Campino von den Toten Hosen als Professor: Ein voller Erfolg

    Emotionaler Auftritt an Uni:Erfolgreiche Premiere für Professor Campino

    von Martin Schiffler
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    Tote Hosen-Sänger Campino füllt nicht nur ganze Stadien, sondern auch einen Hörsaal - und zwar als Lyrik-Professor. Wie er sich geschlagen hat.

    30.000 Interessierte wollten ein Ticket für Campinos erste Vorlesung als Gastprofessor ergattern. Nur 500 hatten Glück bei der Verlosung, außerdem 150 geladene Ehrengäste.
    Mit dabei natürlich auch die Toten Hosen, die sich diese Premiere ihres Sängers nicht entgehen lassen wollten. Campino hatte zur musikalischen Unterstützung Gitarrist Kuddel mit auf der Bühne.

    Campinos Rückkehr an die Uni

    Jahrelang hatte Anja Steinbeck, die Rektorin der Düsseldorfer Heinrich Heine Universität, versucht, den berühmten Sohn der Stadt als Gastprofessor für ihre Uni zu gewinnen.
    Immerhin ist Campino hier geboren, zur Schule gegangen, zwei mal sitzen geblieben, hat sein Abi trotzdem geschafft und sich tatsächlich 1985 als Student hier eingeschrieben. Doch das war sein erster und letzter Tag als Student in seiner Heimatstadt.

    Ich habe es einfach zeitlich nicht hinbekommen, zur Uni zu gehen.

    Campino

    Er habe eigentlich nur das Semesterticket gebraucht, meint Campino dazu heute.
    Regenbogenfarbener Irokesenschnitt
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    Trotzdem kam er noch einmal. Beim Konzert der Toten Hosen in der Uni-Mensa hatten die ausflippenden Studenten und Studentinnen den Saal fast buchstäblich abgerissen, Lampen von den Decken geholt, Stühle und Tische demoliert, Wände beschmiert. Die Mensa verwüstet. Dass er damals daraufhin kein Hausverbot erteilt bekam, wundert ihn noch heute.

    Einlasskontrollen und viel Security

    Und heute: Einlasskontrollen in der Uni wie sonst auf einem Konzert. Alle Pressevertreter namentlich akkreditiert, mit Pressebändchen am Arm. Klare Regeln vorher kommuniziert.
    Zwei Dutzend Security-Männer und Frauen komplett in schwarz gekleidet. Bild- und Tonaufnahmen im Saal verboten. Nur die ersten zehn Minuten dürfen gefilmt werden, dann müssen auch alle Kameraleute sämtlicher deutscher Fernsehsender von Rang und Namen den Saal verlassen.
    Irgendwie verständlich. Es ist ja doch eine Universität und kein Konzertsaal. Das zeigt Haltung. Das freut die Hörer im Saal. Keine störenden Fotografen oder Kameraleute, die den Blick auf die Bühne versperren. Das Auditorium mucksmäuschenstill. Nur Campino - und Kuddel.
    Die Saengerin Nina Hagen auf der Buehne bei einem TV Auftritt am 20.04.1987
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    "Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik"

    Campino auf fremdem Terrain und dennoch in seinem Element. Das Thema seiner Vorlesung: "Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik": Campino spricht über seine musikalischen und textlichen Einflüsse. Über die ihn prägenden Schriftsteller und Sänger. Erich Kästner, Berthold Brecht, Heinrich Heine, aber auch Rio Reiser und Ton Steine Scherben. Wer ihn in welcher Lebensphase inspiriert hat und warum.
    Campino erzählt auch, wie er mit dem Tod seiner Eltern umgegangen ist und wie er beide Beziehungen, die so unterschiedlichen zu seiner Mutter und seinem Vater auch so verschieden und dennoch voller Liebe in zwei Liedern versucht hat, zu verarbeiten.
    Kuddel steht an seiner Seite und begleitet den Sänger, der sichtbar mit seinen Gefühlen kämpfen muss, während er singt.
    Die Band Sex Pistols stehen vor einem Bus und ziehen Grimassen. Drei von ihnen tragen schwarze Lederjacken, einer hat kein Shirt unter der Jacke. Zwei der Männer haben Getränke in der Hand.
    1977 ist das Jahr der ersten großen Punk-Welle. Vor allem die Sex Pistols schocken die Öffentlichkeit.05.11.2022 | 43:17 min

    Vorlesung ist ein voller Erfolg

    Der Punkrockstar von einst nachdenklich, verletzlich, und ja, auch unterhaltsam. Sehr sogar. Aus der Vorlesung wird zum Ende ein Mix von einem Unplugged-Konzert mit Erklärungen dazwischen. Anderthalb Stunden hatte die Vorlesung dauern sollen. Als zwei vorbei sind, blickt Campino auf die Hörsaal-Uhr und nickt, weil er weiß, dass er zum Ende kommen muss. Es fällt ihm sichtbar schwer. Er hat Spaß. Ein paar Fragen will er daher noch sehr gerne beantworten. Auch das macht er mit Bravour.
    Als die Zuhörer den Saal verlassen, ist kein Kopfschütteln zu sehen. Keine abfällige Bewegung, kein Missmut. Zufriedene Menschen gehen beschwingt nach Hause. Und nachdenklich. Und lachend. Und viele werden zu Hause ein Buch in die Hand nehmen und lesen.

    Vom Punker zum Gastprofessor
    :Campino sieht sich als Art "Elder Statesman"

    Campino, Frontmann der "Toten Hosen", spricht an der Universität in Düsseldorf über lyrische Einflüsse auf seine Songs. Als Systemkritiker sieht sich der 61-Jährige nicht mehr.
    Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Der Sänger der Band Die Toten Hosen, Campino, spricht bei seiner Gastvorlesung an der Universität Düsseldorf.

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