Experte: Klimaziele einfach zu erreichen - ohne Fahrverbote

    Interview

    Kritik an Wissing-Vorstoß:Experte fordert Tempolimit statt Fahrverbote

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    Minister Wissings Vorstoß zu möglichen Fahrverboten sorgt für Kritik. Im ZDF sieht Mobilitätsforscher Knie ein Tempolimit als Möglichkeit, Emissionen im Verkehr zu reduzieren.

    TN: Fahrverbot Wissing
    Sehen Sie hier das ganze Gespräch mit Mobilitätsforscher Andreas Knie. 12.04.2024 | 9:47 min
    Im Streit über eine Reform des Klimaschutzgesetzes hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor bundesweiten Fahrverboten am Wochenende gewarnt. Vor allem die Grünen reagierten empört. "Ein Minister sollte nicht unbegründet Sorgen bei den Menschen schüren", sagte etwa die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden.
    Im Gespräch mit ZDFheute live findet auch Mobilitätsforscher Professor Andreas Knie deutliche Worte für Wissings Vorstoß. Der Forscher sieht das aktuelle Potenzial an möglichen Maßnahmen nicht ausgeschöpft.
    Sehen Sie das Interview mit Andreas Knie oben im Video in voller Länge und lesen Sie hier Auszüge.
    Das sagt Andreas Knie …

    … zu Wissings Vorstoß zu flächendeckenden Fahrverboten

    Mit seiner Androhung von Autofahrverboten wegen des Klimaschutzgesetzes hat der Verkehrsminister für neuen Streit in der Ampel gesorgt. Auch Mobilitätsforscher Knie hält zum gegenwärtigen Zeitpunkt "natürlich nichts" von Wissings Vorstoß. Möglichkeiten, die der Verkehrsminister "sofort" umsetzen könne, lägen "einfach auf dem Tisch", so Knie.
    10.04.24, Berlin: Verkehrsminister Wissing spricht im Bundestag.
    Klima-Sorgenkind Verkehr: Mit seiner Warnung vor bundesweiten Wochenend-Fahrverboten löst Verkehrsminister Wissing im Ampel-Streit um das Klimaschutzgesetz eine neue Debatte aus.12.04.2024 | 2:40 min
    Der Mobilitätsforscher bezieht sich dabei vor allem auf ein generelles Tempolimit auf Autobahnen von 130 oder 110. Dies würde "praktisch nichts kosten" und "etwa 20 bis 30 Prozent" von Wissings Problemen lösen, meint der Forscher.

    Er tut es nicht und das ist leider schade.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    … zu Wissings Auffassung, dass ein Tempolimit nicht reicht, um die CO2-Ziele zu erreichen

    Die FDP lehnt ein Tempolimit auf Autobahnen zur CO2-Reduzierung aktuell ab. Die Einsparung von CO2 sei mit einem Tempolimit nicht zu erreichen, so die Begründung. Knie sagt dazu:

    Da ist Herr Wissing mit seiner Meinung völlig allein.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    SGS Zimmermann
    Was von Wissings umstrittenen Vorschlag zu halten ist, berichtet Diana Zimmermann.12.04.2024 | 1:20 min
    Man habe durch wissenschaftliche Untersuchungen, das Bundesumweltamt, aber auch internationale Erfahrungen eine "eindeutige Datenlage", argumentiert der Forscher und erklärt:

    Ein Tempolimit 110 würde sicherlich fast 30 Prozent der jetzigen Treibhausgase einsparen helfen.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    Wissings Argument, die Menschen seien gegen diese Maßnahme, widerspricht Knie. Untersuchungen zeigten, dass die Menschen "mehrheitlich" dafür seien, ein Tempolimit einzuführen. Warum Wissing es nicht macht, "das weiß er nur ganz allein", so Knie.

    Andreas Knie am 08.10.2021 in Mannheim
    Quelle: dpa

    ...ist Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Er befasst sich hauptsächlich mit Verkehrsforschung, Technologiepolitik, Wissenschaftspolitik und Innovationsforschung. Das WZB ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die gesellschaftliche Fragen erforscht. Knie war von 2006 bis 2018 Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH.

    … zur Rolle des 49-Euro-Tickets bei CO2-Einsparungen im Verkehr

    Hier verweist der Forscher auf das 9-Euro-Ticket. Obwohl dieses zur Entlastung der Verbraucher und Verbraucherinnen gedacht gewesen sei - und nicht als Klimaschutzmaßnahme -, habe es einen riesigen Effekt gehabt, so Knie.
    "Menschen mit sehr viel Geld und Menschen mit weniger Geld" hätten das Ticket gekauft, Bus und Bahn "waren in aller Munde", erklärt der Forscher. Damit sei eine "Emotionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs" geglückt, meint Knie, kritisiert aber:

    Man hat diesen Schwung nicht mitgenommen.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    Das 49-Euro-Ticket sei nun vor allem für diejenigen von Vorteil, die bereits Kunden und Kundinnen des ÖPNV seien. Knie zieht folgende Bilanz:

    Das 49-Euro-Ticket hat leider keine Maßnahme zum wirksamen Klimaschutz in der jetzigen Form geschafft.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    … zu Fehlern bei der Einsparung von CO2

    Seit Anfang dieses Jahres gibt es keine Förderprämien in Deutschland für E-Autos mehr. Aus dem "Hause Wissing" habe man "praktisch alles abgebrochen" - die Prämie "abgeschafft". Auch die Subventionierung von elektrischen Bussen nehme man nun zurück, kritisiert Knie. Stattdessen setze man die Förderung des Verbrenners mit fast sieben Milliarden Euro fort.
    An der Ladesäule eines regionalen Stromanbieters wird ein Elektroauto mit Strom aufgeladen.
    Die Nachfrage nach Elektroautos ist eingebrochen: Im März wurden fast 29 Prozent weniger zugelassen als im Vorjahresmonat. Welche Rolle spielt der Wegfall der Umweltprämie?04.04.2024 | 1:51 min
    Auch im Bereich Fahrrad-Infrastruktur sieht Knie Nachbesserungsbedarf. Wissing habe hier "seine Hausaufgaben nicht gemacht"

    Er fördert keine Fahrrad-Infrastruktur in dem Maße, in dem es notwendig wäre.

    Andreas Knie, Mobilitätsforscher

    Hier fordert Knie die Politik auf, "nachzujustieren".
    Das Interview mit Andreas Knie führte ZDFheute live Moderator Philip Wortmann. Zusammengefasst hat es Clara Eberle.
    Quelle: Mit Material von dpa

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