Nach langem Streit: Ampel einigt sich auf Klimaschutzgesetz

    Nach langem Streit:Ampel einigt sich auf neues Klimaschutzgesetz

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    Die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich auf die Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Fahrverbote sind laut Wissing damit "endgültig vom Tisch".

    10.11.2022, Rheinland-Pfalz, Freimersheim: Ein Windrad steht auf einem Hügel oberhalb einer großflächigen Solaranlage auf einem Feld im Landkreis Alzey-Worms. Klimaneutral erzeugter Strom hat 2023 erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt.
    Nach langem Ringen nun die Einigung: die Koalition hat sich auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes verständigt. Die vom Verkehrsminister angedrohten Fahrverbote sind abgewendet. 15.04.2024 | 2:58 min
    Nach monatelangen Verhandlungen hat sich die Ampel-Koalition auf ein neues Klimaschutzgesetz für Deutschland verständigt. Mit dem neuen flexibleren Gesetz ohne starre Sektorziele für den Treibhausgas-Ausstoß sei auch der Weg für das geplante Paket zur Solarförderung frei, teilten die Ampel-Fraktionen am Montag mit.
    Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezeichnete die Einigung als vernünftigen Schritt. Der FDP-Politiker erklärte am Montag, das bisherige Gesetz wäre mit massiven Freiheitseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden gewesen.

    Fahrverbote sind mit der Einigung endgültig vom Tisch.

    Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP)

    Wissing hatte zuvor mit drastischen Einschnitten für Autofahrer gedroht bis hin zu Fahrverboten am Wochenende - falls es keine baldige Einigung über die Reform geben sollte.
    ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee aus Berlin
    ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee ordnet die plötzliche Einigung ein.15.04.2024 | 1:27 min

    Neues Gesetz: Keine jahresscharfen Ziele je Sektor

    "Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße, denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden", sagte FDP-Vize-Fraktionschef Lukas Köhler. Julia Verlinden, Politikerin der Grünen, betonte: "Wir geben dem Klimaschutz in Deutschland ein starkes Update, das ihn fit macht für die nächsten 20 Jahre auf Deutschlands Weg zur Klimaneutralität."

    Durch die Novelle darf kein Gramm CO2 mehr ausgestoßen werden.

    Matthias Miersch, Vize-Fraktionschef der SPD

    Der Vize-Fraktionschef der SPD, Matthias Miersch, sprach von einem Durchbruch: "Mit dem Solarpaket geben wir gleichzeitig wichtige Impulse für den Ausbau der Photovoltaik, der Windkraft und Biomasse."
    Schaltgespräch Wehrmann Stamm
    Wissing habe angesichts des Klimaschutzgesetzes „einen Punkt“, aber selbst Ziele im eigenen Sektor verfehlt, so Andreas Stamm, ZDF. Wirken könnten Maßnahmen wie ein Tempolimit.13.04.2024 | 2:24 min

    ZDF-Umweltexperte: "Kompromiss riecht etwas"

    "Koalition heißt Kompromiss, keine Frage", sagt der ZDF-Umweltexperte Andreas Stamm mit Blick auf die angedrohten Fahrverbote am Wochenende: "Aber der hier gefundene Kompromiss riecht etwas."

    Ein Geschmäckle aber bleibt, da sich hier mit der Aufweichung der Sektorenziele ein Minister durchsetzt, der in den vergangenen Jahren viele von Experten*innen vorgeschlagene Maßnahmen in seinem Bereich Verkehr abgelehnt hat. Etwa ein generelles Tempolimit.

    Andreas Stamm, ZDF-Umweltexperte

    Doch entscheidender sind laut Stamm drei Dinge: "Erstens: Bis 2030 können andere Bereiche wie Industrie- und Energie die Probleme im Verkehrssektor ausgleichen. Aber dann verpflichtet das Gesetz die Regierung in ganz großen Schritten Richtung Klimaneutralität 2045 zu gehen. Dann muss auch der Verkehrssektor liefern.
    Zweitens droht nun erneut eine Klage gegen das Klimaschutzgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht, was die Politik schon 2021 in Nöte gebracht hatte. Und drittens: Auf der Ebene der EU bleiben Sektorenziele relevant. Reißt der Verkehrssektor die Ziele für 2030, drohen jährlich Milliardenzahlungen. Neues Klimaschutzgesetz hin oder her."
    Anne Mahrer und Rosmarie Wydler-Walti
    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes verurteilt. Geklagt hatte eine Gruppe Seniorinnen. 09.04.2024 | 1:24 min

    Sonnenenergie: Weniger Bürokratie geplant

    Zudem sollen mit dem Solarpaket bürokratische Hürden für den Ausbau der Sonnenenergie in Deutschland fallen und so der Ausbau vorangetrieben werden. Der Betrieb von Balkonkraftwerken soll einfacher werden oder auch die Nutzung von selbst erzeugtem Photovoltaik-Strom in Mehrfamilienhäusern. Auch die Möglichkeiten für Solaranlagen auf Äckern und Feldern sollen erweitert werden.
    Im Gespräch war zuletzt auch eine finanzielle Förderung der heimischen Solarindustrie, den sogenannten "Resilienzbonus", den die FDP allerdings abgelehnt hatte. Mehrere Solarunternehmen erwägen angesichts der aktuellen Misere, ihre Produktion in Deutschland einzustellen. Als Grund wird genannt, dass chinesische Hersteller den Markt mit Modulen zu Dumpingpreisen fluteten. "Es wird keinen Resilienz-Bonus geben, um einzelne Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit zu subventionieren", erklärte Köhler dazu.
    High-Tech-Module gegen chinesische Rivalen
    Die Firma Sunmaxx in Ottendorf-Okrilla öffnet die weltweit größte PVT Modulproduktion. Aktuell werden hier mehr als 120.000 hocheffiziente Solar-Module produziert.15.04.2024 | 2:00 min

    Neues Gesetz bereits im Sommer 2023 vorgestellt

    Das Bundeskabinett hatte die Reform des Klimaschutzgesetzes bereits im vergangenen Juni verabschiedet, das Solarpaket im August. Seither wurde über beides im Bundestag beraten - eine außergewöhnlich lange Zeit. Insbesondere Grüne und SPD fürchteten beim Klimaschutzgesetz einen Verlust von Verbindlichkeit, Umweltverbände kritisierten die Pläne als Aufweichung.
    Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet und sektorübergreifend.
    Das Bundeskabinett hatte im vergangenen Jahr beschlossen: Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Bis dahin muss Deutschland laut Gesetz seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken.
    Quelle: dpa, Reuters, ZDF

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