Streit beendet: Ampel einigt sich bei Industriestrompreis
Nach monatelangem Streit:Ampel einigt sich beim Industriestrompreis
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Die Bundesregierung hatte lange mit sich gerungen. Nun will sie den Strompreis für die Wirtschaft durch eine Steuerreform drücken.
Die Bundesregierung will den Strompreis für die Wirtschaft senken. Geplant ist unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden. Zuerst hatte das "Handelsblatt" über die Pläne berichtet.
Die Steuer werde 2024 und 2025 für das produzierende Gewerbe "von Mittelstand bis Industrie auf das EU-Minimum gesenkt", schrieb Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Internetdienst X. Ein Eingriff in den Markt erfolge nicht.
X-Post von Justizminister Marco Buschmann
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Die Stromsteuer soll auf auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde fallen. Derzeit liegt sie bei rund zwei Cent pro Kilowattstunde. Unternehmen des produzierenden Gewerbes konnten allerdings schon bisher einen reduzierten Satz von 1,537 Cent pro Kilowattstunde geltend machen. Von der Neuregelung profitieren nicht nur große Industriekonzerne, sondern auch der Mittelstand. 350 Konzerne, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz(SPD) sprach von einer sehr guten Nachricht für den Wirtschaftsstandort Deutschland: "Wir senken die Stromsteuer radikal, stabilisieren die Netzentgelte und setzen die Strompreiskompensation fort, damit die Unternehmen mit den aktuellen Strompreisen besser zurechtkommen können." Unternehmen hätten jetzt auf absehbare Zeit Planungssicherheit. Scholz selbst hatte sich lange skeptisch zu Habecks Vorstoß geäußert.
Unternehmen, deren Produktion besonders stromintensiv ist, sollen durch die Senkung der Stromsteuer entlastet werden. Das sind Reaktionen auf den Beschluss der Ampel-Koalition.
"Es ist gut, dass die Bundesregierung diesen Weg nun endlich geht", sagte die Wirtschaftsweise Grimm. "Die Entlastungen der energieintensiven Industrie zu verlängern und noch zu erhöhen schafft für die Unternehmen sicherlich Erleichterung in einer angespannten Lage."
"Die Entscheidung der Regierung ist endlich mal ein gutes und starkes Zeichen", lobte Brzeski. Und weiter: "Fünf Jahre geben Planungssicherheit und verhindern die weitere Erosion des Standorts Deutschland".
"Es ist fraglich, ob diese Steuersenkung große Auswirkungen haben wird", sagte Südekum. Mit der Senkung der Stromsteuer werde die Kilowattstunde für die Unternehmen rund 1,5 Cent billiger. Das sei viel weniger als beim Wegfall der EEG-Umlage im Jahr 2022, wo es um mehr als sechs Cent gegangen sei. Die Unternehmen seien also schon erheblich von Steuern und Umlagen entlastet worden. "Insgesamt ist das Paket also eine teure Gießkannenförderung für alle, die kaum spürbare Effekte haben dürfte", kritisiert Südekum.
"Für die angeschlagene deutsche Wirtschaft sind das gute Nachrichten", sagte Schmidt. "Insbesondere die energieintensive Industrie aber auch das produzierende Gewerbe werden endlich von den immensen Strompreisen entlastet."
Der verbilligte Industriestrompreis kommt in der Wirtschaft gut an, sagt Adrian. "Die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist eine überfällige Entscheidung", betonte er. "Schließlich muss Strom günstig sein, damit gerade auch mittelständische Industriebetriebe ihren Pfad zur Klimaneutralität gehen können."
Kretschmer sieht in der geplanten Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe eine "Notoperation, aber keine dauerhafte Lösung". Sachsen habe die Senkung lange gefordert, sie sei dringend notwendig. "Damit gesteht die Bundesregierung die dramatische Notlage bei den Energiepreisen ein."
Die Absenkung der Stromsteuer hält Bartsch für richtig. "Die hohen Energiepreise ziehen Industrie und Mittelstand wie Blei gen Existenzgefährdung". Die Bundesregierung dürfe aber nicht auf halber Wegstrecke stehen bleiben, mahnte Bartsch. Er forderte, die Strompreise für private Verbraucher müssten ebenfalls sinken. "Andernfalls subventionieren Familien, Rentner und Beschäftigte mit normalen Einkommen mit ihrem überteuerten Strompreis die Entlastung von Dax-Konzernen, die zum Teil auf Milliarden sitzen."
Spahn zeigte sich enttäuscht: "Leider ist das mal wieder viel zu wenig, viel zu spät." Der CDU-Politiker weiter: "Die Wirtschaft ist in einer tiefen Krise, die Strompreise werden noch viele Jahre sehr hoch bleiben." Mit Material von dpa, Reuters
Eine weitere Entlastung hatte das Bundeskabinett vor Kurzem beschlossen: So will die Bundesregierung einen Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das soll am Ende auch den Strompreis dämpfen. Netzentgelte sind Gebühren für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen, die an die Verbraucher weitergegeben werden. Alle Entlastungen sollen sich allein im kommenden Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag summieren.
Strompreis in Deutschland international einer der höchsten
Über Wege, die Industrie beim Strompreis zu entlasten, hatte die Bundesregierung monatelang gestritten. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Strompreis aktuell ziemlich hoch - sowohl für Verbraucher, als auch für Unternehmen, die teils enorme Mengen an Energie benötigen. Besonders gilt das zum Beispiel für die Chemieindustrie, für Aluminiumwerke und Hersteller von Baustoffen. Nach Daten der internationalen Energieagentur zahlt die Industrie in Deutschland fast dreimal so viel pro Megawattstunde wie in den USA oder Kanada.
CDU-Vize Spahn und Niedersachsens Ministerpräsident Weil (SPD) fordern die Bundesregierung zu schnellen Entscheidungen auf, um energieintensive Unternehmen zu entlasten.10.09.2023 | 0:34 min
In der EU liegt Deutschland im Mittelfeld: Teurer ist Strom etwa in Dänemark und Italien, deutlich günstiger aber in Frankreich. Der hohe Preis in Deutschland liegt zum einen an der ehemals starken Abhängigkeit von russischem Gas. Deutschland hat nur wenig eigene Öl- und Gasvorkommen, auch Wasserkraft und Sonne können anderswo besser zur Stromerzeugung genutzt werden. Dazu kommen der CO2-Preis, Steuern und Abgaben.
Bundesregierung fürchtet Abwanderung von Unternehmen
Immer mehr große Industriekonzerne denken gerade laut darüber nach, ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Strompreisen zu verlagern. Das könnte Deutschland Arbeitsplätze kosten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte deshalb bereits im Mai vorgeschlagen, den Strompreis für die Industrie durch staatliche Subventionen künstlich zu drücken. Das sollte vorübergehend bis 2030 passieren - bis die Erneuerbaren Energien so stark ausgebaut sind, dass die Strompreise von alleine sinken. Kostenpunkt: rund 25 bis 30 Milliarden Euro.
Wirtschaftsweise warnte: Bremse des Strukturwandels
Die Pläne des Grünen-Politikers wurden jedoch scharf kritisiert, weil nur rund 2.500 besonders energieintensive Unternehmen von den günstigen Preisen profitieren sollten. Der Mittelstand, viele Handwerker und kleinere Firmen würden leer ausgehen. Außerdem bestehe die Gefahr, eine Industrie staatlich zu unterstützen, die gar nicht zukunftsfähig wäre.
Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer sagte, das drohe den dringend nötigen Strukturwandel zu bremsen. Ähnlich äußerten sich auch andere Ökonomen, die etwa bezweifelten, dass Strom auch mit einem erheblichen Ausbau Erneuerbarer Energien je wirklich günstig wird.
"Wir haben, zumindest für den Zeitraum bis wir die Erneuerbaren zur Verfügung haben, bis wir grün werden können, bis die Erneuerbaren günstig werden, noch einen höheren Subventionsbedarf als das Paket heute ausgewiesen hat", sagte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie.
Beifall von der FDP
Bundeskanzler Olaf Scholz gab zu bedenken, der Ausbau von Wind- und Solarenergie dürfe nicht ins Stocken geraten. Außerdem gehe es um Unternehmen, die viel Gewinn machten.
Die geplante Senkung der Stromsteuer für die Industrie findet Beifall in der FDP. Fraktionschef Christian Dürr sprach von einem "großen Wurf".
Zur Finanzierung der geplanten Steuersenkung im Wert von 1,2 Milliarden Euro sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) im ZDF: