Prozess: Warum Björn Höcke bislang nicht verurteilt wurde
Prozess gegen AfD-Politiker:Warum Höcke bislang nicht verurteilt wurde
von Ann-Kathrin Jeske
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Acht Mal hat der Rechtsausschuss im Thüringer Landtag die Immunität von Björn Höcke schon aufgehoben. Zu einer Verurteilung kam es nie. Könnte der Prozess in Halle das ändern?
AfD-Politiker Björn Höcke steht seit heute in Halle an der Saale vor Gericht. Er soll in zwei Reden eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP verwendet haben. 18.04.2024 | 1:49 min
Seit 2014 sitzt Björn Höcke im Landtag in Thüringen und führt dort die AfD-Fraktion an - und seitdem ist der Politiker immer wieder auf dem Radar der Ermittlungsbehörden gewesen. Acht Mal hat der Rechtsausschuss die Immunität von Höcke bislang aufgehoben.
Zwei Anklagen gegen Björn Höcke
Diese Woche ist der AfD-Politiker vor dem Landgericht Halle gleich zwei Mal angeklagt. Die Vorwürfe: 2021 soll Höcke im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt die zentrale Parole der SA "Alles für Deutschland" verbreitet haben. Den selben Spruch nutzte Höcke noch einmal Ende 2023 auf einer Parteiveranstaltung der AfD in Gera. Von beiden Veranstaltungen gibt es Videos.
Das Gericht müsse feststellen, ob die von Höcke verwendete, leicht abgewandelte SA-Parole „erlaubt und von der Meinungsfreiheit gedeckt“ sei, so ZDF-Reporterin Ann-Kathrin Jeske in Halle (Saale).18.04.2024 | 2:19 min
Juristisch ist klar: Der Spruch fällt unter den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen, ist also verboten. Mithilfe der SA, dem Schlägertrupp der NSDAP, gelang die Partei in den 1930er Jahren an die Macht.
Wer heute mit dem Spruch bewusst an die NS-Zeit anknüpft, macht sich deshalb strafbar. Doch genau diesen Vorsatz dürfte Höcke vor Gericht bestreiten.
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Bislang keine Verurteilung
Bislang gingen Ermittlungen für Höcke immer gut aus. Ein Auszug aus der Chronologie: 2015 ermittelte die Staatsanwaltschaft in Erfurt gegen Höcke wegen Betrugs. Dem AfD-Politiker war vorgeworfen worden, einen Rechtsanwalt als Wahlkreismitarbeiter bezahlt zu haben, der nicht in dem behaupteten Umfang in Höckes Büro gearbeitet haben soll. Bewiesen werden konnte das nicht, 2016 wurde das Verfahren eingestellt.
Ein Jahr später, 2017, beschäftigte der AfD-Politiker die Staatsanwaltschaft erneut. Dieses Mal mit der Aussage, das Holocaust-Mahnmal inmitten Berlins sei ein "Denkmal der Schande". Nicht nur die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte wegen Volksverhetzung. Auch die AfD selbst prüfte damals einen Parteiausschluss. Beide Verfahren gingen für Höcke gut aus: Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein und die AfD behielt Höcke in ihren Reihen.
Die Liste der Ermittlungen aber lässt sich fortführen: 2018 eine Ermittlung wegen eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. 2020 zwei Ermittlungen: Eine wegen Volksverhetzung und Verleumdung, eine zweite wegen übler Nachrede. Dazu kommen die aktuellen Anklagen vor dem Landgericht Halle. Und ein Prozess wegen Volksverhetzung könnte bald vor dem Landgericht Mühlhausen eröffnet werden.
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Hürde für Strafbarkeit hoch
Trotz der vielen Verfahren: Verurteilt wurde Höcke nie. Denn bei Delikten wie Volksverhetzung, Verleumdung und auch dem Verwenden von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen geht es um den Vorwurf, die Grenze des Sagbaren zu überschreiten.
Die Hürde der Strafbarkeit ist bei solchen Delikten hoch, weil sie im Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit steht, erklärt der Professor für Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt Matthias Jahn: "Das Bundesverfassungsgericht sagt in ständiger Rechtsprechung, bevor jemand strafrechtlich verurteilt wird, müssen alle anderen Alternativen zum Verständnis seiner Äußerungen ausgeschlossen sein, die nicht zur Strafbarkeit führen."
Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, vieles, was aneckt und polemisiert, darf deshalb gesagt werden.
Hinzu kommt: Bei Politikern liegt die Latte noch einmal höher, weil das Bundesverfassungsgericht ihre Aufgabe auch darin sieht, im politischen Meinungskampf zu überspitzen.
Könnte es zu einer Verurteilung kommen?
Ob Höcke dieses Mal verurteilt wird, muss das Verfahren zeigen. In der Vergangenheit haben Gerichte Rechtsextreme für den Spruch "Alles für Deutschland" bereits verurteilt. Doch der AfD-Politiker nutzte den Spruch nicht isoliert, sondern stets in dem Dreiklang: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" und wandelte ihn also leicht ab. Das Gericht muss nun feststellen, ob auch das verboten ist.
Bei der Frage des Vorsatzes darf das Landgericht zwar einbeziehen, dass Höcke lange als Geschichtslehrer gearbeitet hat. Dennoch brauchen die Richterinnen und Richter handfeste Beweise darüber, dass Höcke auch den konkreten Spruch gekannt hat.
Einen Beweis dafür könnte Höcke inzwischen selbst geliefert haben: Höcke ist wegen des Spruchs zwei Mal angeklagt. Als der AfD-Politiker die Parole auf der Parteiveranstaltung Ende 2023 wiederholte, wusste er bereits von der ersten Anklage gegen ihn - also auch, dass er sich mit der Aussage strafbar gemacht haben könnte.
Björn Höcke selbst leugnet hingegen, dass es überhaupt eine Verbindung zwischen dem Spruch und der NS-Zeit gibt: "Jeder weiß, dass das keine NS-Parole ist", so Höcke vergangene Woche in einem TV-Duell des Fernsehsenders Welt.
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Auf der Social-Media-Plattform X rief Höcke dazu auf, sich den Prozess als Beispiel dafür anzuschauen, wie die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt werde. Auf den Post, der auf Englisch verfasst war, antwortete sogar Plattform-Eigentümer Elon Musk und fragte, wie so etwas sein könne.
Höcke nannte ihm daraufhin nur den Spruch, den geschichtlichen Kontext verschwieg er.
Ann-Kathrin Jeske ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.