wurden angeschrieben. Nach 38 Minuten antwortete der Erste. Von den 32 Politikerinnen und Politikern ließen sich am Ende sechs auf ein Treffen ein, sie stammen aus den Fraktionen von FDP, CDU, SPD und AfD.
Wie schnell reagieren Abgeordnete auf Lobby-Anfragen?
Eine der größten Überraschungen dieses Experiments ist, wie schnell sich einige Bundestagsabgeordnete den Unternehmenslobbyisten andienen. Gleich beim ersten Treffen mit einer CDU-Abgeordneten geht diese auf den Wunsch ein und stellt die Schirmherrschaft für einen Lobby-Event im Deutschen Bundestag in Aussicht.
Auf solchen Veranstaltungen kommen Lobbyisten in vertraulicher Atmosphäre in Kontakt mit Politikern und können ihre Interessen platzieren und netzwerken. Sie fühle sich geehrt, die Schirmherrschaft für die Lobbyisten zu übernehmen. Sie kennt in diesem Moment nicht einmal den Namen des fiktiven Kunden.
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Es gelingt dem Team außerdem, an interne Dokumente und bis dahin nicht-öffentliche Informationen aus dem Bundestag zu Regierungsplänen und Steuererleichterungen zu kommen. Und sie platzieren über Parlamentarier der CDU und der AfD eine sogenannte Schriftliche Anfrage und eine Kleine Anfrage bei der Bundesregierung.
Die Regierung liefert später auch die Antworten, die den Lobbyisten von den Politikern zunächst exklusiv zur Verfügung gestellt werden. Eigentlich dienen diese offiziellen Anfragen dazu, die Arbeit der Regierung zu kontrollieren. Doch es scheint nicht unüblich, dass Abgeordnete ihr Fragerecht nutzen, um Lobbyisten einen Gefallen zu tun.
Ex-Politiker und ihr Umgang mit Lobbyismus
Außerdem fragten die Undercover-Reporter bei ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung an, die heute als Lobbyisten arbeiten, ob sie der Lobbyagentur helfen könnten, Termine bei aktuellen Ministern zu bekommen.
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Mit Rudolf Scharping (SPD), Rezzo Schlauch (Grüne) und Dirk Niebel (FDP) kam es zu konkreten Gesprächen. Dirk Niebel warb für sich sinngemäß mit den Worten: Als ehemaliger Minister hat mir bisher noch nie ein amtierender Minister ein Gespräch verweigert.Und auch die anderen stellten Treffen mit der Regierung in Aussicht. Alle drei Ex-Politiker machten in den Gesprächen Aussagen oder sandten schriftliche Angebote: Ihre Tagessätze liegen zwischen 2.500 und 3.000 Euro. Für ein Strategiepapier, Workshops und monatlich vier Tage Beratung veranschlagt die Firma, mit der Dirk Niebel angibt zusammenzuarbeiten, 187.000 Euro - für ein Jahr.
Kontakte zu hochrangigen Stellen möglich
Wären die Journalisten auf die Angebote eingegangen, wären Treffen mit dem Finanz- oder Gesundheitsminister nicht unrealistisch gewesen. Die Ministerien bestätigen uns auf Nachfrage, dass Niebel, Schlauch und Scharping in den vergangenen Jahren mehrmals als Lobbyisten Gespräche mit Ministern und Staatssekretären geführt hätten.
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Am Ende des Experiments hatten aktuelle Abgeordnete eine Schirmherrschaft für ein Lobby-Event im Bundestag übernommen, konkrete Fragen der Lobbyisten an die Bundesregierung weitergereicht, Kontakte zu Staatssekretären in Aussicht gestellt und nicht-öffentliche Informationen aus dem Bundestag an die Lobbyisten weitergegeben.
Wären die Reporter echte Tabak-Lobbyisten gewesen, hätten sie in sehr kurzer Zeit über die aktuellen Bundestagsabgeordneten und Ex-Minister Zugang zu wichtigen Entscheidungsträgern und Informationen erhalten. Solche Kontakte und Interna aus dem Maschinenraum der Politik verschaffen Wirtschaftsvertretern einen Informationsvorsprung.
Quelle: ZDF/finally
Nicolas Wildschutz, Hannah Knuth, Christian Fuchs und ihr Team haben zusammen mit der Redaktion von abgeordnetenwatch.de verdeckt im Bundestag und Berliner Regierungsviertel recherchiert und decken auf, wie Lobbyisten bei ihrer Arbeit vorgehen. Das Ergebnis ist zu sehen in der Doku "Das Lobbyismus-Experiment - Wie leicht ist der Zugang zur Macht?"
Das Wissen beispielsweise, welche Politiker welche Haltung zu E-Zigaretten haben, könnten echte Lobbyisten nutzen, um zu planen, wen sie noch überzeugen müssen. Und die Aussage der Bundesregierung, dass sie keine Steuererhöhung für E-Zigaretten plant, könnte ein strategischer Hinweis für ein Unternehmen sein, sich in Zukunft stärker auf den deutschen Markt auszurichten.
Quelle: ZDF
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