"Alcatraz": Kritik an Abschiebezentrum in Brandenburg
Innenminister beraten Asylrecht:"Alcatraz" der Oder: Streit um Abschiebungen
von Jan Meier
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Brandenburg plant ein Abschiebezentrum an der polnischen Grenze und erfüllt damit eine Erwartung der Ampel. Doch das Projekt ist umstritten und zeigt die Probleme beim Abschieben.
Die Innenminister haben heute über eine weitere Eindämmung von Migration in Deutschland verhandelt. Ein Ziel der Konferenz: Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ermöglichen.19.06.2024 | 3:05 min
"Dieses Tor wäre dann praktisch der Eintritt zu Alcatraz." Der frisch gewählte Gemeindevertreter im brandenburgischen Küstrin, Werner Finger, scheut diesen Vergleich nicht, um die Integrationsbeauftragte des Landes auf seine schwierige Lage hinzuweisen.
Der Landkreis und das Land planen hier ein Containerdorf für 250 Menschen, die abgeschoben werden sollen. Die Behörden suchten dafür einen abgelegenen Ort und fanden ihn direkt an der Oder, auf einem verlassenen Militärgelände am deutsch-polnischen Grenzfluss. Derzeit bewachen es Sicherheitsleute, warnen vor Bunkern, Munitionsresten und Ruinen im Innern des Sperrgebietes.
Integrationsbeauftragte: "Sie werden abgeschottet sein"
Diana Gonzalez Olivo, seit Mai Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg im Ministerium der grünen Integrationsministerin Ursula Nonnemacher, scheute bisher eine eindeutige Position. Doch nun steht für die gebürtige Mexikanerin fest:
Hinzu kommt: Die 700 Einwohner zählende Gemeinde, die seit der Wiedervereinigung um 40 Prozent geschrumpft ist, hat kein Geschäft mehr, keine Kita, keine Schule, keine Gaststätte.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hält die Umsetzung von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien für "hochkomplex" und fordert, diese müssten "rechtsstaatlich ablaufen".20.06.2024 | 4:20 min
Immerhin fährt die Regionalbahn jede Stunde nach Berlin. Doch wer das Ausreisezentrum ohne Erlaubnis verlässt, macht sich strafbar.
Für den parteilosen Bürgermeister Finger ist das "eine Situation, die keinem gerecht wird. Der Bevölkerung nicht, die Angst hat, dass die Kriminalität dann größer wird. Und den Menschen, die praktisch hier dann eingesperrt werden, denen wird man auch nicht gerecht".
Nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim fordern mehrere Politiker, Straftäter nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Eine Einordnung von Asyl-Experte Prof. Daniel Thym.04.06.2024 | 10:38 min
Innenminister tagen zu Migrationspolitik
Für Michael Stübgen (CDU), den Innenminister Brandenburgs, führt kein Weg vorbei an der Einrichtung von Abschiebezentren. Er ist Vorsitzender der Innenministerkonferenz, die er am Abend eröffnen wird.
Bei dem Treffen aller 16 Bundesländer stehen über 100 Punkte auf der Tagesordnung, der vielleicht wichtigste Schwerpunkt ist die Migrationspolitik.
Die Innenministerkonferenz wird sich bei ihren anstehenden Beratungen (19. bis 21. Juni) in Potsdam mit dem Kurs in der Asylpolitik beschäftigen. Die tödliche Messerattacke eines Afghanen in Mannheim, bei der ein Polizist starb, dürfte das Treffen prägen.
Hamburg will einen Beschluss herbeiführen, in dem die Innenminister das Bundesinnenministerium bitten, die Sicherheitslage in Afghanistan und in der Region der syrischen Hauptstadt Damaskus neu zu bewerten. "Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er aus Afghanistan kommt", forderte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD).
Der CDU-Politiker Thorsten Frei wirft der Ampel-Regierung Untätigkeit bei der Abschiebung islamistischer Straftäter nach Afghanistan und Syrien vor und fordert einen "grundlegenden Paradigmenwechsel" in der Migrationspolitik.06.06.2024 | 4:46 min
Abschiebung: Brandenburgs Innenminister will mehr Durchsetzungsfähigkeit
Stübgen unterstützt diesen Vorschlag. Denn noch immer scheitern in Deutschland zwei von drei Abschiebungen: "Hier müssen wir zu mehr Klarheit und Durchsetzungsfähigkeit unseres Rechtssystems kommen", fordert er und sagt weiter:
Am Donnerstag wird Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Potsdam erwartet. Sie will erklären, wie die Abschiebung nach Afghanistan und Syrien funktionieren könnte. Die Rede ist via Nachbarländer, also Aserbaidschan, Usbekistan, Pakistan und die Türkei.
Erste Verhandlungen soll es schon geben. Es hat den Anschein, dass das Ausreisezentrum in Küstrin doch bald gebaut wird. Trotz aller Kritik von Anwohnern und Flüchtlingsorganisationen.
Der tödliche Messerangriff in Mannheim hat eine Debatte über Abschiebungen von Straftätern ausgelöst. Welche Einschränkungen dafür gelten und welche Rolle das Herkunftsland spielt.