Campino bei "Lanz": "Etablierte Parteien sind panisch"
Juli Zeh und Musiker bei "Lanz":Campino: "Etablierte Parteien sind panisch"
von Michael C. Starke
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Streitkultur passé, Debattenräume zu eng? Juli Zeh und Campino diskutierten bei "Lanz" über die politische Jugend, die aktuelle Politik - und warum Kontroversen okay sein können.
Über den Wandel von Gesellschaft, Demokratie und der Debattenkultur in Deutschland. Gäste: Autorin Juli Zeh und Musiker Campino24.10.2024 | 45:26 min
"Sensible Schriftstellerin trifft Punkrocker" - mit diesen Worten leitete Moderator Markus Lanz die intime Runde in seiner Sendung am Mittwochabend ein. Im Studio begrüßte er nur zwei Gäste: Autorin Juli Zeh und den "Tote Hosen"-Frontmann Campino, der mit bürgerlichem Namen Andreas Frege heißt.
Politik und Jugend - passt das zusammen?
Die Jugend und der politische Diskurs in Deutschland - diese beiden Themen dominierten die Diskussion der beiden. Aber: Politik und Jugend - passt das überhaupt zusammen?
Die Antwort von Schriftstellerin Zeh, die auch als ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Brandenburg tätig ist, fiel positiv aus - wenngleich etwa Jugendforscher wie Rüdiger Maas ein Auflösen des klassischen Rechts-Links-Schemas diagnostizieren.
Der Anteil der jungen Menschen mit politischem Interesse ist laut Shell-Jugendstudie erstmals auf 50 Prozent gestiegen. Bei jungen Männern gab es aber einen deutlichen Rechtsruck.15.10.2024 | 2:41 min
Zeh ging sogar einen Schritt weiter, denn sie ging davon aus, dass sich die Jugend "eher nicht mehr für das klassische Parteienspektrum" interessiere. Das hieße ihr zufolge "aber nicht, dass sie sich grundsätzlich nicht für die Welt und die Belange interessiert".
Zeh: Kontroverse nicht stigmatisieren
Als dann das Stichwort "Polarisierung" fiel, war thematisch der Bogen zur Streitkultur geschlagen. Für Zeh ist "Polarisierung" ein Begriff, mit dem sie nicht viel anfangen kann. "Wieso das?", fragt Moderator Lanz. Zehs Antwort:
Für keine gute Idee hielt es die Schriftstellerin zudem, "eine Kontroverse in so einer Umbruchszeit wie momentan zu stigmatisieren".
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Es dürfe ihren Worten nach nicht um die Erwartung gehen, die Menschen sollten "sich also möglichst einander annähern in ihrer Weltsicht". Um wieder mehr ins Gespräch zu kommen und auch zu Kompromissen zu gelangen, riet Zeh dazu:
Campino: "Streitkultur ist eigentlich gut"
Die 50-Jährige zeigte zwar Verständnis für das Bedürfnis, wieder alle Menschen mitnehmen zu wollen, sie zweifelte indes daran, ob das auch gelingen kann. Dieses Bedürfnis war für Zeh auch Ausdruck für ein bestehendes Unsicherheitsgefühl: "Nach dem Motto 'Die Krise ist so krass, wenn wir jetzt nicht alle dasselbe wollen, sind wir verloren'. Das ist auch eine Reaktion auf so ein sehr apokalyptisches Zukunftsbild."
"Streitkultur ist eigentlich gut", stimmte ihr Campino zu. Und ergänzte: "Nur Streit wäre dann für mich was anderes, außer sich immer nur anzuschreien, es müsste dann auch um echte Argumente gehen."
Eine Studie der Uni Bielefeld hat herausgefunden, dass sich mehr als drei Viertel der Jugendlichen von der Politik übergangen fühlen.02.07.2024 | 1:33 min
Ein Problem, das der Musiker und Autor offenbar auch bei der Bundesregierung ausmacht. Er habe das Gefühl, "dass die etablierten Parteien panisch sind gerade" und man sich "von BSW und AfD vor sich hertreiben" lasse. Sein Blick auf die Ampel-Koalition klang dann so:
Auch der Journalismus müsse Versuchungen widerstehen und im sachlichen Bereich bleiben, mahnte der Sänger, der im Frühjahr auch eine Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf innehatte. Jeder wisse, dass "laute Headlines immer mehr Klicks generieren".
Ist denn die Gegenwart überhaupt so krisenhaft, wie gemeinhin angenommen wird? Immerhin: Laut aktueller Shell-Jugendstudie ist ein Krieg in Europa für rund 81 Prozent der Befragten die größte Sorge.
Dass "die Zeiten heute schlimmer denn je" wären, davon wollten Zeh und Campino unisono allerdings wenig wissen. Beide verwiesen darauf, zu Zeiten des Kalten Krieges aufgewachsen zu sein - in einem geteilten Deutschland mit dauerhafter Militärpräsenz. In einem Deutschland, in dem es auch RAF-Terror gab.
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Sie wolle zwar nicht in Abrede stellen, dass es keine Krisen gebe, so Autorin Zeh - sie mahnte aber an, dass der Umgang mit ihnen vor allem "wahrnehmungsgesteuert" sei. Mit Blick auf den Umgang mit Problemen in ihrer eigenen Lebensspanne plädierte Zeh dafür, es "nicht mit diesem Topos der Apokalypse, der Angst, der Machtlosigkeit" zu versuchen.
Zeh brachte in diesem Zusammenhang ein Gedankenexperiment in die Diskussion ein: Wie würde heute, im Jahr 2024, ein medialer Umgang mit der Kuba-Krise von 1961 aussehen? Ihr eigener Befund dazu:
Quelle: ZDF
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